Gravierende Ausnahmen bei Ausschluss fossiler Projekte, fehlende Transparenz bei Menschenrechten: Unsere Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Vorstand der Talanx AG kommt weiterhin nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Schutz von Klima und Menschenrechten umzusetzen.

Versicherung von US-LNG Terminals Cameron LNG und Gulf LNG

In dem Bericht „Risk Exposure: The Insurers Secretly Backing the Methane Gas Boom[1] von Februar 2024 ermittelten Rainforest Action Network (RAN) und Public Citizen 35 Versicherer (Sach- und Haftpflichtversicherungen) von sieben existierenden, im Bau befindlichen sowie für eine Erweiterung vorgesehenen LNG-Terminals in den USA. Die dabei veröffentlichten Versicherungszertifikate belegen, dass Talanx über die Tochtergesellschaften HDI Global Specialty und HDI Specialty Insurance an der Versicherung der Terminals Cameron LNG in Louisiana und Gulf LNG im Bundestaat Mississippi beteiligt war. Für beide sind Erweiterungen geplant.

Flüssiggas aus den USA ist quasi gleichbedeutend mit Fracking, was eine besonders umweltschädliche Fördermethode darstellt. Zudem befinden sich viele der in Betrieb befindlichen und geplanten Terminals wie auch das Cameron LNG-Terminal in Gemeinden, in denen Indigene, Schwarze oder People of Color leben, wodurch ein langjähriges Erbe des Umweltrassismus an der US-Golfküste fortgeschrieben wird. Zusammen mit petrochemischen Anlagen verschlechtern die LNG-Terminals die Luftqualität in diesen Regionen und steigern so das Risiko für Asthma, Herzkreislauferkrankungen oder bestimmte Krebsarten. Entlang der US-Golfküste, wo bis zu 20 neue Projekte geplant sind, organisieren sich die Betroffenen und leisten Widerstand gegen die Pläne. Präsident Biden hat auf die Proteste und Klimaprobleme von Fracking sowie LNG reagiert und im Januar ein Moratorium für neue LNG-Exportgenehmigungen verhängt.

Ausschlüsse von Öl und Gas für neue Gasinfrastruktur erweitern

Talanx hat im vergangenen Jahr die Versicherung neuer Öl- und Gasfelder ausgeschlossen, was sehr positiv ist. Das Beispiel der Versicherung von Cameron LNG und Gulf LNG macht jedoch das Problem deutlich, dass Ausschlüsse von Gasinfrastruktur in der neuen Richtlinie fehlen. Dabei legt der Bau neuer Gasinfrastruktur wie die genannten LNG-Terminals die jahrzehntelange weitere Nutzung fossiler Energiequellen fest und kann durch erhöhte Nachfrage zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder führen, was nicht mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbar ist. Deshalb muss Talanx seine Öl- und Gasrichtlinie auf neue Gasinfrastruktur ausweiten. Ebenso muss Talanx sich von den möglichen Ausnahmen trennen, nach denen in Ländern mit hohem Kohleanteil am Energiemix weiterhin neue Gasfelder versichert werden können.

Kohleausstieg 2038 zu spät und gravierende Ausnahmen bei Ausschluss von Kohleprojekten

Talanx schließt neue Kohlekraftwerke und -minen sowie Hafen- und Schienenbetriebe, die ausschließlich der Kohleindustrie dienen, von der Versicherung von Investitionen aus. Für die Projektversicherungen sind jedoch Ausnahmen für Länder mit einem hohen Kohleanteil am Energiemix und begrenztem Zugang zu Erneuerbaren Energien weiterhin möglich. Diese Ausnahmeregel muss dringend aufgehoben werden.

Beim Kohleausschluss arbeitet Talanx daran, bis 2038 keine Kohlekraftwerke und -minen sowie Kohleinfrastruktur mehr im Versicherungsbestand zu haben und sich bei Kapitalanlagen vollständig aus Kohleunternehmen zurück zu ziehen. Das Datum 2038 wird jedoch der Klimawissenschaft nicht gerecht, die einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 in der EU und OECD-Ländern und bis 2040 für den Rest der Welt fordert. Zudem müssen Unternehmen, die neue Kohlekraftwerke und -minen planen, aus Klimasicht unbedingt von der Versicherung und von Investition ausgeschlossen werden, was bei Talanx bisher nicht der Fall ist.

Zu Tagesordnungspunkt 4: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2023

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Aufsichtsrat ist seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nicht hinreichend nachgekommen. Er hat es versäumt, auf mehr Transparenz bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten hinzuwirken.

Menschenrechte: Transparenz und Anerkennung internationaler Standards ausbaufähig, etwa bei den Rechten indigener Völker

Vor dem Hintergrund, dass sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vehement auf nationaler und europäischer Ebene gegen eine effektive, gesetzliche Regelung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Versicherungswirtschaft einsetzt, ist die Anerkennung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und damit von Sorgfaltspflichten entlang der eigenen Wertschöpfungsketten durch Talanx positiv zu bewerten.

Die Grundsatzerklärung der Talanx zur Achtung der Menschenrechte sollte allen vorgelegt werden, die meinen, der Finanzsektor bräuchte im Gegensatz zur Industrie keine einheitlichen Regeln. Talanx stellt dort eindeutig fest, Menschenrechte auch in der Kapitalanlage und im Versicherungsgeschäft zu beachten.

Talanx legt aber leider nicht transparent dar, welche allgemeinen menschenrechtlichen Risiken identifiziert worden sind, weder im Geschäftsbericht noch im letzten Nachhaltigkeitsbericht 2022. Ein aktualisierter Nachhaltigkeitsbericht für 2023 ist bis zur Frist zur Einreichung von Gegenanträgen nicht rechtzeitig veröffentlicht worden. Hier sollte Talanx ohnehin zu einer einheitlichen Berichterstattung in einem einheitlichen Geschäftsbericht übergehen, damit die Ergebnisse und Maßnahmen des Vorstands auch rechtzeitig bis zur Hauptversammlung bewertet werden können.

So bleibt völlig unklar, ob und falls ja, welche konkreten umwelt- oder menschenrechtlichen Missstände im Investment- oder Versicherungsgeschäft identifiziert worden sind, ob etwa Geschäfte genauer geprüft und ggf. sogar abgelehnt werden mussten. Dies ist wichtig, um nachvollziehen zu können, ob und wie Talanx die Auswirkungen und die Wirksamkeit der eigenen Maßnahmen zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bewertet und welche Schlussfolgerungen daraus für zukünftige Maßnahmen gezogen werden.

Talanx sollte zudem internationale Menschenrechtskonventionen explizit anerkennen, etwa die ILO-Konvention 169 und UN-Deklaration der Rechte indigener Völker mit deren Konsultations- und Zustimmungsrechten.


[1] https://www.citizen.org/news/risk-exposure-the-insurers-backing-the-lng-boom/

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