Wer übernimmt Verantwortung für das Russland-Debakel? Unsere Fragen zur außerordentlichen Hauptversammlung von Uniper

Unsere Mitglieds- und Partnerorganisationen haben angesichts der Staatsrettung und der bishergen, einseitigen Ausrichtung auf fossile Gaslieferungen aus Russland etliche Fragen an die Veranwortlichen bei Uniper:

Wer übernimmt Verantwortung für das Russland-Debakel: Fragen von urgewald

  • Uniper hat über viele Jahre die Abhängigkeit von russischem Gas vorangetrieben, trotz aller geopolitischen Warnungen Nord Stream 2 mitfinanziert und selbst am Vorabend des russischen Angriffskrieges die damit verbundenen Risiken für die russischen Gaslieferungen als gering eingestuft. Wie konnte eine für das Überleben des Unternehmens derart riskante Abhängigkeit von einem einzigen, noch dazu im Dienste eines autokratischen Staates stehenden Unternehmen wie Gazprom, über Jahre von allen Entscheidungsgremien abgesegnet werden?
  • Wird es im Zuge der Verstaatlichung eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Russland-Strategie von Uniper geben? Wird diese je nach Ergebnis auch personelle Konsequenzen im Management haben? 
  • Auf der Uniper-Webseite steht, dass Menschenrechtsverletzungen für Uniper nicht hinnehmbar seien – weder in unserem eigenen Unternehmen noch in unserer Lieferkette. Vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine und den langfristigen Verträgen mit Gazprom stellt sich die Frage, welchen Stellenwert Risikomanagement und Lieferkettenverantwortung bei Uniper hatten bzw. haben. Welche Möglichkeiten besaß und besitzt Uniper, aus bestehenden Verträgen mit Verweis auf Compliance-Verstöße auszusteigen? Gab und gibt es Ausstiegsklauseln im Fall von Gazprom, des Unternehmens, das erwiesenermaßen als Kriegswaffe eingesetzt wird? Wenn es keine Ausstiegsklauseln gibt, wieso nicht? Ist es für zukünftige Verträge geplant, Lieferverträge mit entsprechenden Ausstiegsklauseln zu versehen, um dem Versprechen auf ihrer Webseite nachkommen zu können im Falle von schweren Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette?
  • Die Aktionärinnen und Aktionäre von Uniper haben durch das mangelhafte Risikomanagement, die einseitige Ausrichtung auf fossiles Gas und damit verbundene Fehlinvestitionen wie die Beteiligung an Nord Stream 2 viel Geld verloren. Welche Lehren ziehen Sie daraus für die zukünftige Strategie von Uniper?
  • Bis wann plant Uniper aus Nutzung von und Handel mit fossilem Gas auszusteigen, insbesondere vor dem Hintergrund der erwartbar hohen Gaspreise in den nächsten Jahren?  
  • Gibt es bereits eine neue Strategie, um die notwendige Transformation des Unternehmens hin zu Erneuerbaren und grünem Wasserstoff einzuleiten? Falls nein, bis wann ist mit einer solchen Strategie zu rechnen?
  • Wie bewerten sie die finanziellen Möglichkeiten für Uniper, in den kommenden Jahren verstärkt in Erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff zu investieren? Wie groß ist der Spielraum, insbesondere im Vergleich zu Konkurrenten wie RWE oder EnBW?
  • Wie wollen Sie sicherstellen, dass Uniper nicht zum Fass ohne Boden für den deutschen Staat wird? Nennen Sie hier bitte konkrete Maßnahmen und Ziele.
  • Im Zusammenhang mit dem Gazprom-Fiasko stellt sich die Frage, welche Lehren Uniper in Bezug auf andere Lieferanten zieht. Gibt es Ausstiegsklauseln für den Abnahmevertrag mit SOCAR, dem aserbaidschanischen Staatsunternehmen, das dem aserbaidschanischen Diktator unterstellt ist und der die Angriffe auf Armenien auch mit Geldern aus dem Gasgeschäft finanziert? Ist Uniper bekannt, dass Aserbaidschan seit einigen Tagen die einzige Zufahrtsstraße nach Berg-Karabach abgeriegelt hat und dort nun eine humanitäre Katastrophe heraufbeschwört? Wie reagiert Uniper darauf? Sind Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette für Uniper hinnehmbar oder nicht?
  • Wie hoch waren die Kohlebezüge von Uniper aus Russland von Januar bis Dezember 2022? Bitte listen Sie die Mengen auf für die Zeiträume vom 01. Januar bis 24. Februar, vom 25. Februar bis 10. August und vom 11. August bis jetzt.
  • Wurden im Rahmen des Risikomanagements bereits vor dem 24. Februar Maßnahmen ergriffen, um Kohle- oder Gaslieferungen aus Russland aktiv zu reduzieren, wie dies bei manchen Mitbewerbern geschah? Wann genau wurden seitens des Vorstands Maßnahmen ergriffen, um die Kohle- und Gaslieferungen aus Russland zu reduzieren? Wie sahen diese Maßnahmen konkret aus? Welche Zielvorgaben wurden dabei gemacht?
  • Wird Uniper nun verstärkt Kohle der Produzenten Drummond und Glencore aus Kolumbien importieren, um die russische Kohle zu ersetzen? Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die neuesten Entwicklungen in den Gerichtsverfahren gegen die früheren CEOs von Drummond, die eine Verurteilung immer wahrscheinlicher werden lassen?
  • Bitte benennen Sie die Länder, aus denen Uniper nun verstärkt Gas und Kohle beziehen möchte, um die russischen Lieferungen zu ersetzen. Bitte geben sie außerdem für jedes Land an, welche Untersuchungen angestellt wurden, um der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Uniper nachzukommen.
  • Im Lebenslauf des designierten, neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Tom Blades finden sich mit Halliburton, Schlumberger und Siemens Oil & Gas Division vor allem Unternehmen die auf Expertise im Feld der fossilen Energien hindeuten. Bitte legen Sie dar, über welche Expertise Herr Blades in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energietransformation und Nachhaltigkeit verfügt.
  • Das designierte Aufsichtsratsmitglied Dr. Jutta Dönges wird offensichtlich aufgrund ihrer Expertise als „Firmenretterin“ in den Aufsichtsrat berufen. Für die Transformation des Unternehmens ist aber darüber hinaus Expertise auf den Gebieten Erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Energietransformation und Nachhaltigkeit gefragt. Bitte legen Sie dar, welche Expertise Frau Dr. Dönges in diesen Bereichen einbringen wird.
  • Welche Expertise bringt das designierte Aufsichtsratsmitglied Dr. Marcus Schenck in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Transformation der Energieversorgung und Nachhaltigkeit mit?
  • Bitte legen Sie dar, welche Expertise das designierte Aufsichtsratsmitglied Prof. Dr. Ines Zenke in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Transformation der Energieversorgung und Nachhaltigkeit bei Uniper einbringen soll.

