Stellungnahme der Zivilgesellschaft zu der vorgeschlagenen EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, begrüßen den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte. Dieser Vorschlag ist als wesentlicher Fortschritt in der globalen Umweltpolitik zu werten. Außerdem bietet er eine große Chance, die negativen Auswirkungen der EU auf Mensch und Planet zu minimieren und somit in Einklang mit ihren Verpflichtungen in den Bereichen Klima, Biodiversität und Menschenrechte zu bringen. Es liegt nun am Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten, die wesentlichen Elemente des Kommissionsvorschlags beizubehalten und zu verbessern. Ihnen obliegt es, ein starkes und ehrgeiziges Gesetz vorzulegen, das den hohen Erwartungen der EU-Bürger gerecht wird. Deshalb fordern wir das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass der aktuelle Vorschlag gestärkt wird. Konkret sollte er um die folgenden Punkte ergänzt werden:   

  1. Überzeugende Anforderungen and die Nachhaltigkeit von Produkten auf der Grundlage objektiver Kriterien. Diese müssen sicherstellen, dass keine Güter in Verbindung mit Entwaldung oder Walddegradierung, wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen, aber auch in Verbindung mit der Umwandlung anderer natürlicher Ökosysteme oder mit Menschenrechtsverletzungen auf den EU-Markt gebracht oder aus diesem exportiert werden dürfen. Die Anforderungen sollten durch objektive und wissenschaftlich fundierte Kriterien klar beschrieben werden, sowie eindeutige und umfassende Definitionen verwenden. Sie sollten zusätzlich zu den geltenden Gesetzen des jeweiligen Produktionslandes und gleichermaßen für Exporte aus der EU gelten.
  2. Strengere Definitionen der Begriffe Wald, Entwaldung und Walddegradierung. Diese sollten die in der Accountability Framework Initiative verwendeten Definitionen widerspiegeln, die klar zwischen natürlichen Wäldern und Baumplantagen unterscheiden. Der Gesetzesvorschlag definiert „Entwaldung“ als Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Nutzflächen, andere Ursachen für die Entwaldung und die Umwandlung von Wäldern in Baumplantagen nicht miteinbeziehend. Der Vorschlag sollte sich auf die Umwandlung von Wald für jede andere Art der Landnutzung beziehen, also auch im Kontext der forstlichen Bewirtschaftung (von Wäldern oder Baumplantagen), dem Bergbau und der Infrastruktur im Zusammenhang mit Rohstoffproduktion. Die Definition des Begriffs „Walddegradierung“ sollte darauf abzielen, die Fähigkeit von Wäldern zu erhalten, die Biodiversität zu unterstützen und Klimasysteme zu schützen, und daher alle Veränderungen innerhalb eines natürlichen Ökosystems einschließen, die seine Artenzusammensetzung, Struktur und/ oder Funktion erheblich und negativ beeinflussen, unabhängig von der Ursache.
  3. Die Achtung international anerkannter Menschenrechte um sicherzustellen, dass Produkte, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht oder vom EU-Markt exportiert werden, nicht mit Menschenrechtsverletzungen verbunden sind. Hier geht es insbesondere um die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Die Anforderungen sollten auch Auflagen zur Achtung der Gewohnheitsrechte und des Rechts auf freie, vorherige und informierte Zustimmung umfassen.
  4. Umgehender, gleichwertiger Schutz auch für andere natürliche Ökosysteme wie Savannen, Moore und Feuchtgebiete, mit denselben Beschränkungen für Produkte, die mit ihrer Umwandlung oder Degradierung verbunden sind. In den Jahren bis die Verordnung, wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen, nach einer Prüfung möglicherweise auf andere Ökosysteme ausgeweitet wird, kann sich die landwirtschaftliche Expansion längst von Wäldern auf diese Ökosysteme verlagert haben. Hierin besteht ein unmittelbares Risiko, da diese anderen Ökosysteme bereits durch landwirtschaftliche Expansion unter Druck geraten und Rohstoffe, die mit ihrer Zerstörung verbunden sind, schon jetzt auf den EU-Markt gelangen.
  5. Entsprechende Sorgfaltspflichten für in der EU ansässige Finanzinstitutionen, die Finanzdienstleistungen für Unternehmen oder Unternehmensgruppen erbringen, welche Geschäfte mit den unter die Verordnung fallenden Waren und Produkten tätigen. Die Taxonomie- Verordnung der EU und die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen verpflichten Anleger und Banken derzeit nicht, Investitionen in schädliche Aktivitäten zu stoppen und zu verhindern, und bieten keine Mechanismen, um sie zur Verantwortung zu ziehen.
  6. Der genannte Produktumfang sollte von Anfang an möglichst breit sein, indem alle Nutztiere (und nicht nur Rinder), Kautschuk und Mais in die bestehende Liste aufgenommen werden, sowie alle Produkte, die einen der erfassten Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder daraus hergestellt wurden. Darüber hinaus muss die Möglichkeit geschaffen werden, im Laufe der Zeit zusätzliche Rohstoffe hinzuzufügen. Alle Folgeprodukte sollten von Anfang an abgedeckt werden, und die Betreiber sollten dafür verantwortlich sein, die abgedeckten Produkte zu identifizieren. Jede Liste mit Folgeprodukten sollte nur eine Orientierungshilfe und ausdrücklich nicht exklusiv sein.
  7. Keine Ausnahmen. Die „vereinfachte“ Sorgfaltspflicht sollte abgeschafft werden. Für alle Betreiber müssen dieselben Sorgfaltspflichten gelten, unabhängig von Größe, Handelsvolumen oder dem designierten Risikoniveau des Produktionslandes oder -gebiets.
  8. Zivilrechtliche Haftung, Zugang zu Gerichten und strafrechtliche Haftung bei schwerwiegenden Verstößen, die Opfern von Auswirkungen im Zusammenhang mit Produkten, die unrechtmäßig auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht wurden, Rechtsmittel gegen EU- Betreiber einräumen und diese zivilrechtlich für Schäden aufgrund von Nichteinhaltung haftbar machen. Schwerwiegende Verstöße sollten eine Straftat darstellen. Alle interessierten Parteien sollten ein Recht auf Wiedergutmachung haben, wozu auch Unterlassungsansprüche gehören.
  9. Strengere Transparenzanforderungen: Die Lieferkette muss transparent sein, es muss eine öffentliche Berichterstattung über die Ausübung der Sorgfaltspflicht und deren Ergebnisse für alle Betreiber (keine Ausnahmen für KMUs) sowie eine stärkere Offenlegung von Informationen in den Erklärungen zur Sorgfaltspflicht stattfinden. Hierzu gehören auch Informationen über die Lieferkette eines Betreibers und die während der Sorgfaltspflichtprüfung identifizierten Risiken, ein uneingeschränkt öffentlicher Zugang zu den Erklärungen zur Sorgfaltspflicht und eine öffentliche Liste von Akteuren, die die Standards nicht einhalten.
  10. Klare, objektive und messbare länder- und subnationale Benchmarking-Kriterien, die sowohl Nachhaltigkeits- als auch Legalitätsanforderungen berücksichtigen. Bewertungskriterien, Verfahren und Zeitrahmen sollten klar, objektiv, messbar und transparent sein. Bei der Durchführung der Sorgfaltsprüfungen sollte das Länder-Benchmarking berücksichtigt werden und dieses sollte auch die Durchsetzungsbemühungen leiten, dabei aber keinen Einfluss auf die Sorgfaltspflichten haben. Beim Benchmarking sollten auch Informationen von Dritten berücksichtigt werden, einschließlich Angaben von lokalen Gemeinschaften, indigenen Völker und Nichtregierungsorganisationen.
  11. Ein Stichtag weit vor 2020, um zu verhindern, dass Entwaldung, die in der Vergangenheit stattgefunden hat belohnt wird, und Initiativen wie das Amazon Soy Moratorium, das den Verkauf von Soja aus nach 2008 entwaldeten Gebieten im Amazonasgebiet verhindern soll, nicht zu untergraben. Der Stichtag bestimmt ab welchem Zeitpunkt Produkte, die im Zusammenhang mit Entwaldung oder Walddegradierung stehen, nicht mehr entwaldungsfrei im Sinne des Gesetzesvorschlags sind.

