Henry Mathews Preis für Alle Dörfer bleiben

Facettenreicher Widerstand gegen Kohlekonzerne und Klimakiller in Ost und West / Preisverleihung auf der Jahrestagung des Dachverbands am 25.09.2021

Franziska Knauer (links) und Nora Mittelstädt nehmen den Henry Mathews Preis für Alle Dörfer bleiben im Leipziger Land entgegen. (Fotos: privat)

Der konzernkritische Henry Mathews Preis geht in diesem Jahr an Alle Dörfer bleiben (ADb). Ende 2018 schlossen sich Menschen aus drei Regionen in Deutschland, die durch Tagebaue und Zwangsumsiedlung direkt betroffen waren und noch immer sind, zu dem Bündnis mit dem programmatischen Namen zusammen. Gemeinsam wollen Aktive aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und solidarische Bürger*innen im Rheinland, dem Leipziger Land und der Lausitz verhindern, dass weitere Dörfer dem Braunkohleabbau zum Opfer fallen. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre verleiht den Preis seit 2007, um den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen rücksichtslose Konzernmacht zu stärken. Die diesjährige Preisverleihung findet im Rahmen der Jahrestagung des Dachverbands am 25. September statt.

Franziska Knauer ist seit 2019 bei Alle Dörfer bleiben aktiv. „Ich bin in Pödelwitz aufgewachsen und kenne schon immer das Gefühl, einen Tagebau in der direkten Umgebung zu haben“, sagt die junge Frau aus dem Mitteldeutschen Revier. „Als der Tagebau bis vor die Haustür vorrücken sollte und darum gerungen wurde mein zu Hause abzubaggern, bin ich intensiver mit Braunkohlewiderstand konfrontiert worden.“ Vor zwei Jahren blieb „Franzi“ länger auf dem Klimacamp Leipziger Land, das in Pödelwitz stattfand und wurde Mitglied von „ADb“. Damals habe sie erstmals erfahren, dass auch Dörfer im Rheinland abgebaggert werden sollen. „Der deutschlandweite Austausch, gegenseitiges Mutmachen, über die bedrohten Dörfer erzählen sowie das Unterstützen bei Aktionen und Veranstaltungen beschäftigen mich im bundesweiten Kontext.“ 

Nora Mittelstädt gehört seit 2020 zu Alle Dörfer bleiben und ist aktives Mitglied der Arbeitsgruppe Dorfentwicklung. „Die Klimacamps 2018 und 2019 in Pödelwitz weckten in mir das Interesse, das einst bedrohte Dorf als Möglichkeitsfenster zu verstehen, in dem selbstbestimmt und bedürfnisorientiert ein neuer Ort und eine neue Gemeinschaft entwickelt werden können“, sagt die Umweltforscherin und Projektkoordinatorin.

Aktiv bei Alle Dörfer bleiben (ADb) im Rheinland sind Marita Dresen (links) und Alex Brüne. (Fotos: privat)

Marita Dresen ist seit der Gründung von Alle Dörfer bleiben mit dabei. „Ich wohne im bedrohten Dorf Kuckum und lebe dort mit meinen Eltern, meinem Mann und  meinen Kindern sowie mit Pferden und Hühnern“, sagt die Rheinländerin. „Ich möchte meine Heimat nicht verlieren und kämpfe deshalb nicht nur für mich, sondern auch für Klimaschutz und für den Erhalt der Dörfer.“ Marita gibt Interviews, organisiert Demos oder kümmert sich mit anderen Menschen von „Denkmal an der Kante“ darum, den „Tag des Denkmals“ stattfinden zu lassen. „Es ist mir wichtig, die Dorfgemeinschaft mit den jetzt noch in den Dörfern lebenden Menschen zu erhalten und auch weiterhin in Verbindung mit Menschen zu bleiben, die schon an neue Orte gesiedelt sind“, betont Marita. Außerdem sei es ihr ein Anliegen, mit Politikerinnen und Politikern ins Gespräch zu kommen wie zum Beispiel dem Bürgermeister der Stadt Erkelenz, zu der Kuckum gehört.

Alexandra Brüne ist durch die Proteste am Hambacher Wald zu Alle Dörfer bleiben gekommen. „Seit meiner Kindheit bin ich mit dem Tagebau konfrontiert gewesen“, erinnert sich die junge Frau. „Mein Vater war schon Ende der 80er Jahre aktiv im Widerstand. Für mich ist es klar, für die Dörfer zu kämpfen: einmal aus Klimaschutzgründen und zum anderen dafür, dass Menschen so leben können, wie sich es sich wünschen.“ Alex, wie sie genannt wird, wohnt in einem Drei-Generationen-Haushalt in der ehemals bedrohten Dackweiler-Siedlung, einem Weiler mit drei Häusern, der zum Dorf Holzweiler gehört.  Bei ADb gibt sie Interviews, hält Reden und organisiert Demos und Mahnwachen. Als RWE begann, den Nachbarort Lützerath zu zerstören, unterstützte sie die Aktivist*innen von „Lützi lebt“ und hilft, Veranstaltungen wie einen Kräuterspaziergang oder die  „Sommernacht in Lützerath“ zu organisieren. „Für mich ist es wichtig, die vielen Facetten der am Klimaschutz beteiligten Akteurinnen und Akteure aufzuzeigen.“

René Schuster, Vorsitzender des ostdeutschen Umweltverbands Grüne Liga, nahm ab 2003 mit der Umweltgruppe Cottbus an mehreren Hauptversammlungen des Energiekonzerns Vattenfall Europe teil (Fotos: privat, hf)

Im zweiten Teil der Jahrestagung („Klimaschutz und Kohleausstieg“) stößt René Schuster online zu den Preisträgerinnen, die in Köln anwesend sind, und schildert die Situation im Lausitzer Braunkohlerevier. René ist Vorsitzender des ostdeutschen Umweltverbandes Grüne Liga und engagiert sich dort in der Umweltgruppe Cottbus. Seit 1999 vertritt er die Grüne Liga im Braunkohlen­ausschuss des Landes Brandenburg. „Als Kind der Wende entstand die Grüne Liga im Jahr 1990 und nimmt seitdem zahlreiche regionale und überregionale Projekte und Aktionen zum Thema ´Ökologisierung der Gesellschaft´ in Angriff.“

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