Praktikumsbericht von Moritz Leiner

Beschreibung der Praktikumsaufgaben

Da Jahreshauptversammlungen von Aktiengesellschaften in der Regel nach Abschluss des ersten Quartals (Ende Mai) stattfinden, ist der Zeitraum April – Juni der arbeitsintensivste des Jahres. Meine Praktikumsaufgaben drehten sich im Bereich Verwaltungsarbeit darum, eingehende Post zu bearbeiten, die sich immer mehr häuft, je näher die Hauptversammlungen rücken. Hauptsächlich mussten hier Eintrittskarten und Antwortbögen zu Hauptversammlungen verschiedener Unternehmen sowie Formulare zur Stimmrechtsübertragung sortiert, sowie die das Personenarchiv aktualisiert werden. Dieser Aufgabenbereich nahm einen eher kleinen Teil des Praktikums ein. Der weitaus größere Aufgabenbereich umfasste die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung verschiedener Aktivitäten (Demo-Organisation, Erstellen von Gegenanträgen, Ausarbeitung von Reden) rund um die Hauptversammlungen von folgenden Unternehmen: Bayer AG, Munich Re AG, RWE AG, Deutsche Lufthansa AG, Deutsche Post AG, Uniper SE, Rheinmetall AG.

Meine jeweiligen Aufgaben zu der entsprechenden Hauptversammlung werden nun aufgelistet. Die kritische Analyse der Aufgaben sowie die Reflexion zur Studienrelevanz folgt in Abschnitt 2.

Bayer-Hauptversammlung am 26.04.19 in Bonn

  • Teilnahme am Vorbereitungstreffen am 16.04. in Bonn
  • Teilnahme an der Hauptversammlung am 26.04. in Bonn
    • Verteilung von Flyern vor der Hauptversammlung
    • Social Media Kommunikation während der Hauptversammlung

Müncher Rück-Hauptversammlung am 29.04.19 in München

  • Teilnahme und Social Media Betreuung der Abendveranstaltung „Profit statt Umwelt und Menschenrechte“ am 28.04.19 im Eine Welt Haus München.
  • Teilnahme an der Hauptversammlung am 29.04. in München
    • Verteilung von Flyern vor der Hauptversammlung
    • Social Media Kommunikation während der Hauptversammlung

RWE-Hauptversammlung am 03.05.19 in Essen

  • Vorbereitung der Demonstration vor der Hauptversammlungshalle der RWE AG in Essen
  • Koordination während der Demo & Hauptversammlung
  • Nachbereitung

Lufthansa-Hauptversammlung am 07.05.19 in Bonn

  • Recherchearbeit zu Klima- und Menschenrechtspolitik der Lufthansa AG
  • Verfassen des Gegenantrags
  • Koordination der Teilnahme von Fridays For Future an der Hauptversammlung
  • Verfassen und Halten der Rede während der Hauptversammlung
  • Interviews mit WDR aktuell, ZDF heute und dpa

Deutsche Post-Hauptversammlung am 15.05.19 in Bonn

  • Recherchearbeit zu Klima- und Menschenrechtspolitik der Deutschen Post AG
  • Verfassen des Gegenantrags
  • Koordination der Teilnahme von Fridays For Future an der Hauptversammlung
  • Verfassen und Halten der Rede während der Hauptversammlung
  • Anschließendes Telefonat mit dem ‚Head of GoGreen‘ der Deutschen Post AG
  • Interview mit WDR aktuell

Uniper-Hauptversammlung am 22.05.19 in Düsseldorf

  • Aufgabenkoordination im Vorfeld mit beteiligten Gruppen
  • Verteilung von Flyern vor der Hauptversammlung
  • Teilnahme an der Hauptversammlung
  • Social Media Kommunikation während der Hauptversammlung

Rheinmetall-Hauptversammlung am 28.05.19 in Berlin

  • Aufgabenkoordination im Vorfeld mit beteiligten Gruppen
  • Teilnahme, Flyerverteilung und Ordnerfunktion während der Gegendemonstration
  • Teilnahme und Social Media Kommunikation während der Hauptversammlung

Kritische Analyse und Reflexion der Studienrelevanz

Wie aus der Beschreibung der Praktikumsaufgaben ersichtlich, gab es thematisch sehr unterschiedliche Arbeitsfelder während des Praktikums. Aus diesem Grund möchte ich diese zur besseren Übersicht in zwei thematische Gruppen trennen, da diese in unterschiedlicher Weise Relevanz für mein Studium generierten: inhaltliche Arbeit und organisatorische Arbeit. Bevor ich hier ins Detail gehe, ist es wert das äußert hohe Maß an Eigenverantwortung und selbstständigem Arbeiten zu erwähnen, welches mir anvertraut wurde. Nur durch dieses Vertrauen wurde es mir möglich, die nun beschriebenen Erfahrungen in dieser Intensität zu machen. Hinzu kam die durchweg lockere, nette und engagierte Arbeitsatmosphäre im Team, welche das Praktikum zu einer wirklich schönen Zeit machte.

