Zu Tagesordnungspunkt 2: Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.
Begründung:
Die Dividende ist zu hoch. Von dem Bilanzgewinn in Höhe von fast 3,8 Milliarden Euro, der fast vollständig als Dividende ausgeschüttet werden soll, sollte Siemens mehr in die eigene Zukunftsfähigkeit und das Erreichen der Klima- und Nachhaltigkeitsziele investieren. Dass dies dringend nötig ist, zeigt die höchst problematische Klimabilanz von Siemens, siehe auch unseren Antrag unten, den Vorstand nicht zu entlasten.
Darüber hinaus braucht das Energiegeschäft der ehemaligen Tochter Siemens Energy dringend finanzielle Unterstützung auch direkt von Siemens, um sich vom klimaschädlichen fossilen Energiegeschäft lösen und die kriselnde Windkraft-Sparte bei Siemens Gamesa stützen zu können.
Angesichts der tiefen Krise bei Siemens Energy, für die auch Siemens aufgrund der erst 2020 erfolgten Abspaltung eine Mitverantwortung trägt, ist es nicht nachvollziehbar und geradezu dreist, dass Siemens Energy weiterhin jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an Siemens zahlen muss, nur um den Markennamen „Siemens“ weiter nutzen zu können.
Siemens selbst setzt so die eigene Reputation aufs Spiel und damit die Grundlage, solch hohe Gebühren für die Markenlizenz überhaupt verlangen zu können. Statt mehr eigene Mittel für die Rettung von Siemens Energy einzusetzen, ruht sich Siemens darauf aus, dass die selbst mitverschuldeten Risiken vergesellschaftet werden, damit eigene Finanzziele und Dividende nicht in Gefahr geraten. Der deutsche Staat und damit die Steuerzahlenden stellen nun Staatsgarantien in Höhe von 7,5 Milliarden Euro für Siemens Energy bereit – Garantien, die bis vor Kurzem noch Siemens übernommen hätte. Mit so einem verantwortungslosen Verhalten angesichts eines auf 8,5 Milliarden Euro nahezu verdoppelten Jahresüberschusses und zeitgleich stark angespannter, schuldenfinanzierter öffentlicher Haushalte und stockender Energiewende sägt hier Siemens am eigenen Ast der Reputation der Marke „Siemens“.
Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.
Begründung:
Der Vorstand wird weiterhin seiner Verantwortung nicht gerecht, Maßnahmen für nachhaltige Lieferketten und die Verringerung der mit von Siemens verursachten Treibhausgasemissionen effektiv umsetzen.
Siemens-Produkte sorgen weiter für deutlich mehr statt weniger Treibhausgasemissionen
Die direkt von Siemens und vorgelagert emittierten Treibhausgasemissionen (Scope 1 und Scope 3 upstream) sind laut Nachhaltigkeitsbericht im letzten Geschäftsjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum kaum gesunken. Besonders fatal: Vor allem die nachgelagerten Emissionen, die durch die Nutzung von Siemens-Produkten entstehen werden (im Scope 3 downstream), sind um über 27 Mio. Tonnen auf über 469 Mio. t CO2e stark angestiegen.
Da hilft es auch nicht, wenn der Vorstand auf knapp 190 Mio. t CO2e verweist, die durch die Nutzung von Siemens-Produkten bzw. Dienstleistungen eingespart werden. Unter dem Strich bleiben Mehremissionen von 279 Mio. t CO2e für 2023, deren Klimaschaden Siemens zu verantworten hat. Zum Vergleich: Das sind immer noch über 40 Prozent der Treibhausgasemissionen, die in Deutschland 2023 emittiert wurden (673 Mio. t, vorläufige Zahlen).
