„Zu welchen Emissionsreduktionen hat Ihre Richtlinie geführt?“: Rede von Anna Lena Samborski, urgewald

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Anna Lena Samborski und ich komme von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e. V. Ich spreche heute für den Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich möchte noch einmal unsere Zustimmung zu der im letzten Jahr verabschiedeten Öl- und Gasrichtlinie unterstreichen. Jedoch reichen die Maßnahmen nicht, um Ihren Beitrag zur Einhaltung der 1,5°C Grenze umfänglich zu leisten. Deswegen habe ich folgende Fragen an Sie:

  1. Wir bewerten die Ausschlüsse von neuen Öl- und Gasfeldern sowie direkt daran angeschlossenen Infrastrukturprojekten aus den Primärversicherungen sowie dem fakultativen Rückversicherungsgeschäft sehr positiv. Andere neue Öl- und Gasinfrastruktur sowie neue Öl- und Gaskraftwerke sind jedoch bisher nicht ausgeschlossen. Dabei ist Gas keine Brückentechnologie und der globale massive Ausbau von Gasinfrastruktur wie Flüssiggasterminals in den USA und Südostasien droht zur Erschließung neuer Gasfelder zu führen. Auch die Importstrukturen in Europa und die Errichtung neuer Gaskraftwerke kurbeln die Nachfrage nach neuem Gas an und fördern somit die Erschließung neuer Gasressourcen. Das führt zu einem jahrzehntelangen Lock-in in fossile Energien, während die Emission bis 2030 halbiert werden müssen, wenn wir eine Chance behalten wollen, die 1,5°C Grenze noch einzuhalten. Wann kommen Sie Ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht nach und weiten die begrüßenswerten Ausschlüsse auf jegliche neue Öl- und Gasinfrastruktur sowie neue Öl- und Gaskraftwerke aus?
  • Wieviel Prämienverlust haben sich im letzten Jahr aus Ihrer Öl- und Gasrichtlinie ergeben? Zu welchen Emissionsreduktionen bei versicherten Emissionen hat die Richtlinie geführt?
  • In Ihrer aktuellen Öl- und Gasrichtlinie fehlen umfassende Regeln für den Ausschluss von Öl- und Gasunternehmen im konventionellen Bereich, sowohl in der Versicherungs- als auch in der Investitionssparte. Wann planen Sie, Unternehmen ohne glaubwürdigen 1,5°C kompatiblen Transformationsplan aus Ihren Geschäften auszuschließen?
  • Sie haben angekündigt, an Metriken zur Erfassung des CO2-Fußabdrucks im obligatorischen Rückversicherungsbereich zu arbeiten und dort Reduktionsziele zu setzen. Wo stehen Sie damit aktuell und wann werden Sie weitere Details dazu veröffentlichen?
  • Bisher haben Sie Ausschlusskriterien auf Unternehmenseben für Kohlekonzerne im Versicherungsbereich lediglich anhand von absoluten Schwellenwerten von 100 Millionen Tonnen abgebauter Kohle jährlich und 25 Gigawatt installierter Kohlestromkapazität formuliert. Sie kündigen eine sukzessive Verringerung dieser Werte bis zum kompletten Ausschluss für die Folgejahre an, ohne jedoch weitere Details zu nennen. Wir weisen darauf hin, dass die aktuellen Schwellenwerte viel zu hoch sind. Zum Vergleich: Die absoluten Kriterien der urgewald Global Coal Exit List betragen aktuell 10 Mio. Tonnen abgebaute Kohle pro Jahr und 5 Gigawatt installierte Kohlestromkapazität. Zudem fehlen für den Versicherungsbereich weiterhin relative Schwellenwerte bezüglich des Kohleanteils am Umsatz und der Stromproduktion sowie der konsequente Ausschluss von Unternehmen, die im Kohlebereich neue Projekte planen. Wann werden Sie Ihre Ausschlusskriterien für Kohleunternehmen im Versicherungsbereich entsprechend anpassen und wie und wann werden Sie die existierenden absoluten Schwellenwerte reduzieren?
  • Der Kohleausstieg bis 2038 ist für OECD-Länder zu spät. Hier muss ein Ausstieg bereits bis 2030 erfolgen. Planen Sie, Ihre Kohleausstiegspläne entsprechend anzupassen?
  • Gelten Ihre Regeln für Unternehmen im Kohlebereich bei Investitionen nur für neue Anlagen oder divestieren Sie aktiv? Wann werden Sie einen detaillierten Plan zum Ausstieg aus Kohle im Investitionsbereich vorlegen?
  • Inwieweit beziehen Sie das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (englisch: Free, Prior and Informed Consent – FPIC) entsprechend der Deklaration der Rechte indigener Völker (UNDRIP) in Ihre Umwelt- und Sozialprüfungen aktuell ein?
  • Sie unterstrichen bei Ihrem Austritt aus der NZIA, Ihre dort gemachten Netto-Null Versprechen bis 2050 trotzdem einzuhalten. Diese beinhalten auch die Kriterien der UN-Initiative „Race to Zero“, die von ihren Mitgliedern einen Phase-Out bezüglich der Entwicklungen, Finanzierung und dem Betrieb von neuen fossilen Projekten im Einklang mit klimawissenschaftlichen Erkenntnissen verlangt („each Race to Zero member shall phase out its development, financing, and facilitation of new unabated fossil fuel assets, including coal, in line with appropriate global, science-based scenarios“). Können Sie bestätigen, dass Sie unter Anbetracht dessen Ihre Öl- und Gasausschlüsse auf jegliche neue Öl- und Gasinfrastruktur und neue Öl- und Gaskraftwerke ausweiten und schnellstmöglich vollumfänglich auch auf Öl und Gas im treaty Bereich anwenden werden?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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