Versagen bei Klimaschutz und Menschenrechten: Unsere Gegenanträge zur Hauptversammlung 2023 von HeidelbergCement (Materials)

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 3, Entlastung des Vorstands:

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre erteilt dem Vorstand keine Entlastung.

Begründung:
Heidelberg Materials verstößt gegen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Indonesien: Zerstörerisches Bergbauprojekt am Kendeng-Gebirge
Der Vorstand von Heidelberg Materials verletzt einige OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und auch Bestimmungen des Lieferkettengesetzes. Dies zeigt z.B. das Vorhaben der indonesischen Tochterfirma Indocement, im Landkreis Pati der Provinz Zentraljava eine Zementfabrik am Rand des Kendeng-Gebirges zu errichten und für Zement benötigte Ressourcen abzubauen. Heidelberg Materials ist mit 51% Mehrheitsaktionär von PT. Indocement; die Aktivitäten von PT. Indocement bzw. dessen Tochter PT. SMS werden somit dem „eigenen Geschäftsbereich“ von HeidelbergCement zugeordnet.

Über 2.000 Hektar Fläche, auf der Indocement Rohstoffe gewinnen möchte, galt bis 2012 noch als geologisches Schutzgebiet. Als die Reaktion auf den Protest der lokalen Bürgerinitiative gegen die Erteilung der Umweltgenehmigung für PT. Indocement hat der indonesische Präsident Joko Widodo im Jahr 2017 eine strategische Umweltprüfung (KLHS) angeordnet. Die KLHS ist die umfassendste wissenschaftliche Umweltstudie, die zu möglichen Auswirkungen von Bergbau bzw. Kalksteinabbau in Pati und sechs weiteren Landkreisen durchgeführt wurde. Sie empfiehlt ganz klar, dass in Pati auf Bergbau verzichtet werden soll, da sonst das fragile Karstökosystem geschädigt wird, und spricht sich stattdessen für Renaturierungsmaßnahmen schon beschädigter Gebiete des ganzen Gebirges und die Nutzung für den ökologischen Landbau sowie Tourismus aus. Nach wie vor schenkt Heidelberg Materials den Ergebnissen der KLHS nicht die nötige Aufmerksamkeit und setzt das Bauvorhaben in der Region nicht aus.

Darüber hinaus werden über 800 Hektar produktive Landwirtschaftsfläche für die Tongewinnung und den Bau der Fabrik benutzt. Durch den geplanten Kalksteinabbau und das Bauvorhaben einer Zementfabrik werden das für das lokale Ökosystem und Wasserkreisläufe wichtige Karstgebiet zerstört. Die lokalen Gemeinden sind von den Wasserquellen und Grundwasserbrunnen für Trinkwasser und die Landwirtschaft abhängig. Eine Umsetzung des Projekts entzieht den betroffenen Menschen die Lebengrundlage. Somit werden die zu erwartenden Auswirkungen des Bergbauprojekts unausweichlich zur Verletzung der durch das Lieferkettengesetz geschützten Rechtsposition nach § 2 (2) 9 a) und b) führen.

Unter den Betroffenen ist auch die indigene Gemeinschaft der Sedulur Sikep („die freundlich Gesinnten“), die im Jahr 1890 gegründet wurde.  Für sie ist die Landwirtschaft nicht nur ihre Einkommensquelle, sondern ein Lebensprinzip. Ein Mitglied der indigenen Gemeinschaft, Gunarti, sagte: „Wenn wir keine Bauern mehr sind, sind wir keine Sedulur Sikep mehr.“ Mit der Fortsetzung des Bergbauprojekts im Landkreis Pati missachtet Heidelberg Materials die Rechte indigener Gruppen auf ihr Land und ihre Ressourcen. Die Existenz der Sedulur Sikepwird vernichtet.

