„Stellenabbau und unklare Zukunftsperspektive in neuer Konzernstruktur“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wir vertreten die Stimmrechte von Kleinaktionärinnen und -aktionären und vertreten auch Interessen der Zivilgesellschaft in Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften.

Zu Beginn gleich ein doppeltes Lob: Es ist richtig, dass Sie für diese außerordentliche Hauptversammlung das übliche Präsenz-Format gewählt haben – und nicht etwa wieder mit einer rein virtuellen Hauptversammlung ins Internet geflüchtet sind, mit all den damit verbundenen Nachteilen und Einschränkungen für einen echten Austausch und Transparenz.

Wir begrüßen es auch, dass Sie bei der Umwandlung der Konzernstruktur für Fresenius Medical Care die Form der Aktiengesellschaft gewählt haben. Hier sehen wir die Rechte und Interessen der Beschäftigten und deren Mitbestimmung auch über die entsprechende Vertretung im Aufsichtsrat zumindest strukturell besser gewahrt. Doch das müssen Sie in Zukunft auch in der Praxis unter Beweis stellen.

Wir sehen Ihre geplante Umwandlung aber auch kritisch, weil eine Entflechtung allein noch keine Lösung für bisherige Probleme ist. Wir haben daher vor allem Fragen zu Ihrer zukünftigen Strategie als eine erstmal nur auf dem Papier eigenständigere Aktiengesellschaft.

Ich werden nun auch Fragen des globalen Gewerkschaftsbündnisses Fresenius Global Union Alliance an Sie richten:

Mit welchen Ideen und Visionen wollen Sie, will FMC konkret in die Zukunft?

  • Fresenius nabelt sich ab. Was aber steckt hinter der Abnabelung? Was ist Ihr Ziel – wollen Sie nur der Fresenius SE Luft verschaffen, damit FMC nicht mehr auf die Gewinne drückt?
  • Personalabbau: Februar 2020. Die Schlagzeile geht durch die Medien: „Abbau von weltweit 5.000 Arbeitsplätzen. Der Konzern will jährliche Kosten bis 2025 um 500 Millionen Euro senken.“
    Stellenabbau – das einfachste Konzept, um schnell Geld einzusparen. Consultingfirmen beraten dahingehend jeden Arbeitgeber so. Aber wo will FMC in Zukunft hin? Und wie wollen Sie das mit diesem Personalabbau erreichen? Gilt dieser weiterhin oder wird es hier Änderungen geben?
  • Innovationen:
    • Dialysegeräte: Seit Jahren hat FMC keine wirklich neuen Geräte auf den Markt gebracht. Dialysegeräte werden nur mit einem neuen Facelift aufgehübscht. Beispiel 6008 – altes Gerät, es wurde mit Facelift und einer einfachen Kassette auf der Medizinmesse in der Türkei groß gefeiert. Kaufen will es aber keiner, da es ein Altgerät ist.Heimdialyse: Mit NxStage hat FMC ein Gerät und Teile des US-Heimdialysemarktes sehr teuer gekauft, um ein Gerät für die Heimdialyse zu haben – aber ist es auch wirklich zeitgemäß? Eher nicht! Groß, klotzig, veraltet und sehr umständlich in der Bedienung!Dialysatoren: Wie ist der Stand der Einführung der FX-Dialysatoren in den USA? Ist die Produktion endlich in den USA für diesen Filter aufgebaut, ähnlich dem Automatisierungsgrad in St. Wendel? Ist dieser Dialysator in den USA FDA-zugelassen und im Markt eingeführt? Wenn nicht, wann genau plant das FMC-USA?

  • Organisation und Führung:
    • Struktur: FMC ist immer noch zu abhängig vom USA-Markt. Wie sehen die zukünftigen Pläne bzgl. der Asienregion aus? Plant man bei FMC den Unternehmensteil USA als unabhängige Aktiengesellschaft in USA zu platzieren, um so die Belastung für den Rest des Unternehmens zu reduzieren und USA besser zu kontrollieren?
    • Personalpolitik:
      • Das Personal in Dialysezentren läuft teils davon – ob in den USA oder in Deutschland. FMC ist als schlechter Arbeitgeber bekannt. Was plant FMC hier zu unternehmen, um diese Beschäftigten wieder zu begeistern und an das Unternehmen zu binden?Generell: Viele erfahrene, aber auch ältere Beschäftigte haben alles gegeben und werden nun für teure Abfindungen entsorgt. Wie plant FMC dieses Erfahrungspotential zu sichern und auf jüngere Mitarbeiter zu übertragen?
      • Was ist Ihre Vision für neue, bessere Arbeitsbedingungen und Beziehungen zu Gewerkschaften, um Ihren Ruf zu verbessern?

Frau Helen Giza, wo sind Ihre Ideen, um Fresenius Medical Care wieder nach vorne und vielleicht zurück in den DAX zu bringen? Dazu haben wir auch heute keine oder kaum konkrete Hinweise finden können.

Menschenrechte und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Ab diesem Jahr gilt nun auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für Sie und dann vor allem als theoretisch eigenständige Aktiengesellschaft. Werden Sie die Umsetzung in Zukunft eng mit der Fresenius SE abstimmen und gemeinsame Risikosysteme nutzen oder auch den konzernweiten Beschwerdemechanismus teilen? Oder werden Sie hier auch für eine Entflechtung sorgen? Wird hier die Fresenius SE auch weiterhin einen „bestimmenden Einfluss“ entsprechend §2 Absatz 6 LkSG haben?

Es gibt zum Lieferkettengesetz berechtigte Unmut und Kritik von kleineren und mittleren Unternehmen, dass größere Konzerne die Aufgaben und Pflichten einfach an ihre Lieferanten weitergeben, statt diese selbst umsetzen. Wie werden Sie in Zukunft als eigenständige Aktiengesellschaft vorgehen, um dies zu vermeiden und Ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auch eigenständig nachkommen?

Konkrete Antworten auf unsere Fragen würden uns sehr dabei helfen, Ihre uns heute vorgelegten Vorschläge auf der Tagesordnung einschätzen und entsprechend abstimmen zu können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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