Rede Jürgen Grässlin

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Herren Vorstände und Aufsichtsräte der EADS,

heute spreche ich zum zweiten Mal zu Ihnen, bereits im Mai 2005 habe ich eine Hauptversammlung der EADS in Amsterdam besucht. Ich vertrete heute die Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), das RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) und die holländische Kampagne gegen Waffenhandel.

Als einer der Sprecher der Kritischen Daimler-Aktionäre habe ich in den vergangenen Jahren regelmäßig an den Hauptversammlungen des Daimler-Konzerns teilgenommen, der über insgesamt 22,5 Prozent der Stimmrechte der EADS verfügt und damit, neben der französischen Seite, der größte EADS-Anteilseigner ist. Seit rund 20 Jahren üben Vertreterinnen und Vertreter von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften sowie der evangelischen und katholischen Kirche auf den Daimler-Hauptversammlungen massiv Kritik an der Produktion und dem Export militärischer Mercedes-Fahrzeuge und Waffen, früher der DASA, heute der EADS.

Laut Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) ist die EADS der siebtgrößte Rüstungskonzern weltweit, der zweitgrößte in Europa. Diese Spitzenposition hat die EADS durch Waffenlieferungen erzielt, die in großer Zahl selbst an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten erfolgten.

Die Opfer dieser menschenverachtenden Rüstungstransfers der EADS bzw. ihrer Vorgängerorganisationen sind zahlreich. Im Fall des EADS-Anteilseigners Daimler AG kommt, neben den Waffenlieferungen, auch der Einsatz militärischer Fahrzeuge hinzu. So verfügen Militärs und Polizeien beispielsweise im Irak, im Iran, in der Türkei und im Sudan über Mercedes-Militärfahrzeuge.

Wir sind nicht länger bereit, diese Politik der Vorstände der Daimler AG und der EADS N.V. hinzunehmen. Sollten Sie Ihre menschenverachtende Politik fortführen, werden wir Opfer von EADS-Waffen nach Deutschland und auch nach Holland einladen. Wir werden ihnen bei den Hauptversammlungen und auch in der Öffentlichkeit Stimme und Gesicht geben. Als ein erstes Beispiel sei exemplarisch Mpho Masemola aus Südafrika genannt. Dank der Einladung mehrerer Menschenrechts- und humanitären Hilfsorganisationen hatte Herr Masemola auf der diesjährigen Daimler-Jahreshauptversammlung in Berlin die Gelegenheit, sein Schicksal als Opfer des Apartheidregimes darzulegen.

Ernsthafte Antworten auf seine Fragen nach dem Grund der damaligen Unterstützung des rassistischen Systems in Südafrika erhielt er und erhalten auch wir Aktionäre auf den Daimler-Hauptversammlungen nicht. Desgleichen werden Fragen zu EADS-Waffenexporten an menschenrechtsverletzende Regime und an kriegsführende Staaten in Berlin de facto nicht beantwortet.

Stattdessen wird darauf verwiesen, dass diese Fragen am richtigen Ort, nämlich bei der Hauptversammlung der EADS, zu stellen seien, was ich im Folgenden tun will. Ich gehe davon aus, dass die Daimler-Vertreter bei der EADS – allen voran Sie, Herr Uebber, als Daimler-Finanzvorsitzender und Chairman des EADS Board Of Directors – zu Ihrem Wort stehen und unsere Fragen in der gebotenen Differenziertheit und der versprochenen Ernsthaftigkeit beantworten.

Um Ihnen die Antworten zu erleichtern, habe ich die Fragen – wie von der Abteilung Investor Relations der EADS angeregt – zu Beginn der Hauptversammlung schriftlich eingereicht. Für den Fall, dass die mir zugestandene Redezeit nicht ausreichen sollte, um meinerseits alle Fragen zu stellen, so werde ich mich in den folgenden Fragerunden erneut zu Wort melden.

Rüstungsanteil – monetäre Aspekte und Beschäftigte

Frage JG-01: Wie viel Prozent des Umsatzes in Höhe von 42,8 Milliarden Euro hat die EADS im Geschäftsjahr 2009 durch die Produktion und den Export von Waffen bzw. Teilen von Waffen erwirtschaftet und wie hoch lag dieser Anteil in den Jahren 2008 und 2007?

Frage JG-02: Wie viel Prozent des EBIT hat die EADS im Geschäftsjahr 2009 durch die Produktion und den Export von Waffen bzw. Teilen von Waffen erwirtschaftet und wie hoch lag dieser Anteil in den Jahren 2008 und 2007?

