Rechtsrisiken für RWE durch Klima- und Menschenrechtsklagen: Unsere Gegenanträge

Gegenanträge des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
zur Hauptversammlung der RWE AG am 3. Mai 2024

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 2, Verwendung des Bilanzgewinns

Wir lehnen den Vorschlag von Vorstand und Verwaltung ab, aus dem Bilanzgewinn des Geschäftsjahr 2023 eine Dividende von 1 Euro je Stückaktie (= 743.841.217,00 Euro) auszuschütten. Stattdessen soll eine Dividende von 10 Cent je Stückaktie (= 74.384.121,70 Euro) ausgeschüttet werden. 

Begründung:

Die bisherigen bergbaubedingten Rückstellungen und die Rückstellungen für die Entsorgung im Atomkraftbereich (Kernenergiebereich) werden voraussichtlich nicht ausreichen. Hinzu kommen müssen zusätzliche Rückstellungen für Gesundheitsschädigung und vorzeitige Todesfälle durch die Emissionen der Tagebaue und Kraftwerke. Daraus erwachsende Entschädigungszahlungen stellen ein drastisches Risiko für RWE dar, das dringend beziffert werden muss. Deshalb fordert der Dachverband Vorstand und Aufsichtsrat der RWE AG auf, die Rückstellungen um den nicht mehr als Dividende gebrauchten Betrag von 669.457.095,30 Euro zu erhöhen.

„Das im Bundesberggesetz verankerte Verursacherprinzip verpflichtet die Betreiber der Braunkohletagebaue, für die Folgekosten ihres wirtschaftlichen Handelns aufzukommen. Für diese Folgekosten müssen die Unternehmen nach Handelsgesetzbuch Rückstellungen bilden, die jedoch keine separat gesicherten Finanzmittel sind, sondern lediglich in den Geschäftsbilanzen als zukünftige Zahlungsverpflichtung vermerkt werden“, heißt es in der Studie „Finanzielle Vorsorge im Braunkohlebereich. Optionen zur Sicherung der Braunkohlerückstellungen und zur Umsetzung des Verursacherprinzips“, die 2016 von der Klimaallianz Deutschland u.a. herausgegeben wurde.

Wie aus dem Bericht „Folgekosten des Braunkohlentagebaus in NRW“ des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie für die Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit am 15. März 2024 hervorgeht, hat die RWE Power AG zum Bilanzstichtag 31.12.2022 für den Braunkohlenbergbau insgesamt 6,269 Mrd. Euro und davon für die Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen der Braunkohlentagebaue 5,248 Mrd. Euro an Rückstellungen gebildet (vgl. S. 8 des Berichts, https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-2365.pdf).

Am Schluss des Berichts wird auf ein noch 2024 in Auftrag zu gebendes Gutachten verwiesen: „Auf Grundlage der Ergebnisse des Gutachtens ist anschließend zu prüfen, ob und ggf. welche weiteren Maßnahmen zur Sicherstellung einer vollständigen Kostentragung getroffen werden oder ob für den Sicherungszweck z.B. auch eine Stiftung oder Gesellschaft für die Braunkohle ein geeignetes Instrumentarium darstellen könnte.“

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 3, Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstandes die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

„Voller Energie in eine neue Zukunft“, verkündet die RWE AG vollmundig. Tatsächlich betreibt der Konzern weiter Braunkohletagebaue und Kohlekraftwerke und hat eine Überkapazität an LNG-Terminals errichtet. RWE ist verantwortlich für klimaschädliche Treibhausgas-Emissionen, irreversible Umweltschäden, Schädigung der menschlichen Gesundheit bis hin zu vorzeitigen Todesfällen, Zerstörung von fruchtbarem Ackerland sowie von Dörfern und ihrer Infrastruktur.

Methan-Ausstoß aus Braunkohletagebau vermutlich 100 Mal höher als von RWE gemeldet
Die deutschen Braunkohletagebaue sind viel schmutziger, als RWE angibt, die Bundesregierung denkt und die Öffentlichkeit ahnt. Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des britischen Instituts Ember Climate stoßen Braunkohletagebaue in Deutschland weit mehr klimaschädliches Methan aus als offiziell angegeben. Laut einer Studie von Ember Climate könnten die Emissionen 184-mal höher sein. Satellitenbilder belegen besonders hohe Methan-Emissionen aus dem Tagebau Hambach und aus anderen Tagebauen (vgl. Zusammenfassung der Studie auf Deutsch: „Unterschätzte Methan-Emissionen: Dringender Handlungsbedarf der Bundesregierung“, Volltext der Studie auf Englisch: „Brief: Urgency to update Germany’s coal mine methane emission factor).
Methan ist der zweitgrößte Treibhausgasverursacher und heizt die Klimakrise massiv an. Gleichzeitig schadet Methan als Vorläuferstoff von bodennahem Ozon der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die DUH fordert von der Bundesregierung eine Strategie, um den Methan-Ausstoß zu mindern. Dazu gehört eine unabhängie Messoffenisve vor allem bei der Braunkohle, bei der die Verfehlung besonders groß ist. RWE muss sehr schnell Minderungsmaßnahmen wie die konsequente Anwendung von „pre-mine drainage“ ergreifen – ein Verfahren, dass in den USA seit Jahrzehnten Anwendung findet.

