„Vorstand und Aufsichtsrat der HHLA haben jetzt die Chance zuzugeben, dass Sie Pflichtverletzungen begingen“: Rede von Markus Dufner

„Aus einem Brief des Bundeswirtschaftsministeriums geht hervor, dass das Container Terminal Tollerort (CTT) der HHLA bereits seit dem 1. April 2022 als Betreiber kritischer Infrastruktur (KRITIS) gelten muss“, sagte Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands, in seinem Video-Redebeitrag auf der virtuellen Hauptversammlung.

Dachverband bezweifelt, dass die Hamburger Hafen und Logistik AG alle beteiligten Behörden im Investitionsprüfverfahren über die Umschlagsmengen am Container Terminal Tollerort jederzeit transparent informiert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstands und Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Markus Dufner, ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen. Wir vertreten zahlreiche Kleinaktionärinnen und sind Stimme für unsere 30 Mitgliedsorganisationen und weitere Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen.

Der Dachverband hat Gegenanträge zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 7 gestellt. Darauf werde ich gleich eingehen.

Frau Titzrath und Herr Professor Grube, zunächst möchte ich Sie fragen, warum Sie sich ohne Not für die Durchführung einer Hauptversammlung im virtuellen Format entschieden haben. Die Corona-Pandemie ist überwunden. Für diese Notlage hat der Gesetzgeber dieses Format geschaffen. Nun hätten Sie zum Format der Präsenz-Hauptversammlung zurückkehren können, wie es einige andere Unternehmen getan haben: darunter etwa die Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd und Aurubis. Das HHLA-Management scheint keinen Wert auf einen wirklichen Austausch mit seinen Aktionärinnen und Aktionären zu legen. Eine wirkliche Debatte entsteht nur bei einem Treffen vor Ort.

Ich selbst und sicher auch Sie, liebe Aktionärinnen und Aktionäre und Kolleginnen und Kollegen anderer Aktionärsvereinigungen, haben sicherlich etliche virtuelle Hauptversammlungen erlebt, die sich mit der Intensität einer Präsenzhauptversammlung nicht messen konnten. Zudem gab es immer wieder technische Probleme bei der Übertragung generelle und bei den Video-Redebeiträgen bis hin zu Unterbrechungen von bis zu zwei Stunden.
Frau Titzrath, Herr Grube, sind Ihnen diese großen Nachteile virtueller Hauptversammlungen bekannt?
Können Sie uns heute zusagen, dass Sie 2024 wieder zum Format der Präsenz-Hauptversammlung zurückkehren werden?

Dazu stelle ich nun unseren Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 7, Satzungsänderungen:
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Beschlussvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand abzulehnen.
Wir lehnen Hauptversammlungen ab, die die physische Präsenz von Aktionärinnen verbieten. Die Entscheidung darüber, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betrifft hauptsächlich die Aktionär*innen. Wir sind der festen Überzeugung, dass nur Hauptversammlungen in Präsenz einen echten Austausch zwischen Aktionär*innen und Unternehmensführung gewährleisten können. Daher sind wir der Ansicht, dass die Hauptversammlung über solche Fragen entscheiden sollte und nicht der Vorstand. In Betracht ziehen wir aber die Option der hybriden Hauptversammlung, die die Vorzüge beider Möglichkeiten vereint.

Nun komme ich zu unseren Gegenanträgen zu unseren Tagesordnungspunkt 3 und 4:
Der Dachverband der Kritischen Aktionär*innen beantragt die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2022 nicht zu entlasten.

Der Vorstand der Hamburger Hafen und Logistik AG machte im Zuge der Beteiligung von COSCO SHIPPING Ports Limited (CSPL) am Containerterminal Tollerort allem Anschein nach falsche Angaben.

Die Entscheidung, eine Beteiligung am Containerterminal Tollerort durch den chinesischen Staatskonzern COSCO zu genehmigen, geschah unter falschen Voraussetzungen. Nach Informationen von NDR und WDR hatte der Hafenbetreiber, die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), im Verlauf des Prüfverfahrens mehrmals behauptet, beim Terminal Tollerort handele es sich um keine kritische Infrastruktur (KRITIS). Diese Einordnung war aber falsch. Denn der jährliche Umschlag am Terminal Tollerort lag deutlich über der in der Verordnung festgelegten Grenze, ab der ein solches Terminal als besonders schützenswert gilt.