    Darüber hinaus müssen das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Verordnung die von der Kommission vorgeschlagenen wesentlichen Elemente beibehält und um die folgenden Punkte ergänzt:
  12. Obligatorische und ergebnisorientierte Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Betreiber und Wirtschaftsteilnehmern; hierzu gehört eine vollständige Rückverfolgbarkeit zum Produktionsgrundstück, basierend auf Geolokalisierung und vollständiger Transparenz von Produzenten und vorgelagerten Händlern. Der Nachweis der Sorgfaltspflicht muss auf zuverlässigen Beweisen beruhen. Produkte sollten nicht in Verkehr gebracht oder exportiert werden, wenn ein mehr als vernachlässigbares Risiko besteht, dass sie die Nachhaltigkeitskriterien und die Legalitätsanforderung nicht erfüllen. Die Sorgfaltsprüfung muss fortlaufend erfolgen und jede Lieferung sollte durch eine öffentliche Konformitätserklärung mit den Anforderungen der Verordnung abgedeckt werden.
  13. Kein „Freifahrtschein“ für Zertifizierungs- oder Verifizierungssysteme von Drittanbietern. Zertifizierungen oder andere Verifizierungssysteme Dritter sollten in der Sorgfaltsprüfung allenfalls als ergänzende Informationen zugelassen werden. Zertifikate oder Zusicherungen Dritter dürfen Betreiber oder Händler nicht von ihren Sorgfaltspflichten entbinden.
  14. Ein robuster Durchsetzungsrahmen, der mehrere öffentliche und private Mechanismen umfasst, insbesondere einen wirksamen Mechanismus für begründete Bedenken, der durch angemessene Verfahrensgarantien unterstützt wird, uneingeschränkte Rechte zur Überprüfung von Handlungen und Unterlassungen der zuständigen Behörden, hohe Mindeststandards für Compliance-Prüfungen und Sanktionen sowie proaktive Kontrollen von Transporten, von denen ein großes Risiko ausgeht. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten ausreichende Mittel für eine wirksame Durchsetzung und Koordinierung erhalten.
  15. Eine Übergangsfrist von maximal 12 Monaten zwischen dem Inkrafttreten der Verordnung und dem Inkrafttreten aller ihrer Bestimmungen.
  16. Zusammenarbeit mit Erzeugerländern in Form von strukturierten Dialogen, gezielter finanzieller und technischer Unterstützung oder anderen Formen der Zusammenarbeit, um agrarökologische Praktiken und eine Produktion zu unterstützen, bei der keine Wälder und andere Ökosysteme zerstört und die Menschenrechte respektiert werden. Die Unterstützung sollte insbesondere indigene Völker und andere Völker und Gemeinschaften mit Gewohnheitsrechten, lokale zivilgesellschaftliche Organisationen, lokale Gemeinschaften und Kleinbauern stärken und der Sicherung der Landbesitzrechte indigener Völker und anderer Gruppen mit gewohnheitsmäßigen Landrechten Vorrang einräumen.

