„Generationenkapital“: Kritik an fehlenden Klima- und Menschenrechtsvorgaben

  • Referentenentwurf: Keine verpflichtenden ESG-Kriterien vorgesehen.
  • Beauftragte KENFO-Stiftung investierte zuletzt auch in fossile Unternehmen.
  • Kritik an fehlender Beteiligung des Bundestags und Transparenzproblemen.

Der Referentenentwurf[1] für das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) geplante „Generationenkapitalgesetz“ hat große Mängel in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte. Dies kritisieren der Dachverband der Kritischen Aktionär*innen und urgewald im Rahmen einer Verbändeanhörung. Demnach fehlen verpflichtende nachhaltigkeits- und menschenrechtsbezogene Anlagekriterien für die Verwaltung der milliardenschweren staatlichen Geldanlagen. Außerdem bemängeln die NGOs die fehlende parlamentarische Beteiligung und fehlende Regeln zur regelmäßigen Offenlegung des Portfolios.

Während der Dachverband der Kritischen Aktionär*innen und urgewald die im Rentenpaket II geplante Stabilisierung des Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent begrüßen, üben sie Kritik am Aufbau des kapitalmarktgedeckten „Generationenkapitals“ zur Teilfinanzierung der Renten – aufgrund der hohen Anlagerisiken auf dem Finanzmarkt. Darüber hinaus sind ESG-Kriterien für die Geldanlage im Gesetzentwurf bisher nicht verpflichtend vorgesehen. Lediglich in der nicht-bindenden Gesetzesbegründung[2] heißt es, dass diese im Nachgang von den zuständigen Bundesministerien BMAS und BMF in einer Anlagerichtlinie festgelegt werden sollen. 

Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionär*innen, sagt: „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung außer Rendite und globaler
Diversifikation keinerlei gesetzliche Vorgaben machen will, wie das geplante
‚Generationenkapital‘ angelegt werden soll. Notdürftig die Achtung irgendwelcher ESG-Kriterien in Aussicht zu stellen reicht nicht – so müssen wir den Entwurf ablehnen.“

Für den Aufbau der „Stiftung Generationenkapital“ soll die bereits existierende Stiftung „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (KENFO) zuständig sein. Hier zeigt sich, warum die klare Vorgabe klimakonformer Anlagekriterien so wichtig ist. Denn trotz der wiederholten Bekenntnisse des KENFO für eine nachhaltige Anlagestrategie ergab eine urgewald-Analyse des letzten veröffentlichten KENFO-Portfolios Investitionen in Höhe von 771 Millionen Euro in Kohle-, Öl und Gasunternehmen.[3] Alle im Portfolio gefundenen Öl- und Gasunternehmen haben fossile Expansionspläne, die nicht mit dem 1,5°C-Szenario der Internationalen Energieagentur vereinbar sind.

Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin bei urgewald, sagt dazu: „Die Aussicht, dass mit dem Projekt ‚Generationenkapital‘ weitere Milliarden Euro in fossile Unternehmen fließen, ist untragbar. Die Anlagestrategie muss verpflichtend in Einklang mit den Pariser Klimazielen und der 1,5°C-Grenze gebracht werden, zu der sich auch die Bundesregierung bekannt hat. Das heißt auch, dass Investitionen in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen auf fossilem Expansionskurs ausgeschlossen werden müssen.“

Da es aktuell keine allgemeingültigen gesetzlichen Regeln für menschenrechts-
bezogene Sorgfaltspflichten im Investment-Sektor
gibt, sollten diese gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte[4] ebenfalls als verpflichtende Anlagekriterien ins Gesetz aufgenommen werden.

Tilman Massa sagt dazu: „Zukünftige Renten dürfen nicht mit Profiten aus Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder der Missachtung indigener Rechte finanziert werden. Bereits beim Lieferkettengesetz haben es die Verantwortlichen versäumt, die menschen-
rechtlichen Sorgfaltspflichten des Finanzsektors verbindlich zu regeln. Entsprechende Vorgaben müssen somit zwingend in das ‚Generationenkapitalgesetz‘ aufgenommen werden.“

Weiterhin kritisieren die NGOs, dass es keinerlei Vorgaben für eine regelmäßige
Veröffentlichung des Portfolios
gibt, was eine öffentliche Kontrolle in diesem sensiblen Bereich unmöglich macht. Auch ist eine Beteiligung durch den Bundestag in keiner Weise vorgesehen – dabei wäre sie unter anderem für die Festlegung von ESG-Kriterien der Geldanlage notwendig.

Dazu kommentiert Anna Lena Samborski: „Hier heißt es ‚Achtung‘ für die Abgeordneten im Bundestag bei den weiteren Verhandlungen zum ‚Generationenkapital‘. Das Parlament muss sich dringend die Hoheit sichern, um bei Fragen wie zur Ausformulierung der Anlagerichtlinie und ESG-Kriterien mitreden zu können.“


Kontakte:

Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin, urgewald, 030 863 292 223, anna_lena.samborski[at]urgewald.org  

Tilman Massa, Co-Geschäftsführer, Dachverband der Kritischen Aktionär*innen
0221 599 56 47, tilman.massa[at]kritischeaktionaere.de


[1] Vgl. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Referentenentwuerfe/ref-gesetz-zur-stabilisierung-des-rentennniveaus-aufbau-generationenkapital.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[2] Vgl. S. 24: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Referentenentwuerfe/ref-gesetz-zur-stabilisierung-des-rentennniveaus-aufbau-generationenkapital.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[3] Vgl. https://www.urgewald.org/sites/default/files/media-files/urgewald_KENFO-Briefing-2024-de.pdf

[4] Vgl. https://www.undp.org/asia-pacific/bizhumanrights/publications/guiding-principles-business-and-human-rights#

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