„Weiter-so in der industriellen Landwirtschaft statt sozial-ökologische Wende“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

ich bin Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Südzucker deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt, Biodiversität und Menschenrechten ein.

Angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise erwarten wir von Ihnen deutlich mehr Investitionen und Unterstützung der Landwirtschaft – Ihre Finanzlage und Gewinne lassen dies ohne Zweifel zu.

Doch es scheint mir, dass Sie weiter an einem „business as usual“, an einem Weiter-so in der industriellen Landwirtschaft festhalten wollen, statt die sozial-ökologische Wende in der Landwirtschaft voranzubringen.

Ihre Pilot-Projekte z.B. für Grünstreifen hier und da zeigen sicher in die richtige Richtung, doch Sie müssen dies im großen Maßstab umsetzen. Stattdessen kritisieren Sie engagierte Ziele und Pläne der EU.

Vielmehr sollten Sie selbst Zeit und Geld investieren und transparent aufzeigen, wie genau Sie die sich abzeichnenden politischen Zielvorgaben erfüllen können. Nicht zuletzt würde das Vertrauen in Ihre mittelfristige Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit Ihrer Geschäftsmodelle schaffen.

Schutz von Biodiversität und Einsatz von Agrargiften

Erstes Beispiel für Ihr Weiter-so: Herr Dr. Pörksen, in Ihrer Eingangsrede haben Sie gleich zu Beginn die Pläne der EU zur Einschränkung von Agrargiften und Pestiziden kritisiert. Wenn Sie Pauschalverbote für „nicht zielführend“ halten, sollten Sie uns verraten, welche Ziele Sie dabei vor Augen haben.

Welche Ziele meinen Sie – Ihre eigenen Wachstumsziele oder internationale Ziele zum Schutz der Biodiversität und zur Begrenzung des Klimawandels, die dem „Green Deal“ der EU zugrunde liegen?

Die EU verfolgt das Ziel, die Verwendung chemischer Pestizide in der EU bis 2030 um die Hälfte zu senken. Laut einer neuen Studie der EU-Kommission ist die Ernährungssicherheit gerade genau dann in Gefahr, wenn der Einsatz von Agrargiften nicht deutlich verringert wird. Dies gilt auch dann, wenn die negativen, kurzfristigen Auswirkungen des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine einbezogen werden.

Teilen Sie diese Einschätzung? Haben Sie eigene Ziele und Maßnahmen zur Verringerung der Verwendung chemischer Pestizide? Wenn ja, an welchen Kriterien orientieren sich diese? Falls Sie keine Ziele haben, warum nicht?

Da Sie auch den „Green Deal“ der EU angesprochen haben, eine Frage aus aktuellem Anlass: Gestern hat das EU-Parlament für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Für das Gesetz hatten sich auch etliche Großunternehmen, darunter auch Lebensmittelkonzerne, aber auch einige Bauernorganisationen ausgesprochen, konservative und rechte Kräfte vor allem dagegen.

Wie bewerten Sie dieses Gesetz und seine Folgen für Ihre Geschäfte?

Sie haben es in Ihrem Geschäftsbericht erwähnt: Anfang des Jahres hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass den EU-Ländern keine vorübergehenden Ausnahmen für verbotene, für Bienen schädliche Neonicotinoid-Pestizide mehr gewährt werden dürfen. Zu dieser absolut nötigen und längst überfälligen Klarstellung des EU-Rechts hatte eine Klage geführt, an der auch der europäische Verband eines unserer Mitgliedsorganisationen, Pesticide Action Network Europe (PAN Europe), beteiligt war.

Was ich Ihrem Geschäftsbericht aber nicht entnehmen konnte (außer, dass Sie, genauso wie durch die Folgen der Klimakrise, „ein erhöhtes Risiko von geringeren Flächenerträgen“ sehen):

Wie bewerten Sie dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs? Welche konkreten Folgen hat das Urteil für Ihre Geschäfte? Haben Sie vor, sich politisch für die Wiedereinführung solcher Ausnahmeregelungen einzusetzen?

Neonikotinoide sind hoch bienengefährlich und schädigen auch andere Tierarten wie Bodenorganismen und Vögel. Sie sind hoch toxisch, langlebig und wasserlöslich. So verbreiten sie sich weit in der Umwelt und richten noch Jahre nach ihrer Ausbringung Schaden an. Die Ausbringung von Neonikotinoiden ist mitverantwortlich für das Insektensterben und damit für den Verlust an Biodiversität.

Durch die Hintertür von „Notfallzulassungen“ sind sie dennoch immer wieder zur Anwendung gekommen. Auch Südzucker hatte davon zulasten der Umwelt und Biodiversität profitiert, dazu hatten wir auch auf den letzten Hauptversammlungen Fragen eingereicht.

