Thyssenkrupp: ein Schritt vor – zwei Schritte zurück

  • Staatliche Förderung und Dividenden-Ausschüttung
  • Ernüchternde Klimabilanz
  • Grüner Wasserstoff: Menschenrechte achten
  • Intransparente Rüstungsexporte
  • Freitag, 8:30 Uhr, RuhrCongress: Protest wegen Tod eines Leiharbeiters und schlechten Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen

Auf der Hauptversammlung der Thyssenkrupp AG am Freitag in Bochum beantragt der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns nicht zu entlasten. Thyssenkrupp erhält für die Umstellung der Produktion auf grünen Stahl Staatshilfen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von zwei Milliarden €. „Die Beanspruchung von Staatshilfen, die sich aus Steuergeldern speisen, ist für uns nicht vereinbar mit der gleichzeitigen Ausschüttung einer Dividende“, erklärt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Im Geschäftsjahr 2022/2023 haben die Treibhausgasemissionen von Thyssenkrupp um zwei Mio. Tonnen gegenüber dem Vorjahrszeitraum zugenommen und belaufen sich jetzt auf knapp 24 Mio. Tonnen (Scope 1 und 2). „Nachdem Thyssenkrupp im vorigen Geschäftsjahr einen Schritt nach vorn gemacht hatte, macht der Konzern jetzt zwei Schritte zurück“, kritisiert Dufner. „So ist schwer nachvollziehbar, wie Thyssenkrupp sein Versprechen einlösen will, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein.“

Grüner Wasserstoff in Brasilien darf nicht durch grünen Strom mit roten Blutstropfen aus Menschenrechtsverletzungen hergestellt werden!
Das brasilianische Unternehmen Unigel und die Thyssenkrupp-Tochtergesellschaft Nucera haben eine Vereinbarung zum Bau einer neuen Mega-Anlage für grünen Wasserstoff in Bahia, Brasilien, getroffen. Die Unternehmenssorgfaltspflicht von ThyssenKrupp Nucera endet aber nicht mit der Fertigstellung der Anlage. „ThyssenKrupp Nucera muss in seiner Lieferkettenverantwortung sicherstellen, dass für den künftigen Betrieb solch einer Mega-Anlage zur Produktion von Wasserstoff  kein grüner Strom mit roten Blutstropfen aus Menschenrechtsverletzungen Verwendung findet“, fordert Christian Russau, Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Denn die Erfahrungen in Brasilien der letzten Jahre beim eigentlich positiv zu bewertendem Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft und Photovoltaik haben gezeigt, dass diese grünen Projekte – ebenso wie zuvor auch schon bei der Wasserkraft – sehr oft die Ländereien traditioneller Völker und Gemeinschaften oder von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern betreffen, die das Land historisch gemeinschaftlich und oft ohne ausgestellte Landtitel nutzen und davon leben. „So verschärfen sich teils schwere soziale Konflikte um Land weiter, die das Versprechen des künftig grünen Wasserstoffs sei es für den Inlandsverbrauch oder für den Export nach Deutschland als nachhaltige und sozial gerechte Lösung zutiefst infrage stellen“, kritisiert Russau.

Intransparente Rüstungsexporte: Umsetzung von Sorgfaltspflichten unklar
„Auf der Hauptversammlung vom letzten Jahr sagte uns ThyssenKrupp, dass die von der Bundesregierung durchgeführte Sorgfaltsprüfung als ausreichend bewertet wird. Die staatliche Sorgfaltspflicht bewertet aber die Handelsaktivitäten nur aus der Sicht der Außenpolitik eines Landes“, sagt Simone Siliani, Vorstand der italienischen Fondazione Finanza Etica, die zusammen mit dem Investoren Netzwerk Shareholders for Change ThyssenKrupp seit 2020 engagiert. „Das ist absolut unzureichend. Die vielgepriesene Nachhaltigkeitsstrategie von ThyssenKrupp passt gar nicht mit einer solch unambitionierten Waffenexportpolitik zusammen, die nicht mehr tut als das, was ein Nationalstaat verlangt.”

„Die Investoren brauchen auch mehr Klarheit über das Engagement von ThyssenKrupp bei automatischen Waffen und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz”, fordert Siliani. „Auf der Hauptversammlung vom letzten Jahr sagte ThyssenKrupp, dass der Konzern verschiedene Unter/Wasserfahrzeuge für die Aufspürung und Zerstörung von Seeminen entwickelt, die teilweise autonom ihre Aufträge erfüllen. Inwieweit sind solche Unter/Wasserfahrzeuge umfunktionierbar, sodass sie nicht nur autonom Sprengladungen an Seeminen anbringen, sondern auch an anderen Objekten/Wasserfahrzeugen? Diese Frage wurde von ThyssenKrupp nicht beantwortet“, so Silani.
„Das Gleiche gilt für die Produktion von Atomwaffensystemen. Sind die U-Boote von Thyssenkrupp bereits so hergerichtet, dass der Endkunde Atomsprengköpfe montieren kann, ohne dass neue Produktionsschritte hinzukommen? Auch diese Frage sollte von ThyssenKrupp beantwortet werden. Und ThyssenKrupp folgt anscheinend keine Richtlinien in diesem Zusammenhang”, verlangt Silani.

Protest vor der Hauptversammlung: Angehörige von Refat Süleyman fordern angemessenen Umgang mit Tod und Unfällen sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen 
Der Tod von Refat Süleyman auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Steel Europe am 14. Oktober 2022 ist immer noch nicht aufgeklärt. Die Angehörigen des 26-Jährigen türkischstämmigen Bulgaren warten weiterhin auf Gerechtigkeit und auf eine Reaktion seitens ThyssenKrupp Steel (TKS). Am Freitag protestieren sie ab 8:30 Uhr mit Unterstützung des Vereins Stolipinovo in Europa und des Dachverbands vor dem RuhrCongess in Bochum, Stadionring 20.

Gegenanträge zur Hauptversammlung 2024:
https://www.kritischeaktionaere.de/thyssenkrupp/ernuechternde-klimabilanz-ein-schritt-vor-zwei-schritte-zurueck/

Pressemitteilung von Stolipinovo in Europa e.V.
https://www.kritischeaktionaere.de/thyssenkrupp/angehoerige-von-refat-sueleyman-fordern-angemessenen-umgang-mit-tod-und-unfaellen-sowie-verbesserung-der-arbeitsbedingungen/

Kontakte:

Christian Russau, Vorstandsmitglied Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, christian.russau@fdcl.org
Markus Dufner, Geschäftsführer Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre
Tel. 0221 599 56 47, Mobil-Tel. 0173 713 52 37, dachverband@kritischeaktionaere.de
Philipp Lottholz, Vorstandsmitglied Stolipinovo in Europa e.V., https://stolipinovoeuropa.org/de/ philipp.lottholz@gmail.com
Fondazione Finanza Etica, https://finanzaetica.info/
Shareholders for Change, https://www.shareholdersforchange.eu/

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