„Dringender Handlungsbedarf, damit die Rettung Unipers nicht Risiken sozialisiert und Gewinne privatisiert“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Uniper deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.

Heute steht auf dieser außerordentlichen Hauptversammlung die von Ihnen vorgeschlagene Kapitalherabsetzung auf der Tagesordnung. Daher möchte ich gleich zu unserem Abstimmungsverhalten kommen: Wir werden uns bei allen Tagesordnungspunkten enthalten. Nicht etwa deshalb, weil wir Ihre Argumentation nicht nachvollziehen können – sondern deshalb, weil wir ernsthaft überlegt haben, Ihren Vorschlägen zuzustimmen. Doch um dies verantwortungsvoll gegenüber den Aktionär*innen, die uns ihre Stimmrechte übertragen und auch der Öffentlichkeit gut begründen zu können, fehlen uns die entscheidenden Informationen, in welchem Zeitrahmen und in welchen konkreten Schritten die Bundesregierung ihre Beteiligung bis spätestens 2028 reduzieren möchte.

Die Bundesregierung hatte sich im Rahmen der EU-Auflagen für die Staatshilfe dazu verpflichtet, dazu bis Ende 2023, also in drei Wochen, eine glaubwürdige Ausstiegsstrategie auszuarbeiten. Um der Kapitalherabsetzung zuzustimmen, würde ich vorher zumindest etwas genauer wissen, in welchem Umfang und bis wann genau die Staatsbeteiligung gestaltet werden wird. Dies würde helfen, einschätzen zu können, ob mögliche Dividenden in Zukunft an den Staat gezahlt werden könnten und somit zumindest ein Teil der Kosten der Rettung Unipers zurückgezahlt werden könnte. Herr Lewis hatte es ja deutlich gesagt: Es waren 13,5 Milliarden Euro, mit denen Uniper gerettet wurde. Aktuell fehlen 17 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt 2024.

Die aktuellen Diskussionen um Sparmaßnahmen zeigen, dass nun ganz konkrete Maßnahmen für die dringend nötige Transformation der deutschen Wirtschaft und die Energiewende gefährdet sind. Es besteht aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass die Rettung Unipers am Ende nicht eine einzige Vergesellschaftung der Verluste und Risiken von Unipers Entscheidung, sich dermaßen von Gazprom abhängig gemacht zu haben. Es muss nun darum gehen, dass die aktuellen und in Zukunft möglichen Gewinne von Uniper nicht so schnell wie möglich wieder privatisiert werden. Doch genau dies ist ja das erklärte Ziel, und auch die vorgeschlagene Kapitalherabsetzung gehört dazu.

Von daher können wir heute der Kapitalherabsetzung nicht zustimmen, wir können diese Entscheidung nicht losgelöst von dem konkreten Plan zur Reduzierung der Staatsbeteiligung fällen. Denn wenn es nur darum geht, die Staatsbeteiligung so schnell wie möglich zu reduzieren, dann können auch mögliche zukünftige Dividenden nicht in vollem Umfang dem Staat zufließen. Und dies sollte schon beachtet werden, wenn es darum geht, dass der Bund möglichweise sogar mit einem Gewinn aus der krisenbedingten Uniper-Beteiligung herausgehen könnte. Ich betone dies hier, weil nun wirklich jeder zusätzliche Euro im Staatshaushalt auch in den kommenden Jahren dringend benötigt wird.

Mir ist natürlich bewusst, dass Sie, der Uniper-Vorstand, nicht dafür verantwortlich sind, wenn das Finanzministerium hierzu noch immer keine Pläne vorgelegt hat. Es bleiben nur noch drei Wochen Zeit. Ich möchte hier vor allem deutlich machen, dass es für uns entscheidend gewesen wäre, die Pläne des Bundes schon vor dieser Hauptversammlung zu wissen. Daher werden wir uns enthalten.  

Daher frage ich Sie, den Vorstand und auch den Aufsichtsrat:

  • Welche Informationen haben Sie, wann die Bundesregierung ihre Ausstiegsstrategie veröffentlichen wird, um ihre Beteiligung an Uniper bis spätestens Ende 2028 auf höchstens 25 Prozent plus einen Anteil zu verringern?
  • Haben Sie zumindest schon von den groben Plänen erfahren und können Sie uns diese mitteilen? Ich wiederhole: Diese Informationen sind für uns entscheidend für unser heutiges Abstimmungsverhalten.

