Fragen an Volkswagen bezüglich der Veröffentlichung der Auditergebnisse

Update vom 19.01.2024: Die Antworten von Volkswagen sind hier nun auch unter den jeweiligen Fragen veröffentlicht.


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die unterzeichnenden Organisationen, haben die Veröffentlichung der Ergebnisse der ESG Auditierung des Volkswagen-SAIC-Werk durch die Löning Human Rights & Responsible Business GmbH zur Kenntnis genommen. In unserem Brief vom 11.07.2023 haben wir umfangreich unsere Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Audits in der uigurischen Region dargelegt.

Nach der Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse distanzierten sich die Mitarbeiter*innen von Löning in einer Erklärung auf LinkedIn von dem Audit und behaupteten, dass „kein anderes Teammitglied von Löning an diesem Projekt beteiligt war, es unterstützt oder gefördert hat“. Ein Artikel der Financial Times enthält weitere Einzelheiten zu den internen Uneinigkeiten bezüglich der Durchführung dieser Prüfung. Daraus ergeben sich weitere Fragen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse des Audits. Wir möchten Sie daher bitten, die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Die Mitarbeiter*innen der Firma Löning distanzieren sich von der Prüfung aufgrund der Menschenrechtslage in China und in der uigurischen Region. Sie gaben bekannt: „Die Menschenrechtslage in China und Xinjiang und die Herausforderungen bei der Erhebung aussagekräftiger Daten für Audits sind bekannt und auch in diesem Projekt präsent.“ War Ihnen bekannt, dass kein anderes Teammitglied bei Löning diese Prüfung befürwortete? Wenn ja, warum haben Sie beschlossen, so vorzugehen?
    • Antwort von Volkswagen: „Zu internen Vorgängen bei der Firma Löning äußern wir uns nicht. Darüber hinaus verweisen wir auf die via LinkedIn getätigten Erklärungen von Herrn Löning.“
  2. Markus Löning, Geschäftsführer von Löning, räumte ein, dass die Datenerhebung eine Herausforderung darstelle. Wie haben Sie dies bei der Durchführung des Audits berücksichtigt? Wie haben Sie dies bei der Analyse der Ergebnisse der Prüfung berücksichtigt?
    • Antwort von Volkswagen: „Die wesentlichen Inhalte des Audits wurden von uns in der Management Zusammenfassung der Audit-Ergebnisse öffentlich kommuniziert (https://www.volkswagen-group.com/de/esg-controversies-15846). Darüber hinaus wurden Herr Markus Löning und Dr. Manfred Döss, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Ressort Integrität und Recht, öffentlich zu den Ergebnissen des Audits öffentlich zitiert. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu weiteren Details des Audits nicht äußern.“
  3. Laut Markus Löning bestand die Hauptgrundlage für die Prüfung in einer Überprüfung der Unterlagen der 197 Beschäftigten des Werks und nicht in Befragungen, was „gefährlich“ sein könnte. Löning sagte der Financial Times: „Selbst wenn sie etwas wüssten, könnten sie das in einem Interview nicht sagen“. Dennoch wurden 40 Personen für die Prüfung befragt. Wenn die Firma Löning wusste, dass die Befragungen für die Teilnehmer*innen gefährlich waren und wahrscheinlich nicht die erforderlichen Informationen liefern würden, warum wurde dann die Sicherheit dieser 40 Personen aufs Spiel gesetzt? Und warum wurde die Prüfung durchgeführt, wenn man wusste, dass die Befragungen nicht die erforderlichen und aussagekräftigen Informationen liefern würden?
    • Antwort von Volkswagen: Die wesentlichen Inhalte des Audits wurden von uns in der Management Zusammenfassung der Audit-Ergebnisse öffentlich kommuniziert (https://www.volkswagen-group.com/de/esg-controversies-15846). Darüber hinaus wurden Herr Markus Löning und Dr. Manfred Döss, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Ressort Integrität und Recht, öffentlich zitiert. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu weiteren Details des Audits nicht äußern.
  4. Laut Markus Löning hat der leitende Strategieberater der Firma Löning, Christian Ewert, der das Projekt leitete, über 20 Jahre Erfahrung mit Sozialaudits in China. Welche Erfahrungen hat Christian Ewert mit staatlich verordneter Zwangsarbeit, und welche Indikatoren werden in diesem Zusammenhang angewendet?
    • Antwort von Volkswagen:Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine Fragen beantworten, die unsere Vertragspartner im Rahmen des Audits und deren Mitarbeitende betreffen.“

Zusätzlich zu dem fraglichen Werk bestehen auch Zwangsarbeitsrisiken in Bezug auf die Lieferketten von Volkswagen. Ein Bericht der Sheffield Hallam University hatte ergeben, dass die Lieferketten von Volkswagen stark mit der uigurischen Region verbunden sind und daher ein besonders hohes Risiko für den Einsatz uigurischer Zwangsarbeit besteht. Laut einer dpa-Meldung versichert VW-Rechtsvorstand Manfred Döss: „Wir werden auch in Zukunft alle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen sehr ernst nehmen. Wenn es Verdachtsmomente oder Hinweise gibt, werden wir diesen nachgehen.“ Auf der Hauptversammlung der Volkswagen AG 2023 haben wir auf die Risiken von Zwangsarbeit in der chinesischen Stahl- und Aluminiumbranche hingewiesen; betroffene Lieferanten könnten auch andere Volkswagen-Standorte in China beliefern. Soweit uns bekannt ist, nutzen Sie in diesem Zusammenhang nach eigenen Angaben aktiv Ihr Nachhaltigkeitsrating (S-Rating).

