Rede von Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre auf der Hauptversammlung der Thyssenkrupp AG am 2. Februar 2024
Sehr geehrte Konzernverantwortliche von Thyssenkrupp, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!
Mein Name ist Markus Dufner, ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Der Dachverband hat 29 Mitgliedsorganisationen. Er versteht sich als Stimmer der Zivilgesellschaft und vertritt auf der heutigen Hauptversammlung rund 19.000 Aktien zahlreicher Kleinaktionärinnen und -aktionäre.
Warum halten wir in diesem Jahr die Ausschüttung einer Dividende für unfair?
Thyssenkrupp erhält für die Umstellung der Produktion auf grünen Stahl Fördermittel der Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von zwei Milliarden €. Und da muss ich den Konzernverantwortlichen von Thyssenkrupp ganz klar sagen: Wer Staatshilfen erhält, die sich aus Steuergeldern speisen, sollte nicht gleichzeitig eine Dividende von 93 Millionen Euro ausschütten.
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, angesichts der großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht und bei den akuten Problemen im Bundeshaushalt kann die Thyssenkrupp AG von Glück reden, dass die staatliche Förderung bereits zugesagt wurde. Angesichts dieser Unterstützung durch uns Steuerzahler*innen sollte Thyssenkrupp sich konsolidieren und in langfristige Transformationsprojekte und – ganz wichtig – in den Erhalt von guten Arbeitsplätzen investieren.
Meine Damen und Herren,
selbst ein Dachverband, wurden wir Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre 2023 Mitglied eines viel größeren Dachverbands: der Klima-Allianz Deutschland. Die Klima-Allianz ist das breite gesellschaftliche Bündnis für den Klimaschutz. Mit rund 150 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Gesundheit, Verbraucherschutz, Jugend, Soziales und Gewerkschaften setzt sie sich für eine ambitionierte und sozial gerechte Klimapolitik auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ein.
Sehr geehrte Konzernverantwortliche, vielleicht haben Sie es in ihren klimatisierten Büros noch nicht mitbekommen: Die Klimakrise ist auch bei uns angekommen. 1.500 Hitzetote allein in Deutschland und verheerende Brände, Überschwemmungen und Stürme weltweit. Der Klimaschutz duldet kein Zögern mehr. Für eine ambitionierte und sozial gerechte Klimapolitik brauchen wir Unternehmen, die sich ambitionierte Ziele für den Klimaschutz setzen.
Aber Thyssenkrupp will erst 2050 klimaneutral sein. Das ist nicht besonders ambitioniert.
Herr López*, was meinten Sie vorhin in ihrer Rede mit der Aussage: „Die größten Klimaaktivisten sind wir.“? Tatsächlich haben doch im Geschäftsjahr 2022/2023 die Treibhausgasemissionen von Thyssenkrupp um zwei Mio. Tonnen gegenüber dem Vorjahrszeitraum zugenommen und belaufen sich jetzt auf knapp 24 Mio. Tonnen (Scope 1 und 2). Nachdem Thyssenkrupp im vorigen Geschäftsjahr einen Schritt nach vorn gemacht hatte, macht der Konzern jetzt zwei Schritte zurück. So ist schwer nachvollziehbar, wie Thyssenkrupp sein Versprechen einlösen will, sein wenig ambitioniertes Klimaziel zu erreichen.
Leider noch etwas, worauf auch wir Aktionärinnen und Aktionäre von Thyssenkrupp nicht stolz sein können: Unser Unternehmen steht an der Spitze der „Dirty Thirty“, der Schmutzigen Dreißig“ in Deutschland. Das fand eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des WWF heraus. Allein das Hüttenwerk in Duisburg hat im Jahr 2022 7,9 Mio. Tonnen CO₂ emittiert, mehr als jede andere Industrieanlage in Deutschland. Zusammen mit den dazugehörigen Heizkraftwerken und Kokereien ist der Duisburger Standort von Thyssenkrupp sogar für 16 Mio. Tonnen jährlicher CO₂-Emissionen verantwortlich – mehr als etwa der Staat Litauen.
Meine Fragen zu Klimaschutz, Kohleausstiegsplan und Lieferketten:
Im Geschäftsbericht fehlen erneut Zahlen zu der Entwicklung der klimaschädlichen Emissionen Ihrer Wertschöpfungskette (Scope 3). Wann werden Sie endlich vollständige Daten auch zu Scope 3 auch in ihrem Geschäftsberichten darstellen?
