Rede Maik Pflaum

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Maik Pflaum, ich spreche mit Autorisierung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich bin Unterstützer der Kampagne für Saubere Kleidung, einem europaweiten Zusammenschluss von 300 entwicklungspolitischen, gewerkschaftlichen und kirchlichen Organisationen, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie einsetzt.

Ich melde mich zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung: Entlastung des Vorstands sowie Entlastung des Aufsichtsrats der adidas AG.

Im adidas Geschäftsbericht 2008 lesen wir auf Seite 67:

„… die Einhaltung des Arbeitsrechts … an unseren eigenen Standorten sowie in den Zulieferbetrieben haben für uns höchste Priorität. Aus diesem Grund haben wir Regeln und Standards definiert, die sich an unseren eigenen Unternehmenswerten sowie an den Maßstäben orientieren, die die Gesellschaft von global agierenden Unternehmen erwartet. Wir haben diese Regeln in einem Verhaltenskodex für Zulieferer zusammengefasst – unseren „Workplace Standards“ (Arbeitsplatzstandards). … Unsere Arbeitsplatzstandards enthalten klare Vorgaben

  • zu umweltbewussten, sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen,
  • zu angemessenen Löhnen und Sozialleistungen,
  • zur Koalitionsfreiheit,
  • zum Verbot von übermäßigen Überstunden sowie von Zwangs- und Kinderarbeit
  • und zum Schutz vor Belästigung und Diskriminierung.

Ich spreche heute zu Ihnen, weil ich sehr besorgt bin über den Umgang von adidas mit den aufgeführten Rechten.

Ich  möchte Ihnen dies exemplarisch am Beispiel der Fabrik Hermosa in El Salvador verdeutlichen.

Wir haben den Vorstand und den Aufsichtsrat bereits mehrfach mit dem Schicksal dieser NäherInnen konfrontiert, die seit der Fabrikschließung im Mai 2005 auf der Straße stehen. Dass bisher nichts nennenswertes zugunsten  dieser ArbeiterInnen unternommenen wurde, macht diesen Skandal noch größer.

Jahrelang hat die Fabrik Hermosa für adidas gefertigt. Ab 2000 konfrontierten international renommierter Organisationen die adidas AG mit Beweisen über massive Arbeitsrechtverletzungen in der Fabrik Hermosa, wie z.B.

  • mehr als 20 Arbeitsstunden am Tag;
  • Abzug von Sozialabgaben seitens des Fabrikbetreibers OHNE in die Kassen zu zahlen;
  • zu späte Zahlung der Löhne.

Diese Rechercheergebnisse wurden von der adidas AG konsequent ignoriert. Nach fünf Jahren Arbeitsrechtverletzungen halfen sich die ArbeiterInnen schließlich selbst und gründeten im Frühjahr 2005 eine Fabrikgewerkschaft. Kurz darauf wurde die Fabrik geschlossen.

Bis heute stehen die Arbeiterinnen und Arbeiter ohne Rentenanspruch, ohne Zugang zum Gesundheitssystem und ohne ihre gesetzlich garantierten Abfindungen auf der Straße. Zudem stehen die letzten regulären Löhne, die Überstundenbezahlung und die nicht in den Pensionsfonds gezahlten 353.000 US Dollar noch aus.

Nun untersuchte eine der renommiertesten juristischen Stiftungen El Salvadors, FESPAD, die Lebensverhältnisse der Ex-Hermosa-ArbeiterInnen vier Jahre nach der Fabrikschließung.
In 50 Einzelinterviews kam heraus,

  • dass lediglich 5 Prozent der vormals bei Hermosa Angestellten heute eine Festanstellung haben;
  • 50% der Befragten hatten versucht, bei anderen adidas-Zulieferern eine Anstellung zu erhalten, wurden aber abgelehnt, obwohl die Fabrik Arbeitskräfte suchte; dies unterstreicht, dass sie auf sog. schwarzen Listen stehen;
  • dass sich die Zusammensetzung der Ernährung wegen der knappen Finanzmittel drastisch verschlechterte – so besteht sie heute nur noch zu 13 % aus Milch- und Fleischprodukten;
  • dass sich der Gesundheitszustand ihrer Kinder mit der Fabrikschließung verschlechterte;
  • dass die Kinder, oftmals Minderjährige, arbeiten mussten, um zum Familieneinkommen beizutragen und den Schulbesuch unterbrechen mussten.

