Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG,
werte Aktionäre und Aktionärinnen,
mein Name ist Barbara Happe und ich spreche hier heute für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und für die Menschenrechtsorganisation urgewald.
Im Rüstungsbereich läuft es wieder besser bei Thyssenkrupp Marine Systems. Steigende Ausgaben für Rüstung, gerade in den Krisenregionen der Welt, lassen TKMS auch für die nähere Zukunft auf lukrative Aufträge hoffen.
Im Geschäftsbericht geben Sie aber zumindest zu, dass diese Strategie, auf Export und Wachstumsregionen wie den Nahen Osten oder die Türkei zu setzen, durchaus Risiken in sich birgt.
Risiken, dass Projekte sich verzögern oder gar ganz storniert werden müssen und Profite dann ausbleiben.
Von möglichen Sicherheitsrisiken sprechen Sie hingegen nicht: davon, dass eine Aufrüstung von Pulverfässern wie dem Nahen Osten wohl kaum friedensstiftend wirkt oder davon, dass eine Aufrüstung von Despoten und Autokraten nur neue tickende Zeitbomben schafft und neues menschliches Elend hervorruft.
BEISPIEL ÄGYPTEN
Im Sommer hatte TKMS der ägyptischen Marine das zweite von insgesamt vier bestellten U-Booten übergeben. Damit rüstet der Konzern das von einer Militärregierung mit harter Hand geführte Land weiter auf – ungeachtet des anhaltenden Abbaus rechtsstaatlicher Verfahren und Zehntausender politischer Gefangener.
Zudem beteiligt sich Ägypten an dem von Saudi-Arabien brutal geführten Krieg im Jemen. Die ägyptische Marine ist mitverantwortlich für die Seeblockade gegen das Land. Die von Seuchen und Hunger geplagte Bevölkerung wird dadurch zeitweise von Nahrungsmittellieferungen abgeschnitten.
Herr Hiesinger, Sie kümmert das alles wenig. Sie halten an dem Kuschelkurs mit den Despoten dieser Welt weiter fest. Ihre Entschuldigung: na, wir haben doch eine Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung dafür bekommen, also ist doch alles paletti, greift nicht.
Lesen Sie keine Zeitung? Haben Sie noch nichts von den verheerenden Folgen der Seeblockade für die jeminitische Bevölkerung gehört? Rüstungsgüter für Despoten sind sicherlich keine der von Ihnen im Geschäftsbericht angestrebten nachhaltigen Zukunftsprojekte!!!
Schieben Sie die Verantwortung nicht einfach auf die Bundesregierung ab und rüsten somit die Krisenherde dieser Welt immer weiter auf. Selbst die Bundesregierung sieht derartige Geschäfte zunehmend kritisch.
In ihrem Sondierungsergebnis sprechen sich Union UND SPD nämlich dafür aus, „ab sofort keine Ausfuhren an Länder (zu) genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Nehmen Sie dies zum Anlass, um eine Kurskorrektur ihrer Ägypten-Kooperation einzuleiten!
Frage: Welche konkreten Konsequenzen hätte ein solcher konkreter Kurswechsel der Bundespolitik auf ihre Geschäfte mit Ägypten und den anderen Mitgliedern der Golfallianz? Wahrscheinlich würden Sie weich fallen, weil Ihre Geschäfte mit Hermesbürgschaften abgesichert sind und ggf. die Steuerzahler/innen einspringen würde, oder?
Ägypten ist kein Einzelfall, liebe Aktionäre und Aktionärinnen.
BEISPIEL TÜRKEI
Im Mai 2017 hat Ihr Konzern eine Absichtserklärung mit dem staatlich-kontrollierten türkischen Konzern STM unterzeichnet. Das Ziel: Die gemeinsame Bewerbung um einen Auftrag zum Bau von drei U-Booten für Indonesien. Die türkische Regierung will sich so unabhängiger von Waffenimporten machen und ins Exportgeschäft für den Wachstumsmarkt Südostasien einsteigen.
Bravo! Erdogan beim Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie unterstützen!!!!
Und das im Mai 2017: somit zu einem Zeitpunkt, nach dem Referendum, als auch die Bundesregierung aufgrund der prekären Menschenrechtslage und des Abbaus rechtsstaatlicher Strukturen in der Türkei zunehmend auf Distanz zu Erdogan gegangen ist und zahlreiche Rüstungsprojekte eingefroren hat.