Scope-3-Emissionen wollen Sie nur bis 2030 nur geringfügig reduzieren. Wie wollen Sie hier eine Reduktion Richtung Null nach 2030 erreichen? Mit welchen Maßnahmen?
Können Sie hier nennen, in welchen Schritten und mit welchen Zwischenzielen Sie aus der Kohlenutzung aussteigen werden?
Aus welchen Ländern und von welchen Unternehmen haben Sie Sie in den letzten drei Geschäftsjahren Kohle und Eisenerz in welchem Umfang bezogen?
Fordern Sie von Ihren Kohlelieferanten sozialverträgliche Kohleausstiegspläne ein? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit wem genau sind Sie Kontakt mit welchen Forderungen?
Herr Russwurm, Sie sind auch Präsident des BDI. Ihr Verband hat vehement versucht, das Lieferkettengesetz abzuschwächen. Der BDI tut dies auch jetzt beim geplanten EU-Lieferkettengesetz. Es geht Ihnen vor allem darum, die Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer zu beschränken.
Herr Russwurm, Sie sind auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Ihr Verband hat vehement versucht, das Lieferkettengesetz abzuschwächen. Der BDI tut dies auch jetzt beim geplanten EU-Lieferkettengesetz. Es geht Ihnen vor allem darum, die Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer zu beschränken.
Es folgen 13 Fragen hierzu der Fondazione Finanza Etica aus Italien, die bereits vor der Hauptversammlung an Thyssenkrupp geschickt hatte.
Sehr geehrte Konzernverantwortliche, ich hoffe wirklich, dass dieses Unternehmen mit den staatlichen Fördermilliarden bald die Trendwende schafft. Am Standort Duisburg entsteht eine Direktreduktionsanlage zur Herstellung von „grünem“ Stahl, die 2026 fertig sein soll. Die Anlage soll mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff betrieben werden und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Stahlerzeugung deutlich verringern. Einen Teil des grünen Wasserstoffs wird mit der Technologie des Tochterunternehmens Thyssenkrupp Nucera erzeugt werden können. Aber mein Vorredner, Herr Kirsch, hat ja einige Probleme des Produktion und des Transports von Wasserstoff angesprochen.
Einen Großteil des teuren Wasserstoffs wird Thyssenkrupp jedoch zukaufen müssen – möglicherweise aus autoritären Staaten und Ländern des Globalen Südens. Solange konkrete und effektive sozial-ökologische Standards beim Wasserstoff-Bezug nicht sichergestellt werden, ist zu befürchten, dass einerseits neue Abhängigkeiten und andererseits ein grüner Rohstoff-Kolonialismus entstehen. Mein Kollege Christian Russau wird in seiner Rede noch auf das brasilianische Unternehmen Unigel eingehen. Unigel und Thyssenkrupp Nucera haben eine Vereinbarung zur Erhöhung der Produktionskapazität für grünen Wasserstoff getroffen.
Intransparente Rüstungsexporte
Seit Jahren steht die Rüstungssparte in der Kritik, nicht zuletzt wegen der Lieferung ihrer U-Boote, Fregatten und Korvetten an Länder wie u.a. Ägypten oder Indien, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden und/oder die in völkerrechtsverletzende Kriegshandlungen verwickelt sind. TKMS rechtfertigt derartige, höchst problematische Lieferungen mit dem lapidaren Verweis auf vorliegende Exportgenehmigungen seitens der Bundesregierung. Der Konzern negiert somit eigene menschenrechtliche Sorgfaltspflichten.
Meine Fragen hierzu:
Warum starb der Leiharbeiter Refat Süleyman?
Mit Stolipinovo in Europa e.V. fordern wir ThyssenKrupp auf, den Angehörigen von Refat Süleyman Gehör zu schenken. Der Leiharbeiter starb am 14. Oktober 2022 unter immer noch nicht geklärten Umständen auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Steel Europe in Duisburg. Polizeiermittlungen zufolge soll das Fehlen eines Geländers im Schlammbecken, in dem Süleyman offenbar erstickte, eine „eklatante Verletzung gegen Arbeitssicherheitsvorschriften“ darstellen.
*) Miguel Ángel López Borrego, seit 1. Juni 2023 Vorsitzender des Vorstands der Thyssenkrupp AG