„Ihre Maßnahmen reichen nicht zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze“: Rede Anna Lena Samborski, urgewald

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Anna Lena Samborski und ich komme von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald e. V. Ich spreche heute für den Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich möchte noch einmal unsere Zustimmung zu der im letzten Jahr verabschiedeten Öl- und Gasrichtlinie unterstreichen. Jedoch reichen die Maßnahmen nicht, um Ihren Beitrag zur Einhaltung der 1,5°C Grenze umfänglich zu leisten. Deswegen habe ich folgende Fragen an Sie:

  1. Wir bewerten die Ausschlüsse von neuen Öl- und Gasfeldern sowie neuer Ölinfrastruktur und Ölkraftwerken aus Erstversicherungen, fakultativen Rückversicherungen und Investitionen vom letzten Jahr als sehr positiv. Jedoch fehlen die Ausschlüsse von Gasinfrastruktur und Gaskraftwerken. Gas ist keine Brückentechnologie und der globale massive Ausbau von Gasinfrastruktur wie Flüssiggasterminals z. B. in den USA und Südostasien ist an die Erschließung neuer Gasfelder geknüpft. Auch die Importstrukturen z. B. in Europa und die Errichtung neuer Gaskraftwerke kurbeln die Nachfrage nach neuem Gas an und fördern somit die Erschließung neuer Gasressourcen. Das führt uns in einen jahrzehntelangen Lock-in in fossile Energien, während die Emission jedoch bis 2030 halbiert werden müssen, wenn wir eine Chance behalten wollen, die 1,5°C Grenze noch einzuhalten. Wann kommen Sie Ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht nach und weiten die begrüßenswerten Ausschlüsse in Ihrer neuen Öl- und Gasrichtlinie auf Gasinfrastruktur und Gaskraftwerke aus?
  2. In Ihrem Geschäftsbericht 2022 berichten Sie für das letzte Jahr einen Rückgang von 40% der versicherten Treibhausgasemissionen im Öl- und Gasbereich in der Erstversicherungen und der fakultativen Rückversicherungen gegenüber dem Jahr 2019. Wieviel der Reduktion ist auf die Umstellung Ihres Geschäftsmodells und wieviel auf andere Faktoren – etwa den Wegfall von Geschäften in Russland aufgrund von Sanktionen – zurückzuführen?
  3. Sie waren an der Versicherung von LNG-Infrastruktur der ersten Phase des australischen Mega-Gasprojekts Ichthys beteiligt. Können Sie die Beteilung an der Versicherung der anstehenden zweiten Phase des Projekts ausschließen?
  4. Den Kohleausstieg auch für den Treaty Bereich bis 2040 haben Sie bereits angekündigt. Wo stehen Sie mit der Entwicklung von Methoden zur Evaluation der Exposition von fossilen Energien in Treaty Verträgen und zur entsprechenden Reduktion dieser? Wann werden Sie in Ihrer Öl- und Gasrichtlinie den Treaty Bereich miteinbeziehen?
  5. Sie haben in Ihrer Öl- und Gasrichtlinie angekündigt, von den Öl- und Gasunternehmen mit den höchsten absoluten und relativen CO2-Emissionen ab 2025 ein Bekenntnis zu Netto-Null bis 2050 einschließlich entsprechender kurz- und langfristiger Zwischenziele im Investitionsbereich zu verlangen. Werden Sie die Anforderungen an die Zwischenziele weiter spezifizieren und wenn ja, auf welcher Grundlage?
  6. Im Investitionsbereich haben Sie Ausschlüsse auf Unternehmensebene anhand von Umsatzschwellen für den Kohlebereich formuliert. Von großen Öl- und Gasunternehmen fordern Sie zudem – wie erwähnt – ab 2025 ein Bekenntnis zu Netto-Null bis 2050 sowie entsprechende Zwischenziele. Warum gelten diese Regeln nicht für Ausschlüsse für Unternehmensversicherungen bzw. wann planen Sie eine entsprechende Anpassung für Unternehmensausschlüsse auch im Versicherungsbereich?
  7. Sie bekennen sich zu einem kompletten Kohle Phase-Out bis 2040. Im Einklang mit gängigen klimawissenschaftlichen 1,5°C kompatiblen Szenarien muss ein Kohleausstieg in den OECD-Ländern jedoch bis 2030 erfolgen. Planen Sie eine entsprechende Anpassung Ihrer Kohlerichtlinie?
  8. Gelten Ihre Regeln für Unternehmen im Kohlebereich bei Investitionen nur für neue Anlagen oder devestieren Sie aktiv?
  9. Inwieweit beziehen Sie das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (englisch: Free, Prior and Informed Consent – FPIC) entsprechend der Deklaration der Rechte indigener Völker (UNDRIP) in Ihre Umwelt- und Sozialprüfungen aktuell ein?
  10. Wie viele Ihrer Prämieneinnahmen aus dem Rückversicherungsgeschäft ergeben sich aus dem fakultativen und wie viel aus dem Treaty Bereich?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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