Ich begrüße Sie, sehr geehrter Vorstand und auch Sie, sehr geehrte Aktionär*innen von RWE,
ich bin heute hier bei Ihnen noch einmal um über die nach wie vor prekäre Situation in Kolumbien zu sprechen.
Die Mine El Cerrejón, in la Guajira, aus der RWE Steinkohle jahrelang gekauft hat, bedroht das Land der dort ansässigen Gemeinden.
Das Unternehmen El Cerrejón verursacht vor Ort massive Umweltzerstörungen. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Auch der kolumbianische Staat ist kein Garant für die Menschenrechte.
Und auch jedes Unternehmen, das Kohle hierher bezieht ist mit verantwortlich. Leider hat sich seit dem letzten Mal, dass ich hier stand, und über die Situation berichtet habe, für die Menschen vor Ort nicht viel verbessert!
Die Konzession für el Cerrejón hat die Grösse des Bodensees, rund 69.000 ha, die bis 2034 weiter abgebaut werden sollen. Bisher sind 14.000 ha bereits offener Tagebau. Die Gemeinden wehren sich weiterhin dagegen, dass ihnen ihre Lebensgrundlagen, auf die sie angewiesen sind, genommen werden.
Die Guajira ist eine Halbwüste, in der Wassermangel herrscht. Die wenigen existierenden Wasserquellen sind in diesem Gebiet durch die Abholzungen von Wäldern für die Mine verschwunden. Tausende von Menschen wurden vertrieben, andere sind an Mangelernährung und Krankheiten gestorben. Die Gemeinden, die noch geblieben sind, kämpfen um ihre Existenzgrundlage. Denn es ist die einzige die sie haben. Ebenso ihre kulturelle Identität, die eng mit ihrem Land und Lebensform verknüpft sind.
Seit Begründung der Mine im Jahr 1970 bis heute – 2019 – wurden die Gemeinden immer noch nicht angemessen entschädigt – trotz mehrerer Urteile des Verfassungsgerichts zu Gunsten der Gemeinden!
Aktuell soll zur Ausweitung der Mine El Cerrejon der Nebenfluss „Bruno“ umgeleitet werden – OHNE dass die davon betroffenen Gemeinden angemessen konsultiert wurden – wie dies internationale Abkommen (ILO169) und die nationale Gesetzgebung vorschreiben. Aus diesem Grund hat das oberste Verwaltungsgericht die Genehmigung suspendiert. Doch Cerrejón dennoch die Arbeiten zur Umleitung des Flusses fortgesetzt. Dieses Jahr gab es eine Neue Urteil SU 698/17, dass das Unternehmen den Fluss wieder in den alten Verlauf bringen muss, so lange eine angemessene Konsultation mit den betroffenden Gemeinden und unabhängige Studien nicht durchgeführt worden sind.
Die Menschen, die gegen die Umleitung des Flusses kämpfen, sehen sich Morddrohungen für sich und ihre Familien ausgestetz, und werden stark unter Druck gesetzt. Wer Kolumbien kennt, weiss, dass Kolumbien auch heute noch ein Land ist, in dem es sehr gefährlich ist, sich für Menschenrechte einzusetzen: Mehr als hundert Aktivisten, Umweltschützer_innen, Gewerkschafter_innen und wurden in diesem Jahr 2019 bereits ermordet. Der kolumbianische Staat ist also kein Garant für die Rechte der eigenen Bevölkerung.
Die Mine soll im Jahre 2034 geschlossen werden. Doch wie sollen die bereits entstandenen Schäden beglichen werden? Wie sollen die toxischen Abfälle entsorgt werden? Wie soll die wiederaufforstung und Renaturierung statt finden? Die Gemeinden müssen hier die die Vorgaben machen. Denn nur sie wissen am besten, wie ihr Territorium wieder hergestellt werden kann.
Im RWE-Verhaltenskodex verpflichtet sich RWE zu Eigenverantwortung, Aufrichtigkeit, Loyalität und Respekt gegenüber Menschen und Umwelt.
Ich frage den Vorstand von RWE:
Welche Konsequenzen haben Sie bisher gezogen aus den vielfältigen Klagen über unzureichende Umsiedlungen, massive Gesundheitsprobleme in der Region oder die fehlende Umsetzung von Gerichtsurteilen? Haben sie deshalb letztes Jahr keine Kohle aus Cerrejón gekauft? Welches waren die Gründe?
Wie will sich RWE dafür einsetzen, dass die Rechte der Betroffenen Menschen in der Guajira respektiert werden?
Zwar führen sie Audits durch, doch werden Sie Pläne für Verbesserungen auch tatsächlich einfordern? Und bei mangelnder Umsetzung in letzter Konsequenz auch Geschäftsbeziehungen einstellen?
Nach den Prinzipien des Deutschen Corporate Governance Kodex wird nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten nach dem Leitbild des „Ehrbaren Kaufmanns“ verlangt.
Ich frage den Vorstand von RWE und auch Sie, geehrte Aktionär*innen:
Wie kann RWE, das als Käufer der Kohle eine Mitverantwortung trägt, diese Prinzipien angesichts der hier erwähnten Menschenrechts- und Umweltverbrechen erfüllen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.