Internationale Gaslieferungen: Fragen von urgewald

  • Laut Presseberichten verhandelt Uniper mit Pétrosen/Kosmos Energy/BP über LNG-Lieferverträge, um ab 2023 russisches Gas durch Gas aus dem senegalesisch/mauretanischem GTA-Feld zu ersetzen. Sind diese Berichte korrekt? Wenn ja, ab wann genau soll Gas geliefert werden, über welche Laufzeiten sind die Verträge und über welche Mengen Gas?
  • Als künftiges Staatsunternehmen müssen Sie wissen: Die Bundesregierung ist nach Artikel 20a des Grundgesetzes verpflichtet, das Klimaschutzgebot bei der Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen zu respektieren. Die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder ist nach dem IEA Net-Zero-Szenario nicht vereinbar mit dem 1,5 Grad Ziel. Wird Uniper daher davon ablassen, einen neuen LNG-Liefervertrag mit Senegal abzuschließen, da dies die Erschließung neuer Gasfelder, noch dazu in hochsensiblen marinen Gebieten, bedeutet und nicht vereinbar mit dem 1,5 Grad Ziel ist? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
  • Uniper bezieht nach Vertrag bis zu 1.5 bcm Gas pro Jahr bis 2045 aus Aserbaidschan. Der einseitige Bezug von russischem Gas vom Staatsunternehmen Gazprom hat ja zur Krise Unipers und schließlich der Verstaatlichung des Unternehmens geführt und vor Augen geführt, was die Abhängigkeit von autokratischen Regimes bedeuten kann. Wie rechtfertigt Uniper, jetzt weiter Gas aus Aserbaidschan zu beziehen? Auch hier wird Gas von einem Staatsunternehmen -SOCAR- bezogen, das direkt dem Diktator Alijev unterstellt ist, und der damit seine Angriffe u.a. gegen Armenien finanziert.
  • Das russische Staatsunternehmen Gazprom hat am 18. November 2022 verkündet, dass es begonnen hat, das aserbaidschanische Staatsunternehmen SOCAR mit bis zu 1 bcm Gas bis März 2023 zu versorgen. Uniper bezieht ja bis zu 1,5 bcm Gas aus Aserbaidschan pro Jahr bis 2045. Aserbaidschan hat dieses Jahr bereits mehr Öl exportiert als produziert und Russland damit geholfen, die Ölsanktionen zu umgehen. Kann Uniper garantieren, dass nicht indirekt russisches Gas geliefert wird?

