Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.
Begründung:
Missachtung der UN-Vorgaben bei menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten
Thyssenkrupp erfüllt weiterhin nicht die Mindeststandards der Vereinten Nationen in Bezug auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Thyssenkrupp belegt nicht ausreichend, ob und wie die Menschenrechtsrisiken der eigenen Lieferketten identifiziert, bewertet und minimiert werden.
Seit Jahren kritisieren wir diesen Missstand und veranschaulichen den Handlungsbedarf anhand von Fallbeispielen. Nun ist auch in einer aktuellen Studie des Business & Human Rights Resource Centre und der ZHAW School of Management and Law belegt, dass Thyssenkrupp grundlegende Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten nicht voll erfüllt. Die Ergebnisse der Studie sind hier zusammengefasst: https://www.business-humanrights.org/de/kurzbewertung-deutscher-unternehmen
Zwar müssen Lieferanten von Thyssenkrupp in einem Supplier Code of Conduct (SCoC) unterschreiben, etliche Grundsätze in Bezug auf Menschenrechte einzuhalten. Jedoch hält sich Thyssenkrupp hier nicht alle UN-Standards: Zulieferfirmen müssen weder die ILO-Konventionen in Bezug auf Arbeitszeiten, Gesundheit und Sicherheit von Beschäftigten noch über ein eigenes Beschwerdesystem für Beschäftigte und Interessengruppen verfügen. Eigene Beratungen und Rücksprachen mit betroffenen Interessensgruppen und Menschenrechtsexpert*innen finden nicht systematisch statt und werden nicht ausreichend dokumentiert. Effektivität und möglichen Änderungen der eigenen Maßnahmen zur Verhinderung und Prävention von Menschenrechtsverletzungen werden nicht hinreichend geprüft und evaluiert.
Katastrophen in Brasilien und Mexiko als Mahnung: Audits sind keine Lösung
Thyssenkrupp lässt Zulieferer durch kommerzielle, externe Audits überprüfen. Doch diese sind intransparent, garantieren nicht die UN-Standards und liefern auch unzuverlässige Ergebnisse.
So hat Thyssenkrupp den brasilianischen Bergbaukonzern Vale im Jahr 2016 zweimal mithilfe von Audits überprüfen lassen. Da das Audit keine Beanstandungen erkannte, kaufte auch Thyssenkrupp weiter Eisenerz von Vale ein, 2018 noch 11 Mio. Tonnen.
Am 25.1.2019 brach bei Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais ein Abraumdamm von Vale, obwohl dem Damm vom TÜV-Süd noch im Jahr zuvor physische und hydraulische Sicherheit attestiert worden war. Die giftige Bergbauschlamm-Lawine kostete über 200 Menschen das Leben.
2017 ließ Thyssenkrupp den mexikanischen Erzzulieferer Molymex überprüfen, mit tadellosen Ergebnissen. Es ist aber unklar, was und wie geprüft wurde. Dabei gibt es auch hier genügend Hinweise, dass die Sicherheit von Dämmen dringend besser gewährleistet werden muss, will Thyssenkrupp seine Menschenrechtsrisiken ernsthaft minimieren. Am 6.8.2014 brach der Damm eines Rückhaltebeckens der Mine Buena Vista del Cobre des Bergbaukonzerns Grupo México im Bundesstaat Sonora, aus der auch Molimex Erze für Thyssenkrupp bezieht. Der giftige Schlamm von 40.000 Kubikmeter Kupfersulfat ergoss sich in zwei Flüsse, sieben Gemeinden mit 20.048 Bewohner*innen verloren den Zugang zu sauberem Wasser, 322 Brunnen mussten geschlossen werden. Grupo México hatte aus Kostengründen nie ein erforderliches Notfallbecken eingerichtet.
Kommerzielle Audits können keine eigene Risikoanalyse von Thyssenkrupp ersetzen, wenn derart UN-Standards missachtet werden und Methoden wie Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich sind.
Wenig ambitionierter Klimaschutz: Keine Maßnahmen für das 1,5-Grad-Ziel
Die Ziele von Thyssenkrupp, bis 2050 klimaneutral zu werden, stehen nicht im Einklang mit dem Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Grundsätzlich sind die Klimaziele von Thyssenkrupp begrüßenswert, denn diese wurden von der Science Based Targets initiative (SBTi) als wissenschaftsbasiert anerkannt. Jedoch wurde hier nur bestätigt, dass die Ziele für die Treibhausgasemissionen aus dem operativen Geschäft (Scope 1 und 2) im Einklang mit dem Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens bewegt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen – nicht aber mit dem eigentlich erstrebenswerten Ziel einer Begrenzung auf maximal 1,5 Grad. Nur diese Begrenzung würde die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern. Diese Risiken, die von zukünftigen Generationen und vor allem von den Menschen und Ökosystemen im Globalen Süden ertragen werden müssen, nimmt Thyssenkrupp in Kauf. Andere Unternehmen gehen nun deutlich ambitioniertere, wissenschaftsbasierte Maßnahmen an, die im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel stehen.
Immerhin gibt sich Thyssenkrupp auch ein Ziel für die Emissionen aus der Anwendung der Produkte und Technologien durch den Kunden (Scope 3). Doch auch hier sind 16 Prozent weniger als 2017 alles andere als ambitioniert. Um das 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können, muss Thyssenkrupp hier mehr Druck auf Zulieferer und Kunden ausüben – nur so kann der globale Einfluss für das Klima genutzt werden.
Zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats
Den Mitgliedern des Aufsichtsrats wird die Entlastung verweigert.
Begründung:
Rüstungsexporte in Konflikt- und Kriegsgebiete
Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, den Vorstand anzuweisen und effektiv zu kontrollieren, einen Beitrag zu der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals (SDGs), zu leisten. Konkret stehen etliche Geschäfte von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) dem Ziel Nr. 16, die Förderung friedlicher Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung, entgegen.
Die für Korruptionsrisiken und potentielle Reputationsschäden bekannte Marinesparte exportiert weiter in Konflikt- und Kriegsgebiete, in denen sich die Lage in den letzten Jahren immer mehr zuspitzt. Hier kennt die Konzernführung weiterhin keine Skrupel, auch autoritäre Regime aufzurüsten und durch Technologietransfers dabei zu unterstützen, eigene Rüstungsindustrien aufzubauen. Aktuell stehen v.a. U-Boote, Korvetten oder Fregatten für die Türkei und Ägypten in den Auftragsbüchern des Konzerns.
Thyssenkrupp rüstet aggressive Türkei auf
Die Türkei steht wegen der zunehmend autoritären Politik ihres Präsidenten Erdoğan sowie wegen des völkerrechtswidrigen Einmarsches in Syrien Anfang 2018 und im Herbst 2019 massiv in der öffentlichen Kritik. Hinzu kommt, dass die Türkei gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land und in Syrien mit Gewalt vorgeht und dabei mit islamistischen Terrorgruppen im Norden Syriens kooperiert. Mittlerweile versucht die Türkei nicht nur in Syrien, sondern auch in Libyen ihren Einfluss auszubauen. Seit Jahren verletzt die Türkei mit illegalen Waffenexporten das UN-Waffenembargo für Libyen und ist inzwischen mit eigenen Truppen vor Ort. Dadurch wird der Konflikt internationalisiert, wodurch eine friedliche Lösung des langjährigen Konflikts in weite Ferne rückt.
Aktuelle Zahlen zu Rüstungsexporten in die Türkei zeigen, dass die deutschen Marineexporte in dieses Land 2019 trotz dieser besorgniserregenden Entwicklungen massiv zugenommen haben und somit auf dem höchsten Stand seit 14 Jahren sind. Seit Jahrzehnten zählt die Türkei zu den Stammkunden von Thyssenkrupp: Aktuell baut der Konzern gemeinsam mit türkischen Unternehmen sechs U-Boote des Typs 214 in deutscher Lizenz und mit Hilfe aus Deutschland gelieferter Materialpakete. Thyssenkrupp unterstützt damit in unverantwortlicher Weise die Bestrebungen der autoritär regierten Türkei nach rüstungstechnischer Autonomie und größtmöglichem Technologietransfer. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Einsatz der U-Boote vor der Küste Zyperns naheliegend ist, wo die Türkei illegale Erdgaserkundungen durchführt, und sich somit die U-Boote für die Implementierung der aggressiven Außenpolitik Erdoğans eignen, hält Thyssenkrupp weiter an der Kooperation mit der Türkei fest.
Trotz Jemenkrieg: Kriegsschiff-Lieferungen an Ägypten
Politische und menschenrechtliche Sorgfaltspflicht lässt der Konzern ferner bei seinen Bestrebungen vermissen, die Rüstungskooperation mit Ägypten weiter auszubauen. Obwohl bereits die Lieferung von zwei U-Booten in den letzten Jahren massiv in der Kritik stand und derzeit zwei weitere U-Boote für Ägypten im Bau sind, ist der Konzern offenbar einen neuen Vertrag für den Bau vier neuer Fregatten des Typs Meko 200 eingegangen. Thyssenkrupp hat sich dafür eine erste Genehmigung der Bundesregierung erteilen lassen. Seit dem Militärputsch 2013 regiert Präsident Al-Sisi das Land mit eiserner Hand und geht harsch gegen jede Art von Opposition vor. Aktuell steht Ägypten auf Rang 163 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Darüber hinaus beteiligt sich Ägypten an der von Saudi-Arabien angeführten Koalition, die einen brutalen Krieg im Jemen führt. So beteiligte sich die ägyptische Marine z.B. an der Seeblockade gegen den Jemen, welche die dortige Bevölkerung teilweise von dringend benötigter Nahrungsmittelzufuhr abschneidet. Die UNO bezeichnet den Krieg im Jemen als „größte humanitäre Katastrophe der Welt“. Auch in Libyen unterstützt Ägypten gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien den Warlord Haftar, dem viele Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Keine Scheu vor Aufträgen aus Brasilien
Der brasilianische Flugzeugbauer und Rüstungskonzern Embraer beauftragte Thyssenkrupp 2019 mit dem Bau von vier Korvetten, die zwischen 2024 und 2028 ausgeliefert werden sollen. Damit gelingt es Thyssenkrupp nicht, sich vom neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zu distanzieren. Dieser macht vor allem mit rassistischen Bemerkungen auf sich aufmerksam und verteidigt die Militärdiktatur in Brasilien von 1964 bis 1985. Mit der Wahl Bolsonaros droht Brasilien zunehmend autoritär regiert zu werden. Angesichts der Tatsache, dass Bolsonaro politisch völlig unberechenbar auftritt, ist es unverantwortlich, Brasilien mit modernen Fregatten aufzurüsten. TKMS sollte sich Beispiel am Rüstungsunternehmen Heckler & Koch nehmen, welches die Konsequenz gezogen hat, derzeit keine Aufträge aus Brasilien anzunehmen.