Unterzeichnet von:

11.11.11

AbibiNsroma Foundation

ACRÉSCIMO

Amazon Watch Sverige

Amigos de la Tierra

Amigos de la Mateba

Association for Promotion Sustainable development India

Association of Ethical Shareholders Germany

ATTAC Spain

BankTrack

BirdLife Europe

BOS+

Both ENDS

Buddhist Tzu Chi Foundation

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland/Friends of the Earth

Germany

Canopée

Centar za životnu sredinu/Friends of the Earth Bosnia and Herzegovina

Centre for Climate Change and Environmental Study

Centre pour l’Environnement et le Développement

Christliche Initiative Romero e.V.

Conservation International – Europe

ClientEarth

Climate Action Network-Europe (CAN-E)

Climate Change Network Nigeria (Climate Connect Initiative)

Climate Alliance

CNCD-11.11.11

Coordinadora Estatal de Comercio Justo

Confederación de Consumidores y Usuarios (CECU)

Coordination Office of the Austrian Bishops’ Conference for international

development and Mission (KOO)

CorA Network for Corporate Accountability (Germany)

Corporate Europe Observatory

Corporate Justice Network

Deutsche Umwelthilfe (DUH) – Environmental Action Germany

DKA Austria Catholic Children’s Movement

DOCIP

DOPPS – BirdLife Slovenia

Društvo Gibanje TRS

Earthsight

European Coalition for Corporate Justice (ECCJ)

Ecologistas en Acción

Environmental Investigation Agency

ELA

Environmental Justice Foundation

Eurogroup for Animals

Fair Finance International

Fair Finance Pakistan Coalition

Federation of Community Forestry Users Nepal (FECOFUN)

Fern

FOCSIV Italian Federation Christian Organisations International Voluntary Service

Focus Association for Sustainable Development

Fondazione Alberitalia

Forest of the World

Forests People Programme

Forêts et Développement Rural (FODER)

Forum Ökologie & Papier Germany

Friends of Fertö Lake Association

Friends of the Earth Europe

Friends of the Earth Finland

Friends of the Earth Georgia/Greens Movement of Georgia

Fundación Global Nature

Global Forest Coalition

Global Witness

GOB (Mallorca)

Green Development Advocates

Greenpeace EU

Human Rights International Corner

Indigenous Peoples Global Forum for sustainable development, IPGFforSD

Institute for Agriculture and Trade Policy, Europe

International-Curricula Educators Association

Jane Goodall Institute France

Justicia Alimentaria

La Coordinadora de Organizaciones para el Desarrollo de España

Legambiente ONLUS

Mighty Earth

Milieudefensie – Friends of the Earth Netherlands

OroVerde – Tropical Forest Foundation

Our Food. Our Future

Parque central sin Especulación

PCPCYll – Plataforma contra la privatización del Canal de Isabel II

Plataforma por una Banca Pública

Polski Klub Ekologiczny

Protect Our Winters Europe

ProVeg International

Rainforest Action Network

Rainforest Foundation Norway

Reach out Salone

Reforma Florestal Já – Por Pedrógão por Portugal

Réseau des Organisations de la Société Civile pour le Développement

du Tonkpi (ROSCIDET)

ROBIN WOOD e. V.

Salvia EDM

Seattle to Brussels Network

SEO BirdLife

Südwind

Swedish Society for Nature Conservation

Synaparcam

The International Federation for Human Rights (FIDH)

The Slovenian Association for Bat Research and Conservation

TROCA – Plataforma por um Comércio Internacional Justo

Umanotera, The Slovenian Foundation for Sustainable Development

Union Vegetariana Española

UNFCCC YOUNGO (Nature Working Group)

Veblen Institute

Vogelbescherming Nederland (BirdLife in The Netherlands)

VšĮ «Žiedinė ekonomika»

Wildlife Conservation Society EU

Wetlands International – Europe

World Animal Protection Netherlands

WWF European Policy Office

Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit (Germany)

ZERO – Associação Sistema Terrestre Sustentável

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