Rechtsrisiken für RWE durch Klima- und Menschenrechtsklagen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verpflichtet Regierungen zum Klimaschutz. Anfang April hat der EGMR einer Menschenrechtsbeschwerde der Schweizer Klimaseniorinnen stattgegeben. Obwohl das Urteil zunächst nur die Schweiz betrifft, gilt es für alle Mitglieder der EU und des Europarats – also auch für Deutschland. Bürger*innen erhalten so eine Grundlage, um gegen ihre Regierungen vorzugehen, die dann ihre Klimagesetzgebung nachschärfen müssen. Derzeit ist auch eine Klage neun deutscher Jugendlicher und jungen Erwachsenen für ambitioniertere Klimaziele vor dem EGMR anhängig.
Die Klimaklage des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE wird im Frühsommer in die nächste Runde gehen. Vor dem Oberlandesgericht Hamm findet im Rahmen der Beweisaufnahme eine mündliche Verhandlung statt. Die 2015 eingereichte Klage wirft RWE als einem der größten CO2-Emittenten vor, mutmaßlicher Mitverursacher des Klimawandels und damit der Gletscherschmelze über der Anden-Stadt Huaraz zu sein.

Bis 2029 Steinkohle-Verfeuerung in niederländischen Kraftwerken
Die niederländischen RWE-Kraftwerke verfeuern aktuell sowohl Steinkohle als auch Biomasse. Während das Kraftwerk Amer 9 Ende 2024 vollständig auf Biomasse-Verfeuerung umgerüstet werden soll, erfolgt der komplette Umstieg im Kraftwerk Eemshaven erst Ende 2029. Als Gläubiger des Holzpellets-Herstellers Enviva muss RWE 349 Mio. US-Dollar abschreiben.

Wasserwirtschaftliche Probleme im Rheinischen Revier
Bevor der Bau der geplanten Rheinwassertransportleitung von Dormagen nach Grevenbroich begonnen wird, muss diese Planung unbedingt durch ein unabhängiges Gremium überprüft und Alternativen entwickelt werden. Eine ausschließliche Flutung der Braunkohletagebaue mit Hilfe des Rheinwassers hätte desaströse ökologische Auswirkungen. Es muss unbedingt untersucht werden, ob durch Befüllung mit Kippenmaterial z.B. das Volumen der Restlöcher verkleinert werden kann und ob nicht der Kölner Randkanal zumindest zur Füllung der Tagebaue Hambach und Inden umnutzbar wäre. Es besteht die Gefahr, dass im Rheinischen Revier zukünftig weder sauberes Wasser für unsere Mitwelt noch sauberes Trinkwasser in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Daher wird auch eine gerechte Verteilung dieses lebenswichtigen knappen Gutes unter Umständen nicht mehr möglich sein. Die Artenvielfalt in der Region wird durch die zu verlegenden Transport- und Trinkwasserleitungen stark bedroht, genau wie durch das Eindringen ungeeigneten Wassers in die Ökosysteme. Aus diesem Grund muss dringend sichergestellt werden, dass die Speisung des Rheinwassers keine Gefährdung unserer lebenswichtigen Feuchtgebiete bedeutet. Die Auswirkungen auf dieses Biotop, vor allem der Naturpark Schwalm-Nette, benötigt ebenfalls eine genaue Überprüfung durch ein
unabhängiges Gutachten. Weiterhin steht zu befürchten, dass die Ewigkeitskosten, die mit den Folgen des Braunkohleabbaus verbunden sind, nicht nach dem Verursacherprinzip beglichen werden, sondern zu großen Teilen der Allgemeinheit aufgebürdet werden sollen.

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4, Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2023

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Aufsichtsrat ist seiner Kontrollpflicht gegenüber dem Vorstand nicht ausreichend nachgekommen. Zahlreiche risikobehaftete Projekte und Investitionen wurden vom Aufsichtsrat nicht gestoppt.

Neue Gas-Infrastrukturprojekte und -Importe missachten Klimaziele
Ohne Beachtung der Klimaziele werden neue LNG-Terminals, Gaskraftwerke und Pipelines für fossiles Gas gebaut – und RWE ist daran beteiligt. Aber neue Gasinfrastruktur darf nur genehmigt werden, wenn sie auf den Betrieb mit erneuerbarem Gas ausgelegt ist. Der Ausbau von Infrastruktur für Liquefied Natural Gas (LNG) ist energiewirtschaftlich überflüssig, klimapolitisch eine Katastrophe und verlängert das fossile Gasgeschäft. RWE organisiert Lieferungen von LNG nach Deutschland und baut LNG-Infrastruktur mit auf. Mit RWE verbundene Gas-Unternehmen, die in den Konzernabschluss mit einbezogen sind, sind die Elbehafen LNG Gmbh (Essen), die Ostsee LNG Holding GmbH (Essen), die Ostsee LNG Terminal GmbH (Essen) und die German LNG Terminal GmbH (Brunsbüttel).Bei RWE laufen Planungen für ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk im rheinischen Weisweiler, das 2030 die Kohleverstromung ablösen soll. Es ist aber zu befürchten, dass die Infrastruktur für fossiles Gas niemals auf grünen Wasserstoff umgerüstet wird.