Nach indonesischem Recht läuft eine Genehmigung automatisch aus, wenn es seitens des Unternehmens innerhalb von 3 Jahren keine Aktivitäten nach Geschäftsplan gegeben hat. Seit der Erteilung der Genehmigung an PT. Indocement am 8.12.2014 gab es keinerlei Aktivitäten vor Ort. Wenn die Heidelberg Materials AG ihr Vorhaben weiterhin umsetzt, stellt dies eine Umgehung von geltenden Gesetzen und Bestimmungen dar.

Westjordanland: Hanson Israel bricht Völkerrecht
Mit dem Betrieb des Steinbruchs im von Israel besetzten Westjordanland hält sich die Heidelberg Materials-Tochterfirma Hanson Israel weiter nicht an das Völkerrecht (z.B. die UN-Resolution 2334). Der Vorstandsvorsitzende hatte auf den letzten Hauptversammlungen (HV) erklärt, man fördere keine Bauprojekte im Westjordanland. Eine unabhängige Untersuchung von Forschern vor Ort ergab, dass Hanson auch nach der HV 2022 Material an verschiedene Baustellen in den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem geliefert hat. Die dortigen Häuser haben es Tausenden von israelischen Siedlern ermöglicht, sich in den besetzten palästinensischen Gebieten illegal niederzulassen.
Damit kommt Heidelberg Materials auch im Westjordanland einer Anforderung des Lieferkettengesetzes, präventive Maßnahmen gegen Menschenrechtsverstöße in der Lieferkette zu ergreifen, nicht nach. Auf der HV erklärte das Unternehmen, dass es aufgrund der in Israel geltenden Antidiskriminierungsgesetze nicht möglich sei, aktiv zwischen Kunden unterschiedlicher Herkunft zu unterscheiden. Das israelische Gesetz zum Verbot der Diskriminierung im öffentlichen Raum aus dem Jahr 2000 mit der Abänderung von 2017 verpflichtet Unternehmen gerade nicht dazu, ihre Produkte in Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten zu liefern, wenn sie eine klare und legitime Politik verfolgen, die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen an Kunden jenseits der Grünen Linie ausschließt, die nicht mit dem Wohnsitz des Kunden in Zusammenhang steht. 


Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4, Entlastung des Aufsichtsrats:

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre erteilt dem Vorstand keine Entlastung.

Begründung:
Der Aufsichtsrat der Heidelberg Materials AG kommt seiner Pflicht, den Vorstand des Unternehmens zu kontrollieren, nicht nach.

Heidelberg Materials: Klimaneutralität erst 2050
Heidelberg Material will erst 2050 klimaneutral werden. Das ist nicht besonders ehrgeizig.So urteilte das Manager Magazin neulich: „Heidelberg Materials – zu grün, um wahr zu sein“  … Der Zementhersteller aus dem Reich der Milliardärsfamilie Merckle zählt zu den größten Klimasündern Deutschlands. Vorstandschef Dominik von Achten tut alles, ihm ein grünes Image zu verpassen. Besser wäre es, die Rhetorik mit deutlich mehr Taten zu flankieren.“ (Manager Magazin, März 2023) Eine Transformation verschiebt der „Klimasünder“ Heidelberg Materials auf die nächsten Jahrzehnte.

Investoren werfen Heidelberg Materials schlecht Klimabilanz vor
Auch Investoren wie die Deka Investments finden, dass der Konzern eine schlechte Klimabilanz habe. Die Investment-Gesellschaft der Sparkassen urteilt: Heidelberg Materials hält den Deka-Standards nicht stand.
„Unsere Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen investieren nicht in Heidelberg Materials“, so Corporate-Governance-Spezialistin Cornelia Zimmermann. Der Konzern halte den Deka-Standards aufgrund der hohen Treibhausgasemissionen nicht stand. (Manager Magazin, März 2023)

