Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
meine Damen und Herren,
mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche hier und heute für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Wir beantragen heute sowohl dem Vorstand, als auch dem Aufsichtsrat der Daimler AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2018 zu verweigern. Der entsprechende Gegenantrag wurde fristgerecht eingereicht und auf der Konzernwebsite veröffentlicht.
Lange hat der Konzernvorstand seine Rolle im Diesel-Abgasskandal geleugnet. Noch letztes Jahr wurde von Herrn Zetsche öffentlich beteuert, die Daimler AG habe bei den Abgaswerten ihrer Dieselfahrzeuge nicht betrogen. Dass diese Aussagen offenkundig falsch waren, belegen die europaweit über 700.000 Rückrufe, die mittlerweile vom Kraftfahrbundesamt ausgesprochen wurden. Betroffen sind die Baureihen Vito, C, G, E, S, ML & GLC, alle mit einem Dieselmotor der Abgasnorm Euro 6b. Dabei handelt es sich also nicht um ältere Diesel der Abgasnorm 4 oder 5, sondern um Fahrzeuge, die auch 2018 noch vom Konzern als Neufahrzeuge an die Kund*innen verkauft wurden. Doch diese 700.000 Fahrzeuge könnten erst die Spitze des Eisbergs sein. Im Geschäftsbericht auf Seite 155 heißt es dazu: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass das KBA im Zuge weiterer Untersuchungen zusätzliche Anordnungen mit vergleichbaren Feststellungen erlassen wird. Daimler hat für bestimmte Modelle einen vorläufigen Auslieferungs- und Zulassungsstopp angeordnet und prüft laufend, ob dieser ganz oder teilweise wieder aufgehoben werden kann.“
Es sind also Verkaufsstopps nötig, weil der Konzern nicht weiß, ob die von ihm angebotenen Fahrzeuge legal auf unseren Straßen unterwegs sind? Ein pflichtbewusst handelnder Vorstand hätte die dauerhafte Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Abgasanlagen aller im Verkauf befindlicher Fahrzeugmodelle anordnen müssen. Dann wären nicht drei Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals noch immer Neuwagen verkauft worden, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Nur da dies über Jahre hinweg nicht geschehen ist, konnte der Verkauf nicht rechtkonformer Fahrzeuge im großen Stil weitergehen und nur deshalb sind die Rückrufe und die Verkaufsstopps nötig.
Die mit 24 Mrd. € erneut höheren Rückstellungen lassen zudem den Schluss zu, dass der Vorstand mit weiteren Strafen oder Entschädigungen in erheblicher Höhe rechnet. Nicht zuletzt, weil auch die US-Behörden nach wie vor davon ausgehen, dass in Mercedes-Benz-Dieselfahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut sind. Diesbezüglich wird auf Seite 155 des Geschäftsberichts 2018 auf einen anderen Autohersteller verwiesen, der in den USA eine Reihe von Vergleichen geschlossen hat; für die Daimler AG offenbar ein attraktiver Weg, um den Folgen von Verstößen in den USA zu begegnen.
Noch immer plant Daimler in Europa nicht, die vom Konzern verkauften Dieselfahrzeuge so nachzurüsten, dass diese ihre gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte auch beim Betrieb auf der Straße einhalten. Und auch die vom Konzernvorstand um Rahmen des Dieselgipfels versprochenen, so genannten ‘freiwilligen‘ Softwareupdates hatten wohl vor allem das Ziel, offizielle Rückrufe zu verhindern. Der Vorstand muss sich in diesem Zusammenhang die Frage gefallen lassen, warum Konzerngelder in solche vermeintlich freiwilligen Aktionen bei rund 3 Mio. Fahrzeugen investiert werden sollten, wenn diese doch nach Konzernmeinung seinerzeit völlig legal und mit korrekter Abgasnachbehandlung verkauft wurden. Die Antwort auf diese Frage geben wohl die jetzt erfolgten, offiziellen Rückrufe.
Große Unterschiede bestehen zudem zwischen den Ankündigungen des Vorstands und der Realität im Bereich der CO2-Emissionen bei Pkw. Im Geschäftsbericht 2018 heißt es auf Seite 111: „Im Berichtsjahr sind die durchschnittlichen CO2-Emissionen der Gesamtflotte von Mercedes-Benz Cars in Europa (EU28 + Island) auf 132 (i.V. 125) g/km (NEFZ) gestiegen.“ Statt also den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der in Europa verkauften Daimler Neuwagen zu reduzieren, stieg der offizielle CO2- Ausstoß bereits das zweite Jahr in Folge wieder an. Der Weg zu den gut 100 g/CO2 pro Kilometer, die der Konzern in 2021, also in zwei Jahren(!), im Rahmen der CO2-Grenzwert-Gesetzgebung zu erfüllen hat, wird also mehr als steinig und Strafzahlungen können nicht mehr ausgeschlossen werden.
Dieser Anstieg ist aus meiner Sicht vor allem auf eine falsche Modellpolitik zurückzuführen, die vermehrt auf vergleichsweise große, schwere und leistungsstarke SUV setzt. Ankündigungen wie die zur Klimaneutralität 2039 können vielleicht die Öffentlichkeit von den aktuellen Problemen ablenken, doch spätestens 2021, wenn Strafzahlungen anfallen, wird das Versagen in der Modellpolitik auch öffentlich diskutiert.
Denn es wird Ihnen nicht gelingen, den Herausforderungen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit immer größeren und schwereren Fahrzeugen zu begegnen. In den nächsten Jahren planen sie vor allem Plug-in-Hybride in den Markt zu bringen, die zwar den gut für Konzern sind, weil sie Wertschöpfung erhalten und mit sehr niedrigen, aber nur theoretischen CO2-Werten in die Berechnungen eingehen. In der Frage echter Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind solche Fahrzeuge aber lediglich eine Scheinlösung. Denn je nach Nutzung liegt der tatsächliche Verbrauch der plug-in Fahrzeuge bei einem Mehrfachen des offiziellen Normverbrauchs. Darauf müssen die Kund*innen klar hingewiesen werden, sonst hagelt es Beschwerden, dass die S-Klasse statt des angegebenen Verbrauchs von 2,5 Litern auf 100 km, 12 oder gar 15 Liter verbraucht.
Daimler darf sich die Autos nicht weiter grün rechnen, sondern der Konzern muss endlich beginnen Fahrzeuge zubauen, die auch in der Realität energie- und ressourcensparend sind, und zwar in Herstellung und Betrieb.
Vielen Dank!