Liefervertrag mit US-LNG-Händler Woodside
Bereits 2018, nach der Ankündigung des ersten Kapazitätsvertrags zwischen RWE und German LNG Terminal für Brunsbüttel, unterzeichnete RWE einen Liefervertrag mit dem globalen LNG-Händler Woodside für US-Gas. 2021 gaben die Konzerne eine Einigung über einen 7-Jahres-Vertrag ab 2025 für die Lieferung von LNG aus dem „globalen Portfolio“ von Woodside bekannt. Die vertraglich vereinbarte jährliche Liefermenge von 1,14 Mrd. Kubikmetern kommt der von Woodside für das Corpus-Christi-Terminal zugesagten LNG-Abnahmemenge in den USA recht nahe.

RWE muss Beteiligung am Mega-Gasprojekt an der Westküste Australiens stoppen
Auch ein Mega-Gasprojekt des größten australischen Öl- und Gaskonzerns Woodside wird von RWE unterstützt. Bei dem Projekt vor der Westküste Australien kommt es zum Einsatz von Unterwasser-Schallkanonen für seismische Tests. Insgesamt sollen über 1.300 km lange Pipelines verlegt werden, Gasbohrungen in mehr als 900 Metern Tiefe stattfinden und eine schwimmende Offshore-Plattform errichtet werden. Zusammen mit Uniper ist RWE Hauptabnehmer des Gases, das das Ökosystem schädigt und Wale bedroht. RWE muss von der Finanzierung und Realisierung dieses Projektes zurücktreten.

Urenco: Atomare Alpträume und Gefährdung für den Frieden!
Die Firma Urenco ist der zweitgrößte Urananreicherer weltweit und zu einem Sechstel in RWE-Besitz.Urenco Gronau will die Produktionsmenge künftig von 3.700 t UF6 auf die genehmigte Menge von 4.500 t UF6 erweitern. Ein räumlicher Ausbau der Anlage in Gronau steht laut Urenco ebenfalls an. Ein „Reststoffverwertungszentrum“ und Lagerhallen für ausgediente Uranzentrifugen sollen auf dem Gelände der Firma errichtet, alte durch neue Zentrifugen ersetzt werden.Dabei ist die Entsorgung des entstehenden Uranmülls nicht geklärt. Der Umgang mit dem abgereicherten UF6, das vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch nach Russland geliefert wurde, wird weiterhin verschleiert. Erstmalig in der Geschichte der Atomaufsicht NRW wird die Menge des abgereicherten UF6 im Freiluftlager der Urenco Gronau nicht mehr bekanntgegeben. Urenco hat dies zum Betriebsgeheimnis erklärt. Neben der weiteren Einbindung der Anlage Gronau in die Lieferungen von angereichertem Uran an die Schwesterfirma in die USA, wo es weiter auf 19,75 % (HALEU) angereichert wird – also militärisch genutzt werden kann – ist jetzt bekannt geworden, dass auch wieder russisches Uran von Urenco verarbeitet wird. Nachdem Urenco nach Februar 2022 alle Lieferverträge mit Russland öffentlichkeitswirksam gekündigt hatte, räumte die Firma nun nach Recherchen niederländischer Antiatom-Aktivisten im Februar 2024 ein, für einen „großen französischen AKW-Betreiber“ tatsächlich russisches Uran anzureichern. Auch Gronau könne daran beteiligt sein.

Dazu kommt die wieder verstärkt auftretende Debatte über eine atomare eigene Bewaffnung in Europa/Deutschland. Sie weckt Begehrlichkeiten, die von der technischen Möglichkeit der Anreicherung auf atomwaffenfähiges Uran genährt wird.

Massive Gesundheitsschäden durch Ultrafeinstäube, Kohlendioxid und Methan
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, 4/2024, vgl. TOP 3) ist auch von großer Bedeutung für den Gesundheitssektor. Aus kinderärztlicher Sicht ist ein Stopp von krebserregenden Ultrafeinstäuben, die noch hunderte Kilometer entfernt die Atemluft belasten und sich stark toxisch auf den Menschen auswirken, unbedingt erforderlich. Die deutschen Lungenfachärzte fordern, Feinstaubemissionen erheblich zu senken (12/2018); dies ist insbesondere für Schwangere von Bedeutung. Die RWE AG muss die Emissionen ihrer Kraftwerke durch den Einbau von wirksameren Filteranlagen senken.

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