Frage JG-03: Zum Jahresende 2009 beschäftigte die EADS 119.506 Mitarbeiter. Wie viele dieser Beschäftigten waren im Geschäftsjahr 2009 in der Rüstungsproduktion tätig und wie hoch war ihre Anzahl in den Jahren 2008 und 2007?

EADS-Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende und an kriegsführende Staaten

In seinem Bericht lobt der Board of Directors, dass die EADS zu den „führenden Anbietern von Militärflugzeugen“ zählt. Diese führende Stellung erzielt das Unternehmen maßgeblich durch den Export von Kampfflugzeugen selbst an menschenrechtsverletzende Staaten. So soll die immense Zahl von 72 Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter/Typhoon an das Regime in Saudi-Arabien exportiert werden, das – laut Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international – schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat. In diesem Zusammenhang frage ich:

Frage JG-04: In welchem Zeitraum erhält Saudi-Arabien die Eurofighter-Kampfflugzeuge?

Frage JG-05: Wie hoch ist der Umsatz und wie hoch sind die veranschlagten Profite aus dem Eurofighter-Waffengeschäft mit Saudi-Arabien?

Des Weiteren erhalten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Tankflugzeuge des Typs A330MRTT.

Frage JG-06: In welchem Zeitraum erhalten die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien A330MRTT-Tankflugzeuge?

Frage JG-07: Wie hoch ist der Umsatz und wie hoch sind die Profite des Waffengeschäfts der A330MRTT-Tankflugzeuge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien?

Malaysia soll Militärtransporter des Typs A400M erhalten, obwohl die Menschenrechtslage in Malaysia bekanntlich gleichsam sehr schlecht ist.

Frage JG-08: Wann und in welcher Stückzahl soll Malaysia die Militärtransporter des Typs A400M erhalten?

Frage JG-09: Wie hoch ist der Umsatz und wie hoch sind die Profite des A400M-Waffengeschäfts mit der menschenrechtsverletzenden Regierung in Malaysia?

Folgenschwer ist auch der Export von Militärhelikoptern, einem Bereich, in dem das EADS-Tochterunternehmen Eurocopter laut eigenen Angaben über die „weltweit größte Auswahl“ verfügt. 140 Länder sind Eurocopter-Kunden. In mehr als 30 Staaten tobten laut Forschungen der Hamburger Universität (siehe www.akuf.de) kriegerische Auseinandersetzungen.

Frage JG-10: Welche Staaten haben im Geschäftsjahr 2009 in welcher Anzahl welche Typen von EADS-Militärhelikoptern erhalten?

Aufschlüsselung nach a) Nato-Staaten  B) NATO-assoziierte Staaten  c) weitere Staaten

Frage JG-11: Welche Verträge hat EADS mit Regierungsvertretern und Militärs in den Empfängerländern geschlossen, die definitiv ausschließen, dass EADS-Waffen bei völkerrechtswidrigen Handlungen und bei Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden?

Frage JG-12: Welche weiteren vertraglichen Vereinbarungen bestehen mit besagten Empfängerländern, um den Einsatz von EADS-Waffen gegen Zivilistinnen und Zivilisten, beispielsweise bei Massakern an der Zivilbevölkerung, auszuschließen?

Die EADS ist weltweit einer der führenden Hersteller und Exporteur von Lenkflugkörpern.

Frage JG-13: Welche Staaten haben im Geschäftsjahr 2009 in welcher Anzahl welche Typen von EADS-Lenkflugkörpern erhalten?

Aufschlüsselung nach a) Nato-Staaten  B) NATO-assoziierte Staaten  c) weitere Staaten, Anzahl und Typ

Die US-Army und die britische Armee führen Krieg im Irak und in Afghanistan, die Bundeswehr in Afghanistan. Dabei kommen EADS-Waffen zum Einsatz.

Frage JG-14: Mit welchen Waffen von EADS kämpfen die Armeen beider Staaten a) im Irak und b) in Afghanistan?

Frage JG-15: Auch die deutsche und die französische Armee führen Krieg in Afghanistan. Mit welchen EADS-Waffen kämpft die französische Armee, mit welchen die Bundeswehr in Afghanistan?

Lassen Sie mich ausdrücklich betonen, dass Sie sich hier in einem Elfenbeinturm befinden. In diesem Saal mag die große Mehrheit der Anwesenden dem Kampfeinsatz der NATO und UNO in Afghanistan zustimmen – schließlich profitiert die EADS vom Krieg in Afghanistan. In Deutschland lehnen nach repräsentativen Umfragen dagegen rund 70 Prozent der Bevölkerung diesen Militäreinsatz ab und fordern den Rückzug der Bundeswehr. In anderen Ländern ist die Stimmung vergleichbar.