Inhaltliche Arbeit

Die inhaltliche Arbeit meines Praktikums beim Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre fokussierte sich auf die Auseinandersetzung mit kritischen Themenkomplexen, welche rund um die von mir besuchten Hauptversammlungen von Hauptversammlungsaktivist*innen angesprochen wurden. Im Allgemeinen wurde ich so mit der konzernkritischen (Netzwerk-)Arbeit einer (unternehmens- staats- und allgemein kapital-) unabhängigen NGO vertraut und gleichzeitig mit der CSR- bzw. Public/Investor Relations Strategie von großen deutschen Unternehmen bekannt gemacht. Im Konkreten ging es um die Themenbereiche Klimaschutz (Deutsche Lufthansa, Deutsche Post, RWE, Uniper) und Menschenrechte (Bayer, Münchner Rück, Rheinmetall). Diese Themenkomplexe sind auch in meinem Studium von hoher Bedeutung, so besuchte ich beispielsweise sowohl philosophische als auch ökonomische Veranstaltungen zu Lieferketten und Klimawandel.

Eine für mich sehr wertvolle praktische Ergänzung zu dem theoretischen Studieninhalten war die Auseinandersetzung mit den Geschäftsberichten und Berichten zur Unternehmensverantwortung der Deutschen Lufthansa AG und der Deutschen Post AG. Diese sehr praktische Arbeit mit den aktuellsten Entwicklungen der Unternehmen machte mir die Problematik der Implementierung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und ehrgeizigen Klimapolitiken verständlicher. Gleichzeitig lernte ich die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse und somit den Handlungsspielraum von Unternehmen in den o.g. Themenkomplexen besser einzuschätzen.

Durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit sowohl Verfechtern als auch Gegnern vom schnellen Kohleausstieg wurde mir einmal mehr die besondere Wichtigkeit der Konsistenz von Argumenten vor Augen geführt. Mein Wissen aus der Veranstaltung ‚Logik und Argumentationstheorie‘ anwendend, musste ich feststellen, dass Vertreter*innen beider Lager teils keine vernünftigen Argumente für ihre jeweiligen Positionen liefern konnten (die Gegner des Kohleausstiegs leider (fast) nie). Eine Vielzahl von Strohmännern, Red Herrings, Appeals to Emotion/Authority etc. schlichen sich hier ein. Eine weitere wichtige Erkenntnis ergab sich für mich aus der Komplexität der verschiedenen Sachverhalte: erst informieren, dann mitreden. Viele Details sind für Laien in den jeweiligen Themenkomplexen unbekannt und haben aber ggf. großen Einfluss auf das gesamte Thema (z.B. skrupellose Vernichtung von zahlreichen Dörfern seitens RWE im Tagebaugebiet Hambach und Garzweiler, aber auch in Kolumbien und Russland).

Organisatorische Arbeit

Die organisatorische Arbeit während des Praktikums bestand einerseits in der Verwaltungsarbeit im Büro (Öffnen der Post, Sortieren von Eintrittskarten und Stimmrechtsübertragungen, Aktualisierung des Personenarchivs) und andererseits in der Organisation vor, während und nach den Hauptversammlungen. Die Verwaltungsarbeit im Büro bat mir eine gute Möglichkeit, mit alltäglichen Verwaltungsaufgaben einer NGO vertraut zu werden. Besonders die tägliche Repetition ähnlicher Aufgaben, welche es im Studium in der Art nicht gibt, war eine bereichernde Erfahrung.

Die Organisation vor, während und nach den Hauptversammlungen bestand im Wesentlichen in der Netzwerkarbeit mit Bündnispartnern, in der Pressearbeit sowie in der Social Media Betreuung. Die Netzwerkarbeit findet man in der Form nicht im Studium, genauso wenig wie den Umgang mit Pressekontakten. Hier lernte ich besonders viel über den teils starken Kontrast zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, den ich bzgl. des Medienechos nach Hauptversammlungen empfand. Außerdem konnte lernte ich den Umgang mit Hootsuite, einem Social Media Tool. Diese neu erlernte Social Media Kompetenz war eine mir sehr willkommene Ergänzung zu theoretischen Studiumsinhalten.

Die für mich wohl wichtigste Erfahrung während des Praktikums war wohl aber die selbstständige Organisation von Redebeiträgen auf zwei Hauptversammlungen, sowie die Interviewgespräche mit Hörfunk und Fernsehen. Die Erfahrung, vor 1000-2000 thematisch gegensätzlich eingestellten Menschen, eine Rede zu halten bzw. ein O-Ton mit großer Reichweite aufzunehmen, kann einem kein Studium der Welt bieten. Dafür danke ich dem Dachverband vielmals und freue mich auf potentielle zukünftige Zusammenarbeit!

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