Rede Maik Pflaum

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Maik Pflaum, ich spreche mit Autorisierung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich bin Unterstützer der Kampagne für ‚Saubere‘ Kleidung, einem europaweiten Zusammenschluss von 300 entwicklungspolitischen, gewerkschaftlichen und kirchlichen Organisationen, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie einsetzt.

Ich melde mich zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung: Entlastung des Vorstands sowie Entlastung des Aufsichtsrats der adidas AG.

Im adidas Geschäftsbericht 2006 lesen wir auf Seite 63: „Unsere Arbeitsplatzstandards enthalten klare Vorgaben zu umweltbewussten, sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen, zu angemessenen Löhnen und Sozialleistungen, zur Koalitionsfreiheit, zum Verbot von übermäßigen Überstunden sowie von Zwangs- und Kinderarbeit und zum Schutz vor Belästigung und Diskriminierung.“

In besagten Arbeitsplatzstandards, dem Kodex der adidas AG, ist bei Löhne und Sozialleistungen aufgeführt: “Geschäftspartner haben ihren Mitarbeitern den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn bzw. den in der Branche üblichen Lohn, falls dieser höher liegt, zu bezahlen. Sie haben den gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungen Rechnung zu tragen.“

Unter Gesundheit und Sicherheit finden wir: „Geschäftspartner haben für ein sicheres und die Gesundheit erhaltendes Arbeitsumfeld zu sorgen.“

Ich spreche heute zu Ihnen, weil ich sehr besorgt bin über Berichte von Arbeitsrechtsverletzungen, die dem Anspruch der adidas AG deutlich widersprechen:

Die Nähfabrik Hermosa in El Salvador wurde im Mai 2005 geschlossen, weil sich in der Fabrik eine Gewerkschaft gegründet hatte. Dies war der Höhepunkt der Arbeitsrechtsverletzungen in einer Fabrik, die auch für die adidas AG gefertigt hatte.

o Bereits im Jahr 2000 hatte die CCC adidas mit exzessiven Arbeitszeiten in Hermosa von bis zu 20 Stunden pro Tag konfrontiert.

o Im Jahr 2002/03 hatte die CCC adidas erneut auf die Arbeitsrechtsverletzungen in der Fabrik Hermosa hingewiesen, da ihr vermehrt Klagen der ArbeiterInnen u.a. wegen der fehlenden Vereinigungsfreiheit zugetragen worden waren. In Stellungnahmen verwies die adidas AG damals auf die Fabrikkontrollen durch die FLA sowie adidas selbst, die keine bzw. keine nennenswerten Probleme entdeckt hätten.

o Auf der Aktionärsversammlung 2003 habe ich in einem Redebeitrag den Vorstand und Aufsichtsrat über die gewerkschaftsfeindliche Politik bei Hermosa informiert – ich zitiere:

„Im adidas-Zulieferbetrieb Hermosa in El Salvador befürchten die ArbeiterInnen ihre Entlassung, wenn sie ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisation ausüben wollen. ArbeiterInnen, die sich in Hermosa um eine Anstellung bewerben und vorher in einer Fabrik mit Gewerkschaftsvertretung beschäftigt waren, dürfen auf Anweisung der Personalchefin nicht eingestellt werden.“

o Ein Jahr später (Mai 2004) hat die adidas AG auf ihrer Homepage diese Vorwürfe erneut bestritten und wie folgt Stellung genommen:

„According to the FLA-tracking chart from July 1st, 2003 there are no concrete findings that Hermosa discriminates against workers who belong to unions, prevents organization by workers, or retaliates against workers with union affiliations.“

Wie falsch diese Einschätzung der adidas AG war, belegt die Fabrikschließung im Mai 2005 aufgrund der Gewerkschaftsgründung. Bei der Aktionärsversammlung letztes Jahr habe ich auf die unhaltbare Situation der entlassenen GewerkschafterInnen hingewiesen:

o Sie standen auf Schwarzen Listen als GewerkschafterInnen und konnten deswegen keine Anstellung in anderen Fabriken finden;

o sie hatten keinen Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung;

o sie hatten die ausstehenden Löhne und Entschädigungszahlungen nicht erhalten;

o über Jahre waren ihre Sozialabgaben veruntreut worden. Die Summe beläuft sich auf viele Hunderttausende Euro.

Daran hat sich bis heute nichts geändert!!!

Ein drastisches Beispiel für die Notlage dieser ArbeiterInnen ist der Fall einer Entlassenen: Als ihr Ehemann Ende letzten Jahres starb, hatte sie nicht einmal das Geld für ein Begräbnis. Und das, obwohl diese Frau bis zu ihrer Entlassung wegen Gewerkschaftssympatien Jahre lang zuverlässig genäht hat – auch für die adidas AG.