Lieferverträge, LNG und Wilhelmshaven: Fragen der Deutschen Umwelthilfe

  • Uniper hat den unbefristeten Betrieb des LNG-Terminals Wilhelmshaven mit fossilem Gas beantragt, was keinesfalls mit den deutschen Klimazielen vereinbar ist und große Reputationsrisiken mit sich bringt. Plant Uniper, seine Geschäftsstrategie zu überarbeiten, um zukünftig im Einklang mit den Klimazielen zu wirtschaften? Wie würde eine solche Strategie genau ausgestaltet sein?
  • In welchem Umfang, mit welcher Laufzeit und mit welchen Partnern schließt Uniper aktuell LNG-Lieferverträge ab? Hat Uniper die THG-Emissionen berechnet, die damit einhergehen, und wurde die Verträglichkeit dieser neuen fossilen Gaslieferungen mit den im Klimaschutzgesetz verankerten Zielen geprüft?
  • Wurde die Machbarkeitsstudie für das Ammoniakterminal „Green Wilhelmshaven“ bereits abgeschlossen? Wie wird die Realisierbarkeit des Projekts im Kontext von Unipers massiven Verlusten aktuell bewertet?
  • Die FSRU „Hoegh“ Esperanza soll am Standort Wilhelmshaven zum Import von LNG eingesetzt werden. Dabei sollen große Mengen an umweltschädlichem Chlor in die Jade eingeleitet werden, was umweltrechtliche Verfahren nach sich ziehen kann. Hat Uniper technische Alternativen zur Chlorierung geprüft? Falls ja, was ist die Begründung, dennoch Chlor zur Reinigung einzusetzen?

Scarborough: Fragen von Greenpeace

  • Durch die heute zu beschließende Verstaatlichung bekommt der Staat wesentliche Mitsprache- und Kontrollrechte über Uniper. Der Bund kann daher seinen Einfluss nutzen, um Uniper SE faktisch auf einen Paris verträglichen Pfad einzuschwenken: Im Einklang mit dem Glasgow Pact und den unternehmensrechtlichen Klimaschutzpflichten hat der Bund jede Unterstützung neuer fossiler Gasprojekte auszuschließen. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen den Glasgow Pact vor. Der Abnahmevertrag, den Uniper mit Woodside Energy Trading Singapore Pte Ltd. abgeschlossen hat, war Grundlage für die Genehmigung des Scarborough-Projekts, für das sensible Meeresgebiete zerstört werden sollen und durch das etwa 1,37 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente die Klimakrise weiter befeuern würden. Sind Uniper die Implikationen von Verträgen wie diesen, die den Klimaschutzpflichten des Bundes widersprechen, bewusst? Zieht Uniper in Betracht, diese Verträge abzuwickeln, da der Bund sonst gegen die Völkerrechtsfreundlichkeit verstößt?
  • Der Bund hat den von Uniper SE im September 2022 geschlossenen Langzeitvertrag mit Woodside Energy Trading Singapore Pte Ltd jedenfalls über das Datum von 2035 hinaus grundsätzlich abzuwickeln, da nach wissenschaftlichen Untersuchungen auf Grundlage des IPCC CO2 Budgets die fossile Gasnutzung in Industrieländern bis 2035 komplett eingestellt werden muss. Nach Eigendarstellung von Uniper existieren hier Flexibilisierungen im Vertragswerk hinsichtlich Kapazitätsbuchungen für Lieferungen ab September 2031. Berücksichtigt Uniper die Nutzung dieser Flexibilitäten bereits in ihrer Strategie?
  • Durch einen weiteren Abnahmevertrag mit Woodside wird bereits jetzt LNG aus Australien nach Europa transportiert: das Schiff Rees Withers transportierte 75 000t LNG vom North West Shelf, das direkt neben dem für Scarborough vorgesehene Pluto Terminal liegt, nach Rotterdam. Der Vertrag mit Woodside über LNG-Lieferungen nach Europa läuft bis 2039. Schließen Sie aus, dass Sie damit a) ab 2025 auch Gas aus Scarborough und b) langfristig auch aus dem neu zu erschließenden Browse-Gasprojekt, das an das North West Shelf andocken wird, nach Europa einzukaufen?   
  • Die einseitige Ausrichtung auf fossiles Gas war Mit-Ursache für Unipers Verschuldung und die notwendige Verstaatlichung. Durch die erwähnten LNG-Langzeitverträge mit Woodside werden nun weiterhin fossile Abhängigkeiten zementiert. Wieso zieht Uniper bisher nicht die notwendige Konsequenz und wendet sich von fossilen Langzeitverträgen, die nicht im Einklang mit den Klimaschutzzielen stehen, ab?

Fragen zum Kohleausstieg und Datteln 4:

  • Die Bundesregierung, die NRW-Landesregierung und RWE haben sich auf einen Kohleausstieg 2030 geeinigt. Haben Sie vor, Ihre Pläne für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, ggf. in Absprache mit der Bundesregierung, entsprechend nationaler und internationaler Klimaschutzziele anzupassen? Wenn ja, wie genau?
  • Haben Sie weiterhin vor, Ihr Kohlekraftwerk Datteln 4 bis 2038 zu betreiben? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
  • Aktuell muss das Revisionsverbot gegen den illegalen Bebauungsplan von Datteln 4 letztinstanzlich bestätigt werden. Sollte dies der Fall sein, werden Sie dann das Kraftwerk wieder abreißen und das Gelände rekultivieren oder verfolgen Sie andere Pläne? Wie schätzen Sie die mit diesem Verfahren zusammenhängenden finanziellen und juristischen Risiken ein?

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