Warum weigert sich die Staatsanwaltschaft, gegen RWE Power wegen Klima- und Feinstaubtoten zu ermitteln?

Nichtregierungsorganisationen übergeben Petition mit 4.370 Unterschriften an Staatsanwaltschaft Köln

Gemeinsamer Protest vor der Staatsanwaltschaft Köln: Vertreter*innen von Attac D (EKU AG), Attac Köln, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Initiative RWE-Tribunal, Ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie, Gesellschaft für bedrohte Völker, Parents for Future und Grannies for Future (alle Fotos: Herbert Sauerwein)

Köln – Nichtregierungsorganisationen übergeben heute Mittag die Petition „Tötungsdelikte: Strafanzeige gegen die RWE Power AG“ an einen Vertreter der Staatsanwaltschaft Köln. 4.370 Menschen haben bis heute die Petition unterzeichnet. Zum Gedenken an Tausende Menschen, die jährlich infolge der Emissionen der RWE-Kraftwerke sterben, werden bei der Mahnwache am Kölner Justizzentrum Grablichter angezündet.

Nachdem der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer, jetzt mitgeteilt hat, dass seine Behörde die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Essen abgegeben habe, fordern die Juristinnen und Juristen und die sie unterstützenden Nichtregierungsorganisationen die Staatsanwaltschaft auf, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und Straftaten, die ihr bekanntwerden, aufzuklären und strafrechtlich zu verfolgen (§§ 152, 160, 163 Abs.1 StPO).

Rechtsanwalt Dr. Heinrich Comes kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft Köln nicht gegen RWE Power ermittelt.

„Wie bereits im Fall einer ähnlichen Strafanzeige entzieht sich die Staatsanwaltschaft Köln erneut ihrer Verantwortung, wegen des Vorwurfs von Tötungsdelikten gegen Verantwortliche des RWE-Konzerns zu ermitteln“, so Rechtsanwalt Dr. Heinrich Comes, einer der Anzeigensteller. „Nach unserer Rechtsauffassung haben Vorstand und Aufsichtsrat der RWE Power AG bewusst in Kauf genommen, dass durch die klimaverändernde, umweltzerstörende und gesundheitsschädliche Förderung und Verstromung von Kohle im Rheinischen Braunkohlerevier in den letzten zwei Jahrzehnten eine Vielzahl von Menschen zu Tode gekommen sind.“

„Zuständig ist ganz klar die Staatsanwaltschaften Köln, weil sich der Sitz der RWE-Tochtergesellschaft RWE Power AG nach wie vor in Köln befindet“, erklärt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. „Strafanzeige wurde auch bei den Staatsanwaltschaften Aachen und Mönchengladbach erstattet, weil die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach sowie die Kraftwerke, die von RWE Power betrieben werden, sich geografisch in der Nähe dieser Staatsanwaltschaften befinden.“

Wissenschaftliche Kompetenz und Erfahrungen aus der Praxis: Atmosphärenforscherin Dr. Rosa Gierens und Kinderarzt Christian Döring sprachen über die gefährlichen Schadstoffe in unserer Atemluft.

„In der Strafanzeige beziehen wir uns unter anderem auf die wissenschaftliche Studie „Last Gasp“ von Climate Action Network, die zu dem Ergebnis kommt, dass im Jahr 2016 statistisch 1.880 Menschen nur infolge der Schadstoff-Emissionen der Kohlekraftwerke der RWE AG vorzeitig verstorben sind“, betont die Atmosphärenforscherin Rosa Gierens, die an der Studie mitgearbeitet hatte.

„Die Einbringung von Schadstoffen in die Atemluft ist gesundheitsschädlich und für kleine Kinder besonders gefährlich – dies beginnt bereits mit einer Feinstaub-belasteten Schwangerschaft“, berichtet der Kölner Kinderarzt Christian Döring. „Die DNA-schädigenden und krebserregenden Atemgifte aus Kohlekraftwerksemissionen gehen über den Mutterkuchen in die Zellkerne der ungeborenen Babys. Es folgt eine erhebliche Zunahme untergewichtiger Mangel- und Frühgeburten. In einem wissenschaftlichen Vergleich wurde nachgewiesen, dass nach Abschaltung eines Kohlekraftwerks Kinder deutlich weniger zentrale neurologische Einschränkungen der kindlichen Entwicklung haben als Kinder mit emissionsbelasteter Schwangerschaft“, so Döring.

Markus Dufner (links) überreichte die Petition mit 4.370 Unterschriften an Oberstaatanwalt Bremer. Alfred Weinberg beklagte, dass die Staatsanwaltschaft bei Strafanzeigen gegen den Konzern RWE und gegen Klimaaktivist*innen mit zweierlei Maß misst.