Sie setzen trotzdem weiter unbeirrt auf Zusammenarbeit.
Meine Fragen hierzu:
Inwieweit sehen Sie hier ein Reputationsrisiko für ihren Konzern?
Inwieweit haben Sie die Bundesregierung im Vorfeld über die Absichten dieser Kooperation informiert? lnwiefern hat die Bundesregierung in Gesprächen implizit oder explizit signalisiert, dass sie eine solche Beteiligung ablehnt, billigt oder unterstützt?
Wie ist der aktuelle Stand der Ausschreibungen mit Indonesien? Wann kann ggf. mit Entscheidungen gerechnet werden?
Inwieweit liegen aktuell Zulieferungsanträge für TK- Exporte in Richtung Türkei auf Eis? Welche Art von Anfragen sind betroffen in welchem Umfang?
Mich würde zudem interessieren, wie oft welche Vertreter der Bundesregierung mit welchen Vertretern von ThyssenKrupp in den letzten drei Geschäftsjahren über rüstungsspezifische Fragestellungen gesprochen haben und über welche Projekte dabei konkret gesprochen wurde? (Rheinmetall hat diese Frage auf der letzten HV ausführlich beantwortet. Gerne können Sie uns das auch schriftlich nachreichen.)
Und dann noch ein paar Fragen zum Thema Korruption, wie eigentlich jedes Jahr.
Für Negativschlagzeilen sorgt der Rüstungsdeal, den Thyssenkrupp Marine Systems und die israelische Regierung im letzten Jahr vereinbart haben. Wieder einmal geht es um Schmiergeldzahlungen und den Einsatz dubioser Berater vor Ort beim Verkauf von U-Booten. Konkret soll der TKMS-Vertreter in Israel, Miki Ganor, hochrangige Regierungsbeamte bestochen haben, um den Auftrag zum Bau von drei U-Booten für TKMS zu sichern. Im Juli wurde er festgenommen und tritt in dem Verfahren nun als Kronzeuge auf. Dabei hat er bereits bestätigt, dass Fake-Beraterverträge geschlossen wurden, um auf diese Weise Bestechungsgeld fließen zu lassen.
FRAGEN: Im Haftbefehl gegen den früheren TK-Vertriebspartner in Israel vom letzten Sommer heißt es, dass Miki Ganor seine Stellung als Repräsentant von Thyssenkrupp nur durch „unrechtmäßige Intervention von hochrangigen Beamten erlangt“ habe. Inwieweit deckt sich dies mit ihren hausinternen Einschätzungen?
Ist es in der Tat so, dass TK die Vertriebspartner von den Kunden „angetragen“, wenn nicht „aufgezwungen“ werden? Wenn dem nicht so ist, warum haben sie jahrzehntelang an der Kooperation mit Ganor festgehalten?
Ferner heißt es im Haftbefehl, dass Ganor „über Jahre führende Regierungsbeamte bestochen“ habe. Wie kann es sein, dass Sie davon nie etwas mitbekommen haben, da TKMS-Vertreter ja auch regelmäßig vor Ort in Israel waren?
Sie verteidigen sich damit, dass Ganor schließlich kein TK-Mitarbeiter sei, aber mal ehrlich: Überprüfen Sie Personen, mit denen sie jahrzehntelang zusammenarbeiten, nicht regelmäßig auf ihre Glaubwürdigkeit? Wenn doch regelmäßige Überprüfungen stattfinden, in welcher Form?
Welche Konsequenzen für ihre internen Korruptionsrichtlinien ziehen Sie generell aus diesem Skandal?
Herrn Hiesinger, werte Vorstandsmitglieder und Aktionäre und Aktionärinnen,
TKMS will sich als ganzheitlicher Systemanbieter für Unter- und Überwasserschiffe neu aufstellen. Wenn „ganzheitlich“, dann aber bitte auch wirklich ganzheitlich und auch unter Berücksichtigung von Menschenrechten und mit einem klaren Nein zum Schmusekurs mit den Despoten dieser Welt!!!! Am sinnvollsten wäre es allerdings, sich ganz aus diesen „dreckigen“ Geschäften zu verabschieden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!