Liebe Klima-Aktive, sehr geehrter Herr Dr. Rolf Martin Schmitz, sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,
mein Name ist Sabine Rothe. Ich bin Bürgerin in Essen, Diplom-Agraringenieurin, 4fache Mutter und mittlerweile Großmutter. Seit vielen Jahren bin ich Mitglied in Umwelt- und Naturschutzverbänden, nicht in Parteien. Seit einiger Zeit auch in den For-Future-Bewegungen.
Danke, dass ich hier zum Abschluss der heutigen dezentralen Aktionen und Demonstration sprechen darf. Am Tag der virtuellen Hauptversammlung von RWE.
Ich denke, an erster Stelle sollte zunächst einmal der DANK stehen!!
Dank an ALLE, die die vielfältigen Proteste am heutigen Tag vorbereitet, organisiert und in die Tat umgesetzt haben! Das sind SEHR viele Menschen an SEHR vielen Orten! Mit viel Phantasie, Empathie und Engagement. —- (Ich denke, das ist einen großen Applaus wert.)
Von Herzen gilt es auch DANKE zu sagen, an die zahlreichen Menschen, die schon sehr lange, teils seit vielen Jahrzehnten Widerstand leisten, gegen die Zerstörung ihrer Heimat und unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Tausend Dank dafür!!
So Vieles müsste und könnte dazu hier aufgeführt werden, um eine angemessene Würdigung zu finden!! Wahrscheinlich würde es Tage dauern, um alle Aktivitäten aufzulisten. Scheidet leider aus und es bleibt nur die Möglichkeit, allen Aktiven eine tief empfundene Dankbarkeit entgegenzubringen.
Immer wieder sind in den letzten Jahren auch wunderbare, zukunftsgerichtete Reden gehalten worden. Vier Beispiele möchte ich herausgreifen:
- Als erstes möchte ich an Severn Suzuki aus Kanada erinnern. Sie gründete im Alter von 9 Jahren die E.C.O., Environmental Children’s Organisation (Umwelt Organisation der Kinder). 1992 als Zwölfjährige, brachte sie zusammen mit drei Freundinnen Geld auf, um nach Rio de Janeiro zur 1. Umweltkonferenz der UNO, zu reisen und dort eine beeindruckende, frei gesprochene Rede zu halten. Sie sprach schonungslos das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft an. Und schaffte es in nur 6 Minuten den Regierungsvertretern eindringlich klar zu machen, dass sie im Begriff sind, die Zukunft der Kinder zu verspielen, wenn sie nicht schnell zu einer Einigung kommen.
- Die zweite Rede stammt aus dem Jahr 2007 und darin erklärte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die „Nachhaltigkeit“ zum Leitprinzip der Politik der großen Koalition. „Politik muss immer über die eigene Wahlperiode hinaussehen.“ Aus ihrer Sicht gehe es bei allen zentralen Fragen immer darum, „heute die Verantwortung für morgen zu übernehmen“. Ein Jahr später erklärte sie beim 52. Food Business Weltgipfel: „Der Gedanke der Nachhaltigkeit verbindet wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit. Diese drei Ziele bedingen einander. Denn auf Dauer ist kein Wirtschaftswachstum vorstellbar, das auf Raubbau an der Natur oder auf sozialen Ungerechtigkeiten beruht.“ Greenpeace entwickelte ungefähr zeitgleich den mutmachenden und auffordernden Slogan „Angie you can“.
Kann sie wirklich? Leider fällt immer wieder auf, dass die Visionen der Bundeskanzlerin nicht der von ihr umgesetzten Realpolitik entsprechen. Das in Kürze zu verabschiedende Kohleausstiegsgesetz lässt nicht viel Gutes erwarten. - 27 Jahre nach der Rede von Severn Suzuki, am 23. September 2019, beim Klimagipfel in New York hält Greta Thunberg bei der UNO ihre „How dare you“ -Rede. Diese Rede wird von der TAZ als das „Yes, we can“ der Generation Greta bezeichnet. „Wie könnt Ihr es wagen! Ganze Ökosysteme kollabieren. Wir stehen am Anfang eines Massensterbens, und alles, worüber ihr reden könnt, sind Geld und die Märchen über ewiges Wirtschaftswachstum.“
- Anlässlich der Hauptversammlung von RWE im Mai letzten Jahres hielt Luisa Neubauer von „Fridays For Future“ eine Rede, in der auch sie an die Verantwortung der einzelnen AkteurInnen der Hauptversammlung appellierte. Sie mahnte: „Jede Person hier im Saal trägt Verantwortung.“
Warum habe ich diese Rednerinnen herausgegriffen? Sie alle sprechen von Verantwortung. Die Verantwortung, die jede und jeder Einzelne zu übernehmen habe.