Seit kurzem haben uns neue, schockierende Nachrichten von diesen 63 entlassenen GewerkschafterInnen erreicht: Wir wissen bis zum heutigen Tage, dass mindestens 7 dieser Arbeiterinnen Unterleibskrebs haben. Die Untersuchungen mussten privat bezahlt werden. Denn Zugang zu einer ausreichenden Gesundheitsversorgung haben sie nicht, und das seit Jahren: Als sie noch in Hermosa arbeiteten, durften und konnten sie nicht zum Arzt, da ihre Versicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden. Und seit 2 Jahren sind sie ohne Arbeit und haben somit keinen Zugang zum Gesundheitssystem für Angestellte.

Im Mai letzten Jahres habe ich ein Treffen in Nürnberg organisiert zwischen der Sprecherin der Hermosa-Gewerkschafterinnen, Frau Ramirez, und dem adidas Weltdirektor für Soziales, Herrn Henke. Herr Henke sagte Frau Ramirez zu, dass die Salvadorianische Regierung den ArbeiterInnen den Zugang zum Gesundheitssystem für Angestellte für ein Jahr gewähre. Dies war entweder eine Falschinformation oder gelogen: Keine der Entlassenen hat bis heute Zugang erhalten. Die CCC hat die adidas AG seit dem Jahr 2000 auf die unhaltbaren Zuständ in Hermosa aufmerksam gemacht, ab 2002/2003 auch die FLA. Auf die heute bekannten Arbeitsrechtsverletzungen und Verstöße gegen den adidas- wie auch den FLA-Kodex sind weder 35 adidas-Kontrollen noch die der FLA aufmerksam geworden. Trotz dieser Schande für den Weltkonzern adidas wird nun auch im Nachhinein nichts getan, um die Notlage der ArbeiterInnen, die Jahre lang für die adidas AG genäht haben, zu lindern. Die FLA hat im Dezember 2006 einen Nothilfefonds für die Hermosa-ArbeiterInnen eingerichtet, in den die Konzerne einzahlen sollten. Insgesamt wurden bis heute knapp 27.000 Euro in diesen Fonds eingezahlt. Ob und wie viel die adidas AG in diesen Fonds eingezahlt hat, ist nicht bekannt. Dessen ungeachtet wäre selbst die gesamte Summe eine Schande für einen Konzern wie adidas, der heute seinen Gewinn von annähernd einer halben Milliarde Euro feiert.

Ich fordere Sie, sehr geehrte Aktionäre und Aktionärinnen auf: machen Sie diesem Trauerspiel auf Kosten der NäherInnen ein Ende. Setzten Sie sich dafür ein, dass die adidas AG eine ernstzunehmende Summe in den Nothilfefonds einzahlt. Stimmen Sie solange gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, bis die Notsituation der ehemaligen adidas-NäherInnen in Hermosa beendet ist!

adidas ist dazu verpflichtet – sichert die adidas AG in den Arbeitsplatzstandards doch Vereinigungsfreiheit und Sozialleistungen zu. Gegen all dies wurde in Hermosa Jahre lang verstoßen. Und auch wenn adidas heute behauptet, seit Mitte 2002 nicht mehr in Hermosa produziert zu haben, sprechen alle Fakten dagegen. Der CCC liegen zahlreiche eidesstattliche Aussagen von Arbeiterinnen vor. Und selbst die adidas AG erklärte in einer Stellungnahme Mitte 2004 noch schriftlich, welche Trainingsmaßnahmen in Hermosa durchgeführt werden.

Ich frage den Vorstand und den Aufsichtsrat der adidas AG:

o Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um den entstandenen Schaden gegenüber den Hermosa-Arbeiterinnen und Arbeitern zu kompensieren? Sind Sie bereit, in den Entschädigungsfonds einzuzahlen? Wenn ja: Wann und in welcher Höhe?

o Wie erklären Sie sich die beschriebenen Missstände – und dass ihr Kontrollsystem nicht darauf aufmerksam wurde?

o Ich frage Sie auch: Wie stehen Sie zu einer unabhängigen, institutionalisierten Kontrolle? Ihre Mitgliedschaft in der FLA, der Fair Labor Association, ist keine ausreichende Antwort auf diese drängenden Fragen. Das genannte Beispiel hat gezeigt, wie wenig verlässlich die Arbeit der FLA ist. Außerdem sieht sie keine institutionalisierte Einbeziehung lokaler Akteure vor.

o Und eine letzte Frage: Auf Seite 60 ihres Geschäftsberichts schreiben Sie, sie arbeiteten mit 547 unabhängigen Zulieferern zusammen (2005: 223 ohne Reebok). Hierin nicht enthalten sind jedoch lokale Bekleidungshersteller, Subunternehmer, Materiallieferanten und Zulieferbetriebe der Lizenznehmer. In wie vielen Fabriken insgesamt wird für die adidas AG (einschließlich Reebok) gefertigt?

Solange die Sorgen über die Arbeitsrechtsverletzungen bei der Herstellung von adidas-Produkten nicht ausgeräumt werden können, ist es mir nicht möglich, für eine Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates zu stimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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