Solange Siemens-Produkte für mehr statt weniger Treibhausgasemissionen sorgen, sind die Klima- bzw. Nachhaltigkeitsversprechen von Siemens nicht glaubwürdig. Wie nur wenige Konzerne hat Siemens nicht nur das Potential, sondern auch die Verantwortung, einen entscheidenden Beitrag zum tatsächlichen Gelingen der Energie-, Wärme- und Verkehrswende zu leisten, etwa beim effizienten Umgang mit weniger Ressourcen. Doch nur 20 Prozent der Gesamteinnahmen von Siemens fallen überhaupt unter die EU-Taxonomie für umweltverträgliche Wirtschaftstätigkeiten.
Bei steigenden Emissionen ist noch nicht einmal ersichtlich, wie Siemens selbst die eigenen, nicht gerade ambitionierten Klimaziele in Bezug auf Scope 3 auch tatsächlich wird erreichen können. Hingegen wird ersichtlich, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen – alles muss auf den Prüfstand. Angesichts der schon jetzt immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klimakrise reicht es nicht mehr aus, auf Klimaziele zu verweisen, oder auf fragwürdige CO2-Kompensationsprogramme zu setzen.
Lieferkettengesetz: Siemens muss transparenter werden
Auf dem Papier scheint Siemens die Anforderungen internationaler Standards an nachhaltige Lieferketten zu erfüllen. Es kommt aber auf effektive Umsetzung an, und hierzu verlässt sich Siemens zu sehr auf Selbsteinschätzungen und externe Audits von Zulieferern, deren Aussagekraft immer limitiert ist. Bei über 67.700 Zulieferern aus 140 Ländern ist der von Siemens gewählte risikobasierte Ansatz sinnvoll, doch bleibt weiterhin intransparent, welche konkreten Probleme bei Zulieferern identifiziert worden sind und mit welchen Maßnahmen diese auch präventiv adressiert werden.
Im Nachhaltigkeitsbericht gibt Siemens beispielsweise an, im Geschäftsjahr 2023 nach über 5.000 Zulieferer-Selbsteinschätzungen 168 Verbesserungsmaßnahmen, nach 481 externen Audits 106 Verbesserungsmaßnahmen in Bezug auf das Verbot von Kinderarbeit mit Zulieferern getroffen zu haben. Ob es sich dabei um reale, systematische Risiken, die bezüglich Kinderarbeit identifiziert worden sind, oder um formale Aktualisierung von Verträgen in dieser Hinsicht handelt, ist nicht ersichtlich. Zumindest sollte beispielhaft an einigen konkreten Fällen transparent und nachvollziehbar dargelegt werden, was genau unternommen worden ist.
Damit Unternehmen ihre eigenen Sorgfaltspflichten nicht an externe Audit-Unternehmen auslagern, sehen die Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes explizit vor, dass Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der von ihnen gewählten Maßnahmen bewerten und darüber berichten, welche Schlussfolgerungen daraus für zukünftige Maßnahmen gezogen werden (§ 10 LkSG). Dieser gesetzlichen Anforderung ist Siemens aus unserer Sicht nicht hinreichend nachgekommen.
Staatshilfe für Siemens Energy: Siemens-Vorstand agiert verantwortungslos
Mitten in der größten Krise von Siemens Energy, die Siemens erst 2020 abgespalten hatte und weiterhin Großaktionär ist, scheint der Siemens-Vorstand vor allem die eigenen, kurzfristigen Finanzziele und Boni im Blick zu haben und dafür auch die Steuerzahlenden belasten zu wollen. Erst nach langem Hin- und Her konnte sich der Siemens-Vorstand dazu durchringen, zumindest etwas für Garantien und den Fortbestand der ehemaligen Tochter zu tun. Doch mit Staatsgarantien in Höhe von 7,5 Milliarden Euro trägt die deutsche Bundesregierung nun eindeutig das größere Risiko. Bis vor Kurzem hat Siemens noch deutlich mehr Garantien für Siemens Energy gestellt. Das Pokern um die Zukunft von Siemens Energy, bei der nun die Risiken zugunsten von Siemens vergesellschaftet wurden, ist eines Vorstands unwürdig, der seiner gesellschaftlichen Verantwortung angesichts begrenzter öffentlicher Mittel, hohen Staatschulden und dem Gelingen der Energiewende gerecht werden will.