Kohleausstieg wird zum fossilen Gaseinstieg, weiterhin Blutkohle aus Kolumbien: Unser Gegenantrag

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Vorstand der EnBW kommt weiterhin nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz umzusetzen und seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachzukommen.

Fossiler „Fuel Switch“: Kohleausstieg wird zum fossilen Gaseinstieg

Viel zu lange hat EnBW damit gezögert, die eigenen Pläne für den Kohleausstieg zu beschleunigen und zu konkretisieren. Doch die jetzigen Pläne laufen darauf hinaus, fossile Kohle durch fossiles Gas zu ersetzen und neue fossile Abhängigkeiten über den tatsächlichen Bedarf einer effektiven Energiewende zu schaffen. Dem Klima ist überhaupt nicht geholfen, wenn die Emissionen nun hauptsächlich bei der Gewinnung und dem Transport von fossilem Gas entstehen und weniger bei der Verbrennung im Kraftwerk. Gerade bei der Verbrennung von verflüssigtem Erdgas (LNG), das per Fracking gewonnen wurde, müssen alle klimaschädlichen Emissionen entlang der Lieferkette betrachtet werden, sodass ein Fokus aus LNG alles andere als klimafreundlich ist.

Anfang 2023 hat EnBW am geplanten LNG-Terminal Stade noch mehr Kapazität als bisher gebucht. Darüber hinaus hat EnBW mit Venture Global LNG zwei langfristige LNG-Abnahmeverträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen. Das Gesamtvolumen der LNG-Mengen soll 2 Mio. t pro Jahr betragen und ab 2026/2027 aus den Venture-Global-LNG-Anlagen Plaquemines und Calcasieu Pass 2 in den USA bezogen werden. Diese lange Laufzeit ist ein Skandal: bis 2046/47 geht über den Stichtag für Deutschlands Klimaneutralität hinaus. Das Vorhaben widerspricht damit klar den Pariser Klimaschutzzielen.

Der „Fuel Switch“ von Steinkohle auf fossiles Gas an den Kraftwerksstandorten Heilbronn, Altbach/Deizisau und Stuttgart-Münster wird von EnBW mit einer „sofortigen CO₂-Reduktion“ von etwa 60 Prozent beworben. Dass sich EnBW hier nur auf die spezifischen Emissionen der Kraftwerke bezieht, statt auf die gesamte Klimabilanz und ohne Angaben, ob und in welchem Verhältnis LNG zum Einsatz kommen soll, bewerten wir als bewusste Irreführung.

Ohnehin muss sich EnBW um die gesamte Klimabilanz und fossile Abhängigkeit der eigenen Wertschöpfungsketten kümmern. 2023 ist der Klimaschaden durch den Gasabsatz der EnbW mit 22,6 Mio. t CO2e (nachgelagerte indirekte CO2-Emissionen, Scope 3) mehr als doppelt so hoch wie direkten Emissionen etwa aus der eigenen Stromerzeugung (Scope 1) gewesen.

Die klimaschädlichen Emissionen einfach in die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten zu verlagern ist kein Klimaschutz, sondern Greenwashing. EnBW gibt selbst offen zu, nur für die Emissionen bei Scope 1 und 2 einen 1,5-Grad-konformen Dekarbonisierungspfad anzustreben, nicht aber für Scope 3.

Weiterhin Blutkohle aus Kolumbien

Auch 2023 hat EnBW über eine Million Tonnen Steinkohle aus Kolumbien bezogen, mehr als aus anderen Ländern. Ein Teil der Kohleimporte dürfte auch aus Cerrejón stammen – dem größten Tagebau Lateinamerikas, betrieben vom Schweizer Bergbauriesen Glencore. Der Bericht „Does Cerrejón always win?“ der Menschenrechtsorganisationen CINEP und Censat Agua Viva, gemeinsam mit Fair Finance International und Oxfam letztes Jahr veröffentlicht, belegt einmal mehr: Glencores Steinkohlemine in Nordkolumbien fügt Mensch und Umwelt massiven Schaden zu – bis heute.[1] Ebenso besteht das Risiko, dass sich Glencore aus Kolumbien zurückzieht, ohne seinen historischen Verpflichtungen gegenüber den vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden nachzukommen und umfassende Wiedergutmachungen zu leisten.

Laut dem Portal Intelligence Online belegen Dokumente, dass Glencore Dienstleister beauftragt hat, bei der Durchführung einer Geheimdienstoperation zu helfen, die sich gegen Menschenrechtsgruppen gerichtet und Diplomaten ausspioniert hat.[2] Da reicht es nicht aus, dass EnBW laut Geschäftsbericht lediglich als Mitglied der Arbeitsgruppe Kolumbien bei RECOSI (vormals Bettercoal) mit Produzenten und anderen europäischen Kohleunternehmen austauscht, um „relevante Themen auf direktem Weg adressieren zu können und zu aktuellen Entwicklungen in Bezug auf kolumbianische Kohleproduzenten über öffentliche Quellen hinaus informiert zu bleiben.“[3]

Die Menschenrechtsverletzungen im kolumbianischen Steinkohlebergbau sind der EnBW bestens bekannt. Bis heute können wir nicht erkennen, das EnBW effektive Maßnahmen ergriffen hätte, um diese Menschenrechtsverletzungen adäquat zu adressieren. So ist nicht nachvollziehbar, wie EnBW den Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gerecht wird. EnBW kann aus unserer Sicht nicht hinreichend nachweisen, wie menschenrechtliche Risiken in den eigenen Lieferketten, vor allem bei der Steinkohle aus Kolumbien, effektiv und präventiv minimiert werden.


[1] https://cinep.org.co/publicaciones/producto/glencore-report-en/

[2] https://www.intelligenceonline.com/corporate-intelligence/2023/10/20/glencore-s-covert-ops-in-colombia-part-2-inside-glencore-and-control-risks–intelligence-operation-against-mining-firm-s-critics,110078905-art

[3] EnBW-Geschäftsbericht 2023, S. 55

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