Klimabilanz und Klimaziele

Ein weiteres Beispiel für Ihr Weiter-so zeigt ein Blick in Ihre Klimabilanz: Ihre direkten Treibhausgasemissionen (Scope 1) sind im letzten Geschäftsjahr sogar um 100.000 Tonnen CO2 auf 2,5 Millionen Tonnen CO2 gestiegen, statt zu sinken. Sie beschönigen das im Geschäftsbericht mit der Formulierung „auf dem Niveau der Vorjahre“, mich aber stimmt das pessimistisch, wie Sie mit Ihren bisherigen und geplanten Maßnahmen Ihre Klimaziele auch tatsächlich erreichen können.

Ihre Klimaschutzstrategie sieht immerhin die Gegenrichtung vor, doch konkrete Ziele zur Verringerung, geschweige denn konkrete Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungsketten, also Scope 3, entsprechend der Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens: Fehlanzeige.

Herr Dr. Pörksen, in Ihrer Eingangsrede haben Sie hervorgehoben, dass Südzucker nun eine Validierung der eigenen Klimaziele durch die Science Based Targets Initiative (SBTI) vorweisen kann. Wie ich Ihrem Geschäftsbericht entnehmen kann, bezieht sich dies allerdings nur auf Ihre kurzfristigen Ziele bis 2030 für Scope 1 und 2.

Wie sieht die Validierung Ihrer Klimaziele bis 2050 sowie Ihrer Ziele für Scope 3 aus? Entsprechen diese auch einem Reduktionspfad entsprechend des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens?

Zudem heißt es in Ihrem Geschäftsbericht, dass Sie aktuell an einer Umsetzung und Überarbeitung Ihrer Klimaziele entsprechend der SBTI-Leitlinien für die Sektoren Wald, Land und Landwirtschaft arbeiten.

Wie ist hier der aktuelle Stand und was bedeutet das konkret? Handelt es sich hier nur um die bessere Erfassung der Scope-3-Emissionen Ihrer Wertschöpfungsketten oder auch um neue Ziele für Scope 3 samt einer Strategie, mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen?

Menschenrechte und Umsetzung Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Ab diesem Jahr gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auch für Südzucker. Sie müssen nun selbst die menschenrechtlichen Risiken in den eigenen Lieferketten prüfen und auch ggf. präventive Maßnahmen ergreifen.

Welche Art von eigener Analyse führen Sie durch? Ist diese risiko-basiert? Welche spezifischen Risiken haben Sie in Ihren Lieferketten identifiziert?

Inwieweit führen Sie auch eigene Recherchen und präventive Maßnahmen unabhängig von externen Dienstleistern wie der SEDEX-Plattform und von SMETA-Sozial-Audits durch?

Im Geschäftsbericht schreiben Sie, dass Sie sich dafür einsetzen, dass auch Ihre Lieferanten ihren Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen. Es gibt dazu aber berechtigten Unmut und Kritik von kleineren und mittleren Unternehmen, dass größere Konzerne die Aufgaben und Pflichten einfach an ihre Lieferanten weitergeben würden, statt diese selbst umsetzen. Wie geht Südzucker vor, um dies zu vermeiden?

m Geschäftsbericht schreiben Sie auch, dass Sie aktuell „Weiterentwicklungsmaßnahmen zur Integration von menschenrechtsbezogenen Themen in die relevanten Unternehmensprozesse“ prüfen würden. Könnten Sie dazu ein konkretes Beispiel geben, was genau geprüft wird?

Sind Missstände oder Verstöße gegen internationale Sozialstandards in den letzten Audits bei Ihren Standorten bzw. Zulieferern festgestellt worden und wenn ja, wie viele und was genau?

Ist Ihr konzernweiter Beschwerdemechanismus genutzt worden und falls ja, wie oft und wie wurde reagiert?

Zu TOP 15: Vorschlag Satzungsänderung Einfügung eines neuen § 15 Abs. 6 (Vorstandsermächtigung zu virtuellen Hauptversammlungen)

Wir lehnen Ihren Vorschlag ab, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Schon mit der Entscheidung, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen, haben Sie unter Beweis gestellt, neue Möglichkeiten für eine aktionärsfreundliche Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten nicht nutzen zu wollen. Meine Fragen dazu:

Falls Sie nächstes Jahr erneut eine virtuelle Hauptversammlung durchführen, würden Sie dann auch die Möglichkeit anbieten, Fragen schon vorab schriftlich einreichen zu können und die Antworten dazu auch für alle transparent zu machen? So kann das Frage- und Informationsrecht aller Aktionär*innen besser umgesetzt und zudem die Diskussion in der Hauptversammlung auf wichtige Punkte und Nachfragen fokussiert werden. In keinem Fall sollen schriftliche Fragen selbstverständlich das Fragen in der Hauptversammlung und den Austausch mit Ihnen ersetzen.

Planen Sie, die Möglichkeit einer hybriden Hauptversammlung zu prüfen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

Haben Sie schon Präferenzen und Pläne, ob die nächste Hauptversammlung rein virtuell oder wieder in Präsenz stattfinden soll? Nach welchen Kriterien werden Sie entscheiden?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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