Internationale und nationale Vorgaben für den Klimaschutz
Das Klimaschutzabkommen von Paris fordert die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad Celsius und maximal auf 2 Grad Celsius zu begrenzen. Die Bundesregierung strebt für Deutschland Klimaneutralität bis 2045 an, wobei der Pfad dahin und somit die Budget-Verteilung im Klimaschutzgesetz nicht eindeutig geregelt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2021 dazu festgelegt, dass Reduktionspfade und sektorenbezogene Jahresemissionsmengen, die einen Großteil der Reduktionslast zukünftigen Generationen aufbürden (in dem Fall auf nach 2030 verschieben), mit Grundrechten unvereinbar sind. Die Klimaerhitzung wird durch Dürre, Hitzeperioden und Starkregenereignisse inzwischen auch in Deutschland sichtbar. Die Stadt Heidelberg hat wie viele Städte im Jahr 2019 den Klimanotstand ausgerufen.

Die aktuellen Ziele als auch die anvisierten Maßnahmen reichen nicht aus, um die Erderhitzung Paris-konform zu begrenzen und den Planeten für den Großteil der Bevölkerung bewohnbar zu halten.

Die Verantwortung der Zementindustrie
Um die oben genannten Klimaziele zu erreichen, bedarf es gesellschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen für eine Bauwende. Dabei kommt es auch auf die Zementindustrie an, die ihre Expertise bei der Entwicklung alternativer kreislaufgerechter Geschäftsmodelle beisteuern muss.

Die Zementindustrie kann nicht nur die Energiewende konsequent umsetzen und so die energiebedingten Emissionen vermeiden. Sie kann ihre Expertise in der Zulassung und Normierung von Baustoffen auch für andere Bauprodukte einsetzen, die ohne fossile Technologien auskommen, um ein Marktsegment abzudecken, für das Beton überdimensioniert ist.

Unternehmen der Zementindustrie können konsequent CO₂ an den verbleibenden Zementwerken abscheiden, Betonabbruchmaterial recyclen und insbesondere den Betonfeinanteil zur Einspeicherung des abgeschiedenen CO₂ nutzen.

Denn die Zementherstellung ist weltweit für mehr Treibhausgasemissionen (THG) verantwortlich als der globale Flugverkehr oder auch mehr als der gesamte Kontinent Afrika. Allein aufgrund ihres THG-Anteils kommt der Zementproduktion daher eine enorme Bedeutung zu bei der Einhaltung des Restbudgets an Emissionen, um die Erderhitzung Paris-konform auf möglichst 1,5 Grad und maximal 2 Grad zu begrenzen. Bei den größten Verursachern der Klimakrise lässt sich gleichzeitig der größte Hebel für einen Minderungseffekt ansetzen. Da technische Lösungen (vor allem CCS) im kritischen Zeitfenster nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen, ist die effektivste Klimaschutzmaßnahme die Drosselung der Zementproduktion, was einen strukturellen Wandel in der Branche und die Erschließung neuer Geschäftsfelder bedeutet.

Heidelberg Materials bleibt hinter internationalen und nationalen Klimaschutzzielen zurück
Heidelberg Materials befindet sich nicht auf einem Paris-konformen Reduzierungspfad. Würden alle Firmen sich wie Heidelberg Materials heute verhalten, dann wären wir mit einer Klimaerhitzung um 3,5 Grad Celsius bis 10 Grad Celsius konfrontiert und würden weit über die Pariser 1,5-Grad-Grenze hinausschießen. Der Konzern mit Sitz in Heidelberg ist auch weiterhin nach RWE das DAX-Unternehmen mit dem zweitgrößten CO₂-Fußabdruck. Im Geschäftsjahr 2022 betrugen die absoluten Brutto-CO 2 -Emissionen (Scope 1) von Heidelberg Materials im Geschäftsberich Zement 65,4 Mio. Tonnen gegenüber 69 Mio. Tonnen im Vorjahr. Das ist nur eine geringe Reduktion.
Die spezifische Brutto-CO 2 -Emissionen pro Tonne zementartigem Materials (Scope 1) betrugen 586 kg CO2 pro Tonne (599 kg CO2 pro Tonne).

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