Nun findet hier heute die nächste Hauptversammlung von RWE statt und es stellt sich die Frage, welche Verantwortung hat das Management von RWE, aber auch die AktionärInnen seit der letzten HV wirklich übernommen? Hat ein Umdenken eingesetzt? Sind zukunftsweisende Entscheidungen angedacht?
In der vorab veröffentlichten Rede des Vorstandsvorsitzenden Dr. Rolf Martin Schmitz habe ich nach Hinweisen auf die Übernahme einer so gestalteten Verantwortung gesucht. Fündig geworden bin ich nicht wirklich. Habe ich etwas überlesen?
Statt dessen ist von „finanzieller Konsolidierung“ des Unternehmens die Rede. Geschieht das mit finanzieller Unterstützung der EU-Kommission, Stichwort „Green Deal“ und den von der Bundesregierung bereitgestellten Mitteln? – Das macht sprachlos! Wo bleibt die unternehmerische Verantwortung der Manager?
Welche Verantwortung haben die AnteilseignerInnen seit der letzten HV übernommen? Haben sie dafür gesorgt, dass beim Management ein Umlenken beginnt? Hin zu ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit, wie Kanzlerin Merkel „Nachhaltigkeit“ umrissen hat. Was kann mit flotten Werbeslogans wirklich erreicht werden, wie jetzt mit: „Our energy for a sustainable life?
Aktuell sind wir nicht nur mit einer weltweiten Pandemie konfrontiert, mit noch nicht absehbaren Folgen. Sondern die Klimakrise bringt uns auch das 3. Dürrejahr in Folge. Allerorten sterben Bäume und sogar ganze Wälder, mangels fehlender Niederschläge. Auch Wiesen und Äcker verdorren. Wie kann da ernsthaft der Einsatz von „Bio-Masse“ zur Energie-Erzeugung als Zukunftsmodell angesehen werden? Wo soll denn das viele Holz, oder auch der Grünschnitt, herkommen? Biomasse-Nutzung lässt außerdem außer Acht, dass wir in der Klimakrise, essentiell auf die klimatischen Funktionen von Bäumen, und auch Grünflächen angewiesen sind. Ist unter diesen Gesichtspunkten das Verbrennen von Holz in Kraftwerken wirklich verantwortbar?
An dieser Stelle stellt sich nun die Frage, gibt es eine Möglichkeit, wie das Management und auch die Anteilseigner, besonders auch die kommunalen Aktionäre von RWE, dazu veranlasst werden könnten, Ihren Teil der Verantwortung für den dauerhaften Erhalt unser aller Lebensgrundlagen zu übernehmen und ihr wirtschaftliches Handeln danach konsequent auszurichten?
Ich meine ja und würde eine Möglichkeit darin sehen, dass „Der Erhalt der natürlichen
Lebensgrundlagen“ an eine andere Stelle in unserer Verfassung gerückt wird. Dass das notwendig ist, wurde wohl schon in den 1970iger Jahren erkannt und diskutiert. Ein „Umweltgrundrecht“ sollte in die Verfassung aufgenommen werden. Erst im Jahr 1994 erfolgte aber schließlich die Einführung des Artikels 20a. Allerdings hat der Gesetzgeber den Artikel bewusst nicht unter die Grundrechte im ersten Abschnitt des Grundgesetzes eingereiht, sondern die verfassungsrechtliche Verankerung erst im zweiten Grundgesetzabschnitt vorgenommen.
Daher konnte dieser Artikel bislang kaum eine effektive Wirksamkeit entfalten.
Es ist meine Überzeugung, dass schnellstmöglich weiter daran gearbeitet werden muss, dass der „Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ an die erste Stelle unserer Verfassung kommt. Nur dann würde er die notwendige Wirksamkeit entfalten können, um eine grundlegende Neuorientierung in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik herbeizuführen. Ein Wirtschaften, welches auf dem Raubbau an der Natur oder auf sozialen Ungerechtigkeiten beruht, wäre dann nicht mehr möglich.
Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz hatte vor der letzten Bundestagswahl eine
entsprechende Initiative ergriffen. Das wäre mein Ausblick und meine Hoffnung, dass es möglichst schnell gelingt, möglichst viele Gruppen und auch „Die Politik“ zusammenzubringen, um so eine Änderung unserer Verfassung auf den Weg zu bringen.
Lasst uns beginnen gemeinsam daran zu arbeiten!
Vielen Dank für Eure und Ihre Aufmerksamkeit.