Widerstand gegen den Deal des Hamburger Senats mit der weltgrößten Reederei MSC

(Update vom 23.11. 2023) Breite Front der Ablehnung gegen Verkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) / MSC und Stadt Hamburg haben die für Squeeze-out notwendigen 90 Prozent bisher nicht erreicht / Annahmefrist für Aktionäre wird um zwei Wochen verlängert

Die Mediterranean Shipping Company (MSC) will sich im Hamburgen Hafen einkaufen und Kleinaktionäre rausdrängen.

Unter dem Motto „Unser Hafen – Nicht Euer Casino“ demonstrierten kürzlich Hunderte Hafenbeschäftigte und Mitglider der Gewerkschaft ver.di gegen den Teilverkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG an die Mediterranean Shipping Company (MSC). Der Dachverband und seine Mitgliedsorganisation Förderkreis „Rettet die Elbe“ wenden sich gegen das Squeeze-out-Verfahren und empfehlen den HHLA-Aktionär*innen, ihre Aktien nicht an die MSC zu verkaufen.

Squeeze-out: Ausschluss der HHLA-Minderheitsaktionäre soll erzwungen werden
Am 13. September hatte der rot-grüne Hamburger Senat überraschend verkündet, die börsennotierte HHLA zusammen mit der weltgrößten Container-Reederei MSC als einzigem Partner betreiben zu wollen. Die Stadt will ihren Anteil von knapp 70 auf 50,1 Prozent reduzieren, MSC ihren Anteil damit und mit den Aktien aus dem Streubesitz auf 49,9 Prozent aufstocken. Aktienrechtlich durchsetzen könnten dies die Stadt Hamburg und MSC durch einen Squeeze-out: den zwangsweisen Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft. Voraussetzung für einen Squeeze-Out ist, dass der Mehrheitsaktionär über mindestens 90 Prozent der Anteile verfügt.

Übernahme erst einmal gescheitert! Wie geht es weiter?
Nach Ablauf der regulären Annahmefrist für ein MSC-Kaufangebot an die HHLA-Aktionäre verfügen die Stadt Hamburg und die MsC über eine HHLA-Mehrheit von mehr als 86,23 Prozent. Das teilte MSC am Donnerstag in einer Pflichtmitteilung in Hamburg mit. Im Gegenzug heißt das, dass weniger als 14 Prozent im Besitz anderer Aktionäre verblieben sind – zu wenig, um wichtige Unternehmensentscheidungen mit der sogenannten Sperrminorität zu blockieren. Die HHLA-Aktionäre haben nun in einer gesetzlich vorgesehenen „weiteren Annahmefrist“ zwei Wochen bis zum 7. Dezember Zeit, MSC Anteile anzudienen. „Das Ziel, bleibt weiter, so viele Anteile wie möglich zu bekommen.“, sagte ein Hamburger MSC-Sprecher dem Dachverband. Das Angebot von 16,75 Euro je Aktie werde man nicht erhöhen.

„Bis Anfang Dezember können Aktionäre sich entscheiden, das Angebot von MSC anzunehmen“, sagte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD), die den Deal mit MSC mit eingefädelt hatte. „Danach wird klar sein, wie die künftigen Mehrheitsverhältnisse genau sein werden. Schon heute steht fest, dass die Stadt und MSC mit ihren Anteilen gemeinsam über den künftigen Kurs des Unternehmens entscheiden können. Derzeit finalisieren wir die Verträge, und werden alles gesammelt der Bürgerschaft Anfang kommenden Jahres zur Entscheidung vorlegen.“

Bürgermeister Tschentscher: Strategische Partnerschaft nötig, um mit Konkurrenz mitzuhalten
„Die strategische Partnerschaft mit einer der führenden Reedereien ist ein Meilenstein in der Entwicklung unseres Hafens“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), als er das Vorhaben Mitte September vorstellte. Um mit den konkurrierenden Häfen mithalten zu können, seien Investitionen nötig, die die Stadt nicht allein stemmen könne. Bisher sind private Investoren in Hamburg nur an einzelnen Umschlagterminals beteiligt. Jetzt geht es um den Terminalbetreiber selbst, der mehr als drei Viertel aller Container in Deutschlands wichtigstem Hafen umschlägt.