„Während Staatsanwaltschaften nicht lange zögern, gegen Klimaaktivist*innen zu ermitteln, geben sie vor, im Fall von Strafanzeigen gegen Konzerne wie RWE keine Veranlassung zur Ermittlung feststellen zu können“, so Emilio Alfred Weinberg von der Initiative RWE-Tribunal. „Mit der aktuellen Strafanzeige haben wir der Staatsanwaltschaft zusätzliche Beweismittel zu den Ursachen und Auswirkungen der Klimakatastrophe vorgelegt. Diese Beweismittel stellen einen Zusammenhang zwischen den Extremwetterereignissen und Todesopfern 2021 im Ahrtal und der durch die Braunkohleverstromung miterzeugten Erderhitzung und Klimakatastrophe her. Wir haben jetzt eine deutlich verschärfte Bestandsaufnahme und Prognostik hinsichtlich der Klimakrise, wie u.a. der letzte Bericht des Weltklimarats IPCC deutlich macht.“

Die Strafanzeige wurde am 29. September von Rechtsanwalt Dr. Heinrich Comes, 20 weiteren Jurist*innen und der Initiative RWE-Tribunal bei den Staatsanwaltschaften Köln, Aachen und Mönchengladbach erstattet. Auch die Staatsanwaltschaften in Aachen und Mönchengladbach haben die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Essen abgegeben.

„Unsere Strafanzeige von 2018 war von der Staatsanwaltschaft Essen und dann der Generalstaatsanwaltschaft Hamm 2019 zurückgewiesen worden“, sagte Rechtsanwalt Comes. „Die hierfür dargelegten Gründe waren nicht nachvollziehbar. Bei unserer aktuellen Anzeige haben wir gegenüber 2018 unsere Argumentation nachgeschärft und viele neue stichhaltige Belege vorgelegt, die aufzeigen, warum von Tötungsdelikten durch RWE-Verantwortliche auszugehen ist.“

Unterstützen die Petition „Tötungsdelikte: Strafanzeiger gegen RWE Power“: Attac D (EKU AG) – Attac Köln – Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre – Ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie – Gesellschaft für bedrohte Völker – Grannies for Future Köln – Initiative RWE-Tribunal – Parents for Future Köln


Weitere Informationen:

Strafanzeige gegen die die leitenden Mitarbeiter und aufsichtführenden Personen in dem Unternehmen RWE Power AG:  https://www.kritischeaktionaere.de/rwe/strafanzeige-wegen-toetungsdelikten-gegen-die-rwe-power-ag/
echtsanwältin

Der Strafanzeige haben sich inzwischen mehr als 20 Juristinnen angeschlossen,darunter auch eine Rechtsprofessorin und ein Richter. RA Gunter Christ – RA Dr. Heinrich Comes – RA Jürgen Crummenerl – RA’in Ulrike Fischer
Ri i.R. Bernd Hahnfeld – RA Jacob Hösl – RA’in Tijen Kortak – RA’in Rania Kour – RA’in Edith Lunnebach – RA Christian Mertens – RA Dr. Hanswerner Odendahl – RA Lukas Pieplow – RA Ulrich Reinke – Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk – RA Lothar Schlegel – RA Dr. Peter Thümmel – Prof. Dr. Petra Velten – Alfred Weinberg – RA Axel Werner – RA Burkhard Zimmer
*) RA = Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin

Petition „Tötungsdelikte: Strafanzeige gegen die RWE Power AG“: https://weact.campact.de/petitions/totungsdelikte-strafanzeige-gegen-die-rwe-power-ag?share=bd0e1d2e-9124-49e8-b02a-212ef6c0f0f2&source=copy_email&utm_source=copy_email

Last Gasp. The coal companies making Europe sick, November 2018
Der Bericht wurde unter der Verantwortung des Climate Action Network Europe erstellt durch Europe Beyond Coal, Sandbag UK, CAN Europe, Greenpeace und dem Europäischen Umweltbüro (EEB) mit Input von anderen Organisationen, führenden Forschern im Bereich Luftqualität/Kohle/ Gesundheit, darunter der Atmosphärenforscherin Rosa Gierens und dem Kinderarzt Christian Döring. Siehe (https://beyond-coal.eu/wp-content/uploads/2020/02/Last-Gasp-2018.pdf und https://www.cleanenergy-project.de/gesellschaft/last-gasp-report-die-luft-wird-knapp/)

Der Weltklimarat (IPCC) und sein 6. Sachstandsbericht
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC) – oft als „Weltklimarat“ bezeichnet – ist eine Institution der Vereinten Nationen. In seinem Auftrag tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. Der im Mai 2022 veröffentlichte 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats zeigt auf, dass es nach wie vor möglich ist, die globale Erwärmung auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig (siehe https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-sofortige-globale-trendwende-noetig).

Rückfragen:
– Rechtsanwalt Dr. Heinrich Comes, Tel. 0221/9522824,comes-haakshorst@t-online.de
– Alfred Weinberg, Initiative RWE-Tribunal, Mobil-Tel. 0172-4163 788, alfred_weinberg@web.de
– Markus Dufner, Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre,
  Tel. 0221/5995647, Mobil-Tel. 0173-713 5237, dachverband@kritischeaktionaere.de

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