Rede Christiane Schnura

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates,

mein Name ist Christiane Schnura und ich bin die Koordinatorin der Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung. Die Kampagne ist der deutsche Zweig der internationalen Clean Clothes Campain. Ich spreche mit Autorisierung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 „Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2008“.

Wie auch in den vergangenen Jahren, werde ich auch in diesem Jahr über die menschenunwürdige Entlohnung der NäherInnen bei den Zulieferern von adidas weltweit sprechen.

Das Unternehmen verdiente 2008 unter dem Strich rund 642 Millionen Euro, ein Plus von 16,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie Adidas am 4. März 2009 in Herzogenaurach mitteilte. Der Umsatz des Konzerns stieg um knapp fünf Prozent auf rund 10,8 Milliarden Euro. Der Konzern profitierte dabei von guten Geschäften in Osteuropa, Asien und Lateinamerika. Adidas Vorstandsvorsitzender Herbert Hainer hat im letzten Jahr ein Vorstandsgehalt von 3,4 Millionen Euro erhalten. (Quelle Kienbaum) Dies ist zwar 27% weniger als im Vorjahr. Doch Sie stimmen mir bestimmt zu, Herr Hainer gehört zu den Besserverdienenden.

Sehen wir uns jetzt das Einkommen einer Maquila-Näherin aus Mittelamerika an. Sie verdient im Monat ca. 100 Euro. Der Monatsverdienst von Herrn Hainer beträgt rund 283.000 Euro. Er ist also rund 2.830-mal so hoch wie der Lohn der Näherin. Stimmt hier etwas nicht? Kann das gerecht sein?

In der Wirtschaftwoche vom 26. Juli 2008 sagten sie Herr Hainer in einem Interview: „Die Löhne, die ja von der Regierung (sie reden da von China) festgelegt werden, sind allmählich zu hoch. In China werden derzeit 50 Prozent unserer Schuhe gefertigt. Das wird prozentual zurückgehen. Wir haben bereits mit einem Lieferanten die ersten Fabriken in Indien aufgemacht. Länder wie Laos, Kambodscha und Vietnam sind hinzugekommen. Auch in europäische Schwellenländer, in die GUS-Staaten und Osteuropa, wird Produktion zurückkommen.“ Offensichtlich können Ihnen die Löhne nicht niedrig genug sein. Dieses Verhalten der Konzernführung ist einfach nur beschämend.

Für das laufende Jahr rechnet Adidas mit einem Umsatzrückgang „im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich“, wie das Unternehmen mitteilte. Auch der Gewinn wird den Angaben zufolge voraussichtlich niedriger ausfallen. Grund dafür ist die Finanzkrise.

Die Auswirkungen der Finanzkrise sind im Bereich der Textilbranche schon jetzt verheerend. In Kambodscha sind 2008 bereits 30 T&B-Fabriken geschlossen und 62.000 ArbeiterInnen entlassen worden. In Indonesien rechnet der Industrieverband T&B in den kommenden Monaten mit 120.000 Entlassungen und einem Rückgang der Produktion um 30%. In Honduras wurden Ende 2008 ca. 15.000 Maquila-ArbeiterInnen (Schwerpunkt T&B) entlassen. In Nicaragua sind die gesamten US-Aufträge 2008 um 50% gefallen – dies wird auch die 70.000 T&B-Beschäftigten in den Maquilas treffen.

Meine Damen und Herren, der Gewinn ihres Konzerns, der ja in den letzten Jahren mehr als üppig ausgefallen ist, und der nun etwas zu sinken droht bleibt weiterhin im 3-stelligen Millionenbereich. Doch das ist hier heute nicht mein Thema.Was mich viel mehr interessiert sind die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Beschäftigten ihrer Zulieferer.

Prof. Dr. Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik erklärt in einem Interview, dass von Armut betroffene Menschen in den „3. Welt“ und Schwellenländern bis zu 70 bis 90 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen. Sollte sich bei diesen Menschen die Einkommenssituation weiter verschlechtern, werden sie hungern und verhungern müssen. Schon jetzt reichen die Löhne hinten und vorne nicht aus. Hier gilt „Zum Leben zu wenig zum Sterben zu viel“. Adidas muss hier seine Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass endlich ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird und es keine Entlassungen bei den Zulieferfabriken gibt.

Ich bitte Sie, gegen die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates zu stimmen:

  • solange adidas in seinen Code of Conduct die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes für die weltweit für den Konzern tätigen Näherinnen und deren Familienangehörigen nicht explizit auch für seine Sub-Lieferanten aufnimmt;
  • solange der Missbrauch von Kurzzeitverträgen und anderen prekären Beschäftigungsformen an der Tagesordnung ist;
  • solange es Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen gibt;
  • solange Betriebe aufgrund von Umstrukturierungen geschlossen werden.

Machen Sie mit ihrer Stimmabgabe deutlich, dass sie mit den Einkaufspraktiken nicht einverstanden sind.

Zum Abschluss habe ich folgende Fragen an den Vorstand:

  1. Wann nehmen Sie die Zahlung von existenzsichernden Löhnen (living wages) in ihren Code of Conduct auf?
  2. Werden sie Teile Ihrer Produktion von China weg in andere Länder verlagern, da in China die Löhne „allmählich zu hoch werden“?
  3. Welche Auswirkungen wird die Finanzkrise auf ihre Zulieferer hinsichtlich folgender Aspekte haben:
    • Reduzierung von Aufträgen (welche Zulieferländer werden betroffen sein)
    • Entwicklung des Lohnniveaus bei den Beschäftigten ihrer Zulieferbetriebe?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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