  1. Welche weiteren Maßnahmen ergreifen die Volkswagen AG und ihre Joint Ventures, um Risiken staatlich verordneter Zwangsarbeit bei Lieferanten in China präventiv zu erkennen, zu minimieren und auszuschließen?
    • Antwort von Volkswagen: Der Volkswagen Konzern nimmt seine Verantwortung als Unternehmen im Bereich der Menschenrechte weltweit sehr ernst – auch in China und hält sich hierbei eng an die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
      Diese sind Teil des Verhaltenskodex (Code of Conduct) des Unternehmens. Volkswagen tritt weltweit entschieden gegen Zwangsarbeit in Zusammenhang mit seinen geschäftlichen Aktivitäten ein.
      Wir setzen nicht nur im Volkswagen Konzern hohe Standards, sondern arbeiten auch entlang der Lieferketten an der Einhaltung dieser Werte. Bereits heute implementieren wir Prozesse zur Wahrung von Menschenrechten und ermitteln systematisch unsere Risiken und entwickeln darauf aufbauend Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverstößen. Dazu nutzen wir unser Nachhaltigkeits-Rating (S-Rating). Für die besonders sensiblen Rohstofflieferketten haben wir zudem ein Risikomanagementsystem zur Sorgfaltspflicht bei der Rohstoffbeschaffung implementiert (Raw Materials Human Rights Due Diligence Management System).
      Die Volkswagen AG verfügt global über einen sorgfältigen Partner- und Lieferantenauswahlprozess und Monitormaßnahmen. Zulieferfirmen in der VR China, die direkt vom Volkswagen Konzern beauftragt werden, sind bereits heute im Maßnahmen Scope der Nachhaltigen Beschaffung und verpflichten sich zur Einhaltung unseres „Code of Conduct“ für Geschäftspartner.
      Lieferanten müssen unsere Nachhaltigkeitsanforderungen akzeptieren und sich verpflichten, diese zu erfüllen, um eine Geschäftsbeziehung mit dem Volkswagen Konzern einzugehen. Von unseren direkten Lieferanten wird erwartet, dass sie diese Nachhaltigkeitsanforderungen an ihre Geschäftspartner entlang der Lieferkette weitergeben. Seit 2019 bewerten wir die Nachhaltigkeitsleistung unserer relevanten Geschäftspartner vor der endgültigen Beschaffungsentscheidung mit einem Sustainability Rating (S-Rating). Erfüllt ein Lieferant unsere Anforderungen an die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards nicht, kommt er für die Auftragsvergabe grundsätzlich nicht in Frage. Es besteht also ein direkter Anreiz für Lieferanten, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern.
      Erfährt der Volkswagen Konzern jedoch von Vorwürfen, geht er diesen unverzüglich über unseren „Supply Chain Grievance Mechanism“ nach. Schwerwiegende Verstöße, wie z.B. Zwangsarbeit, können zur Beendigung des Vertrags mit dem Lieferanten führen, wenn keine Abhilfemaßnahmen getroffen werden. Deshalb überprüfen und nutzen wir aktiv unsere bestehenden Verfahren und suchen nach neuen Lösungen, um Zwangsarbeit in unserer Lieferkette zu verhindern. Der Mechanismus ist über unsere Website, eine E-Mail-Adresse und einen anonymen Kanal zugänglich und steht allen Stakeholdern und potenziell betroffenen Personen wie Mitarbeitern von Zulieferern, sozialen Organisationen oder Vertretern von Gemeinden in unmittelbarer Nähe unserer Produktionsstätten offen. Die Fälle werden nach einer verbindlichen Richtlinie behandelt, vom Konzern gesteuert und gemeinsam mit den Marken und Regionen des Volkswagen Konzerns.

In der gesamten uigurischen Region gibt es weit verbreitete, systematische staatliche Zwangsarbeit. Es ist nicht möglich, ein einzelnes Werk aus diesem Kontext herauszulösen, noch kann ein Unternehmen einzelne Fälle von Zwangsarbeit verhindern oder beheben. In diesem Zusammenhang und im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte besteht für uns die einzige verantwortungsvolle Maßnahme für ein Unternehmen darin, die Region vollständig zu verlassen.

Wir begrüßen es, dass Sie der Öffentlichkeit gegenüber mehr Transparenz zeigen wollen. Dieser Brief mit unseren Fragen ist daher auch ein offener Brief, den wir hier auf unserer Website veröffentlicht haben. Wir bitten Sie daher auch um öffentliche Antworten bis zum 19.01.2024.

Mit freundlichen Grüßen

Gheyyur Kuerban
Berlin Direktor Weltkongress der Uiguren e.V.

Eva Stocker
Senior Project Officer Weltkongress der Uiguren e.V.

Hanno Schedler
Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.

Christian Russau
Vorstandsmitglied Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

Tilman Massa
Co-Geschäftsführer Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

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