Ja, die Kapitalherabsetzung mag „ein Baustein“ sein, „um Uniper fit für die Zukunft zu machen“, wie Sie, Herr Lewis, gesagt haben. Für uns gehören dazu noch viele weitere „Bausteine“ als konkrete Maßnahmen, sich nicht nur schnellstmöglich von fossilen Energieträgern zu lösen und vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen, sondern auch Verantwortung für die vergangenen, aktuellen und auch noch in naher Zukunft anfallenden Schäden an Umwelt, Klima und Gesellschaft entlang Ihrer Lieferketten zu übernehmen, die der auch weiterhin maßgeblich auf fossile Energien ausgerichtete Geschäftsbetrieb von Uniper verursacht. Ihre bisher dazu veröffentlichten Pläne sind uns viel zu vage. Erlauben Sie mir daher von ein paar kurze Kommentare und Fragen zu Ihrer Zukunftsstrategie und weiteren „Bausteinen“.

In vielen weiteren Bereichen und Plänen von Uniper sehen wir, dass die Schäden, Folgen und Risiken des fossilen Geschäftsmodells von Uniper vergesellschaftet werden. Unter Ihrem Bedarf an Steinkohle und den Folgen leiden weiterhin die vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden in Kolumbien oder Südafrika. Gerade in Bezug auf Kolumbien sehen wir eine besondere Verantwortung von Uniper, denn auch Steinkohle-Lieferungen aus Kolumbien haben es erst möglich gemacht, dass Uniper nicht mehr von aus Lieferungen aus Russland abhängig ist. Zu diesen und weiteren Themen werden wir auf der kommenden ordentlichen Hauptversammlung ausführliche Fragen stellen.

Datteln 4

Beim Thema Steinkohle muss ich hier heute aber auf Ihr Kohlekraftwerk Datteln 4 zu sprechen kommen. Das Kohlekraftwerk müssen Sie gemäß den Auflagen der Europäischen Kommission bis Ende 2026 verkaufen. Dies kommt Ihnen ja sehr gelegen, um Ihre Klimabilanz aufzubessern und einen früheren Kohleausstieg umsetzen zu können. Doch weder den Beschäftigten, den betroffenen Anwohner*innen noch dem Klima ist mit der aktuell unklaren Situation von Datteln 4 geholfen. Es ist ein hervorragendes Beispiel, wie Uniper sich hier aus der Verantwortung ziehen kann. Seit gestern wissen wir, dass der Rechtsstreit um den Bebauungsplan wieder vor dem OVG Münster verhandelt werden wird.

  • Wie schätzen Sie die Auswirkungen der gestrigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Datteln 4 auf den Verkaufsprozess ein?
  • Es dürfte nur wenige geben, die jetzt noch ein Kohlekraftwerk in Deutschland kaufen würden, wenn nicht satte Entschädigungszahlungen für einen früheren Kohleausstieg in Aussicht stehen, gepaart mit weiteren staatlichen Garantien, sollte ein Weiterbetrieb zur Sicherung der Energieversorgung nötig sein. Gibt es schon Interessierte, die Datteln 4 kaufen würden und wenn ja, welche?

Fossiles Gas und SOCAR

Sie haben Lieferverträge zu fossilem Gas mit SOCAR, dem staatlichen Unternehmen aus Aserbaidschan, das in Verbindung mit ernsthaften Korruptionsvorwürfen gebracht wird.

  • Kommt aktuell Gas von SOCAR nach Deutschland und an welche anderen Länder in Europa? Wenn ja, in welchem Umfang?

Standort LNG-Terminal Wilhelmshaven: Chloreinsatz

Aus den Medien haben wir gestern erfahren, dass das Rohrsystem des LNG-Terminals vor Wilhelmshaven weiterhin mit Chlor gereinigt werden soll. Ich hatte schon auf der letzten Hauptversammlung darauf hingewiesen, dass die Nutzung großer Mengen von Chlor als Biozid die Pflanzen- und Tierwelt im Nationalpark Wattenmeer massiv gefährdet. Anscheinend haben Sie ein bisher unveröffentlichtes „Minimierungskonzept“.

  • Können Sie bestätigen, dass Sie ab Januar 2024 testweise für zwölf Monate die Chlormenge reduzieren werden?
  • Das niedersächsische Umweltministerium drängt auf einen möglichst schnellen Umstieg auf ein chlorfreies Reinigungsverfahren, zumal auch staatliche Gelder dazu bereitstehen. Was sind Ihre Pläne dazu und enthält Ihr Konzept auch ein Testen von chlorfreien Reinigungsverfahren?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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