Deal ohne Wissen des HHLA-Vorstands
Der Hamburger Senat hatte den Deal mit MSC ohne Wissen des Vorstands der HHLA AG eingefädelt. Zwar empfiehlt die HHLA-Führung nun nachträglich die Annahme des MSC-Angebots, doch ein Vorstandsmitglied, Jens Hansen, will seine HHLA-Aktien nicht verkaufen. Auch der HHLA-Konzernbetriebsrat hat sich klar gegen den Einstieg der Reederei MSC ausgesprochen. „Die Risiken überwiegen die Chancen bei Weitem“, warnte Konzernbetriebsratsvorsitzender Christian Baranowski. „Die HHLA und die Hamburger Hafenwirtschaft werden geschädigt.“ Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen seien massiv gefährdet.

Dachverband: Tafelsilber der Stadt nicht verkaufen!
„Der Hamburger Senat ist gerade dabei, das Tafelsilber der Stadt zu verkaufen“, erklärt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands. „Wir raten den HHLA-Aktionärinnen und Aktionären dringend davon ab, das Kaufangebot der MSC anzunehmen. Wir werden unsere Aktien behalten und werden auch sonst dem Widerstand gegen den geplanten Deal mit MSC den Rücken stärken.“ Dr. Klaus Baumgardt vom Förderkreis Rettet die Elbe äußerte sich wie folgt: „Wir werden uns das Recht, auf der Hauptversammlung zu sprechen und Anträge zu stellen, nicht für 16,75 Euro abkaufen lassen.“

HHLA will Betriebsrätin kündigen
Für zusätzlichen Konfliktstoff sorgt, dass die HHLA einer Betriebsrätin, Jana Kamischke, die als Sprecherin der HHLA-Vertrauensleute wirkt, fristlos gekündigt werden soll. Der Betriebsrat will dem Vernehmen nach eine mögliche Entlassung der erklärten Gegnerin des MSC-Einstiegs so nicht akzeptieren. Ver.di-Mitglied Kamischke gehörte zu den zentralen Sprechern der ersten Großdemo von Ver.di und Konzernbetriebsrat gegen den Deal am 19. September 2023.

MSC ist die größte Container-Reederei (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12373/umfrage/fuehrende-container-reedereien-nach-anzahl-der-schiffe/)

Ruf von MSC in der Branche ist nicht der beste
„Das Unternehmen wird patriarchalisch von seinem Gründer Gianluigi Aponte, einem der reichsten Männer der Welt, geführt“, berichtete das Hamburger Abendblatt. „Zahlen zu Umsatz und Gewinn werden nicht so gern veröffentlicht. Und auch der Ruf von MSC in der Branche ist nicht der beste: Immer wieder gab es in der Vergangenheit Meldungen über Schiffsunfälle oder unsaubere Verschrottungspraktiken, die dem Unternehmen, das ursprünglich nur Schiffe aus zweiter und dritter Hand betrieb, nachgesagt wurden. Im Kreuzfahrt-Ranking des Nabu belegt die MSC 2023 einen Mittelplatz, was Klima- und Umweltschutzmaßnahmen betrifft. Im vergangenen Jahr gab es dann Schlagzeilen, dass die Drogenmafia vom Balkan die Reederei infiltriert habe, um mit den Schiffen Kokain zu schmuggeln. US-amerikanische Behörden verhängten eine Rekordstrafe von 700 Millionen US-Dollar gegen die Reederei.“

Hamburger Bürgerschaft stimmt Anfang Januar 2024 über den Deal ab
Der Vollzug der Transaktion steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft. Das Parlament der Hansestadt werde Anfang Januar 2024 über den Deal abstimmen, teilte der Pressesprecher der Behörde für Wirtschaft und Innovation, Martin Helfrich, auf Anfrage des Dachverbands mit.

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