Seit Jahren pflegen die EADS und auch die Daimler AG bzw. deren Beteiligungsgesellschaften einen intensiven Geschäftskontakt zum Folterstaat China. In China wurden in den vergangenen Jahren bekanntlich weltweit die meisten Todesurteile vollstreckt. Die Menschenrechtslage gilt als katastrophal. Zu den „wichtigsten Highlights“ zählte 2009 für Eurocopter der Jungfernflug der EC175, einer Gemeinschaftsentwicklung mit der chinesischen AVIC (China Aviation Industry Corporation) am 4. Dezember. Von diesem Programm verspricht sich die EADS ein „großes Marktpotenzial“.

Frage JG-16: Welche zivil wie militärisch nutzbaren Produkte entwickelt die EADS gemeinsam mit chinesischen Vertragspartnern?

Frage JG-17: Welche vertraglichen Vereinbarungen hat die EADS mit den chinesischen Vertragspartnern geschlossen, um die militärische Nutzung vermeintlich ziviler Produkte auszuschließen – so wie dies in zahlreichen Fällen mit den Motoren von Tognum/Daimler geschieht?

Ethische Grundsätze der EADS zu Rüstungsexporten

Im EADS-Geschäftsbericht 2009 ist im Kapitel „Ethics and Compliance“ viel die Rede von ethischen Grundsätzen, dem Versuch Geschäfte ethisch verantwortungsvoll abzuwickeln und ethische Standards einzuhalten. Auch der „Code of Ethics“ weist in diese Richtung. Leider sind die dort aufgeführten Vorgaben das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.

Schließlich liefert die EADS Waffen an Empfängerländer, deren Menschenrechtssituation von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) – einem Zusammenschluss der Evangelischen und der Katholischen Kirche in Deutschland – als „sehr schlecht“  eingestuft wird. Ich frage sie daher:

Frage JG-18: Wie vertragen sich Rüstungsexporte an Staaten mit einer „sehr schlechten“ Menschenrechtslage mit den ethischen Standards und dem „Code of Ethics“ der EADS?

Frage JG-19: Gab es Anfragen für Waffenlieferungen, die im Geschäftsjahr 2009 seitens der EADS abgelehnt wurden, wenn ja, mit welcher Begründung?

Frage JG-20: Wie verträgt sich die Beteiligung an Atomwaffenprogrammen wie M51 u.a. mit der „ethischen Verantwortung des Konzerns“, wie sie seitens des Board of Directors propagiert wird?

Rüstungskonversion bei der EADS

Der EADS-Geschäftsbericht 2009 ist überschrieben mit „Bringing our world together“. Zutreffender und ehrlicher wäre der Titel gewesen: „Destroying our world more and more“. Diese Titel hätte sowohl das ökologische Ausmaß der Zerstörung und die drohende Klimakatastrophe – maßgeblich mitverursacht durch den Flugverkehr – zum Ausdruck gebracht.

Zudem wäre klarer geworden, dass EADS zu den weltweit führenden Kriegsprofiteuren zählt. Das Unternehmen erwirtschaftet einen nicht unerheblichen Teil Ihrer Profite durch die Belieferung menschenrechtsverletzender Regime und Armeen kriegsführender Staaten, in denen die Waffen zum Einsatz kommen, häufig gegen die Zivilbevölkerung.

Ethisch verantwortungsvoll wäre, im Gegensatz zu Waffenproduktion und Rüstungsexporten die Umstellung auf eine sinnvolle zivile Fertigung, die so genannte „Rüstungskonversion“. Ich möchte Sie ausdrücklich auffordern: Steigen Sie aus dem Geschäft mit dem Tod aus! Stellen Sie Ihre Produktion auf eine sinnvolle, zivile Fertigung um!

Vielen Dank

Jürgen Grässlin

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E-Mail: office@dfg-vk.de, Homepage: www.dfg-vk.de

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Stühlinger Straße 7, 79106 Freiburg

Tel.: 0761-76 78 088, Fax: 0761-76 78 090

E-Mail: rib@rib-ev.de, Homepage: www.rib-ev.de

Jürgen Grässlin ist Autor zahlreicher Bücher über Rüstungskonzerne und Waffenhandel. Seine Biografie über den Daimler-Vorsitzenden Schrempp wurde weltweit verkauft. Das Buch „Das Daimler-Desaster“ erklomm Platz 1 aller vier Wirtschaftsbestsellerlisten in Deutschland. Grässlin ist Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.).

Kontakt: Tel.: 0761-76 78 208, Fax: 0761-76 78 209

E-Mail: j.graesslin@gmx.de, Homepage: www.juergengraesslin.com

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