Ich fasse zusammen: Weil adidas Jahre lang untätig blieb und weil die ArbeiterInnen ihr Recht auf Organisationsfreiheit, wie es das Landesgesetz als auch der adidas-Kodex garantieren, wahrnahmen, wurden sie entlassen und auf schwarze Listen gesetzt, sodass sie auch anderswo keine Arbeit mehr fanden und finden. Seitdem hat sich ihre Einkommenssituation weiter drastisch verschlechtert.

Was tut adidas?

Nach großem internationalem Druck zahlte die adidas AG im Jahr 2006 etwa 17.000 USD in den Nothilfefonds für die entlassenen ArbeiterInnen ein. Dies war ein wichtiger Schritt, der Betrag jedoch vollkommen ungenügend. Sogar die Fair Labor Organisation (FLA), bei der adidas Mitglied ist, schätzt den eigentlichen Schaden auf  800.000 US Dollar.

Des Weiteren konzentriert sich adidas darauf, die Verantwortung von sich zu weisen und reduzierte die angebliche Zeit, bis wann es in Hermosa adidas-Produktion gab, schrittweise zurück auf das Jahr 2002. Die genannte FESPAD-Studie gibt an, dass 95% der Befragten bis im Jahr 2005 adidas-Produkte gefertigt hätten; und selbst die adidas AG erklärte in einer Stellungnahme Mitte 2004 noch schriftlich, welche Trainingsmaßnahmen in Hermosa durchgeführt werden.

Ich frage den Vorstand und den Aufsichtsrat der adidas AG:

  • Welche Schritte gedenken Sie zu unternehmen, um den entstandenen Schaden gegenüber den Hermosa-Arbeiterinnen und Arbeitern zu kompensieren?
  • Sind Sie bereit, einen angemessenen Betrag in den Entschädigungsfonds einzuzahlen?
  • Wann werden Sie aktiv dafür sorgen, dass die ArbeiterInnen, die jahrelang zuverlässig und billig für Sie genäht haben, eine neue Anstellung bei anderen adidas-Zulieferern finden?
  • Wie werden Sie die neue Regierung El Salvadors in die Pflicht nehmen, damit sie die Rechte der ArbeitnehmerInnen besser schützt? Die Zeitungsanzeigen der adidas AG im Herbst 2007 waren (noch unter der alten Regierung) ein erstes, wichtiges Signal.
  • Was wollen Sie grundsätzlich im Bereich Ihrer Unternehmensverantwortung erreichen, um Fälle wie den beschriebene zukünftig zu verhindern?

Ich fordere Sie, sehr geehrte Aktionäre und Aktionärinnen, auf: setzen auch  Sie diesem Trauerspiel auf Kosten der NäherInnen ein Ende. Votieren Sie dafür, dass die adidas AG eine ernstzunehmende Summe in den Nothilfefonds einzahlt. Stimmen Sie solange gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, bis die Notsituation der ehemaligen adidas-NäherInnen in Hermosa beendet ist!

Fordern Sie die Verantwortlichen bei adidas auf, dass den entlassenen ArbeiterInnen annehmbare Arbeitsplätze bei anderen adidas-Produzenten in El Salvador angeboten werden und sie dort ohne Diskriminierung auch arbeiten können.

adidas ist hierzu verpflichtet – sichert die adidas AG in den Arbeitsplatzstandards doch Vereinigungsfreiheit und Sozialleistungen zu. Gegen all dies wurde in Hermosa Jahre lang verstoßen.

Solange die Sorgen über die Arbeitsrechtsverletzungen bei der Herstellung von adidas-Produkten nicht ausgeräumt werden können, ist es mir nicht möglich, für eine Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates zu stimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Für weitere Informationen:

Christliche Initiative Romero, Maik Pflaum, Frauenstr. 3-7, 48143 Münster
Tel: 0251 – 89 503, Fax: – 82 541, cir@ci-romero.de, www.ci-romero.de 

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