Nach der Freigabe durch die Bundesregierung kann die COSCO nun 24,9 Prozent am Container-Terminal Tollerort übernehmen. Die HHLA hatte ursprünglich mit COSCO sogar einen Vertrag über eine Minderheitsbeteiligung von 35 Prozent an der HHLA Container Terminal Tollerort GmbH geschlossen. Im Gegensatz zum Bundeskanzleramt hatten das Bundesaußenministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und andere Ressorts wegen der Übernahme durch den chinesischen Staatskonzern Bedenken geäußert: Der Einfluss des autoritär regierten China auf Kritische Infrastruktur in Deutschland könne zu groß werden.

Die HHLA hat direkt auf die Gegenanträge des Dachverbands reagiert und behauptet in einer Stellungnahme: „Im Zusammenhang mit dem Investitionsprüfverfahren betreffend die Beteiligung von COSCO an der HHLA Container Terminal Tollerort GmbH (CTT) haben nach unserem Dafürhalten weder Vorstand noch Aufsichtsrat Pflichtverletzungen verschuldet.“

Frau Titzrath, Herr Grube, es gibt berechtigte Zweifel, dass die HHLA alle beteiligten Behörden im Investitionsprüfverfahren über die Umschlagsmengen am Container Terminal Tollerort jederzeit transparent informiert hat. Tatsächlich sieht das Gesetz sieht vor, dass Betreiber von Container-Terminals zum einen Umschlagsmengen mitteilen müssen. Sie müssen des Weiteren auch die entsprechende Registrierung vornehmen. Und das unterließ die HHLA über Monate.

Frau Titzrath und Herr Prof. Grube: Aus einem Brief des Bundeswirtschaftsministeriums geht hervor, dass das Container Terminal Tollerort (CTT) der HHLA bereits seit dem 1. April 2022 als Betreiber kritischer Infrastruktur (KRITIS) gelten muss.

Meine Fragen an Sie:
Wer war und ist bei der HHLA federführend mit dem Investitionsprüfverfahren befasst?
Warum hat die HHLA nicht rechtzeitig beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Meldung erstattet?
Waren Sie darüber informiert? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht?
Wer bei der HHLA ist für die Registrierung zuständig?
Gab es personelle Konsequenzen wegen der Versäumnisse?

Wann fragte das für die Kritis-Verordnung zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bei der HHLA nach?

Des Weiteren lassen die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Zweifel aufkommen, dass das HHLA-Management keine Pflichtverletzungen beging.
Die CDU/CSU hatte Fragen gestellt zur Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens COSCO an der Container Terminal Tollerort GmbH, einer Tochter der Hamburger Hafen Logistik AG, und bekam folgende Antwort:

„Die für die Prüfung der Fragestellung erforderlichen Angabenfür das Containerterminal Tollerort hat die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA AG) bzw. die HHLA Containerterminal Tollerort GmbH (HHLA CTT GmbH) nicht rechtzeitig, sondern erst am 31. Januar 2023 nach Aufforderung durch das BSI vorgelegt. Hintergrund der Aufforderung des BSI war die im Zuge der Teiluntersagung erfolgte öffentliche Berichterstattung, die es möglich erscheinen ließ, dass es sich bei den Terminals Tollerort, Burchardkai und Altenwerder, die als eine Gesamtanlage der HHLA AG seit 2018 als Kritische Infrastruktur im Sinne des BSI-Gesetzes (Anlage oder IT-System zur Logistiksteuerung oder -verwaltung in den Segmenten Massengut, Ladungsverkehr, Stückgut, Kontraktlogistik sowie See- und Luftfracht) beim BSI registriert waren, jeweils zusätzlich um Einzelanlagen (Umschlaganlage in See- und Binnenhäfen) handeln könnte.“ (siehe Anmerkung 1)

Frau Titzrath, Sie als Vorstandsvorsitzende und Herr Professor Grube, Sie als Aufsichtsratsvorsitzender der HHLA, haben jetzt die Chance zuzugeben, dass Sie Pflichtverletzungen begangen haben.

Aufgrund der Versäumnisse der HHLA traf die Bundesregierung in dem Prüfverfahren Entscheidungen unter falschen Voraussetzungen. 


Anmerkung 1:
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 11019 Berlin

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage – Nr. 20/6660

Berlin, 25. Mai 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
beigefügt übersende ich Ihnen die Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage Drs.-Nr. 20/6660 der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen
Bundestag zum Thema: „Beteiligung des chinesischen
Staatsunternehmens COSCO an der Container Terminal Tollerort GmbH,
einer Tochter der Hamburger Hafen Logistik AG“.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage – Nr. 20/6660

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