Virtuelle Hauptversammlungen: Unsere Forderungen an das Justizministerium

Stellungnahme des Dachverbands zum Entwurf einer Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

An das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz

Vielen Dank für Ihre Einladung an uns, zu der geplanten Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Stellung zu beziehen. Als Aktionärsvereinigung sehen wir insbesondere in der geplanten Verlängerung der Regelungen für virtuelle Hauptversammlungen ein zentrales Anliegen.

Wir teilen Ihre Auffassung, dass durch die aktienrechtlichen Regelungen die Unternehmen keinesfalls dazu gezwungen sind, ihre Hauptversammlungen als rein virtuelle Versammlungen abzuhalten. Insbesondere begrüßen wir Ihre Sichtweise, dass wieder Präsenzversammlungen abgehalten werden können und sollten, sofern die konkrete Pandemiesituation dies zulässt.

Aufgrund der Erfahrungen, die wir und unsere Mitgliedsorganisation urgewald e.V. mit der Praxis von virtuellen Hauptversammlungen in der Saison 2020 gemacht haben, halten wir für die Hauptversammlungssaison 2021 einige Änderungen für dringend geboten. Es reicht leider nicht aus, dass der Vorstand nur „nach eigenem Ermessen“ Auskünfte auf Fragen der Aktionär*innen gibt. Vielmehr ist es dringend erforderlich, dass wir § 131 des Aktiengesetzes ernst nehmen: Erst durch das dort verbriefte Auskunftsrecht der Aktionär*innen kann die Geschäftstätigkeit von Unternehmen sachgemäß beurteilt werden. Werden virtuelle Hauptversammlungen wie 2020 mit eingeschränkten Aktionärsrechten durchgeführt, ist die vom Gesetz geforderte Maßgabe nicht gewährleistet.

Unsere konkreten Forderungen und Änderungsvorschläge:

1. Möglichkeit für Hybrid-Hauptversammlungen
Wir plädieren für sogenannte Hybrid-Hauptversammlungen. Neben der Online-Übertragung von Hauptversammlungen sollte Vertreter*innen von Aktionärsvereinigungen und Banken sowie Aktionär*innen, die ihr Rederecht wahrnehmen wollen, bei frühzeitiger Anmeldung die Möglichkeit zur physischen Teilnahme eröffnet werden.

2. Pandemiebezogene Kriterien für virtuelle Hauptversammlungen
Falls Aktiengesellschaften beschließen, ihre Hauptversammlung nur virtuell durchzuführen, müssen sie dafür nachvollziehbare Gründe nennen. Ein wichtiges Kriterium hierfür sollten die Richtlinien und Risikoeinschätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Gesundheitsämter für die jeweilige Region oder Stadt sein, in der die Hauptversammlung stattfindet.

3. Eingereichte Gegenanträge müssen beachtet werden
Wenn eine Hauptversammlung aufgrund o.g. Kriterien nur virtuell stattfinden kann, müssen die Partizipationsmöglichkeiten von Aktionär*innen erweitert werden.
So soll denjenigen Aktionär*innen, die Gegenanträge eingereicht haben, erlaubt werden, diese in der Hauptversammlung stellen und begründen zu können. Alternativ könnten Gegenanträge auch von einem Vertreter der jeweiligen Aktiengesellschaft vorgetragen werden. Aktiengesellschaften haben frist- und formgerechte Gegenanträge zwar nach § 126 des Aktiengesetzes auf ihren Internetseiten öffentlich zugänglich gemacht, etliche Aktiengesellschaften haben die Gegenanträge aber nicht weiter behandelt – mit dem Verweis darauf, dass diese auf einer virtuellen Hauptversammlung nicht mündlich gestellt werden könnten.

4. (Nach-)Fragemöglichkeit auch während der virtuellen Hauptversammlung
Wir unterstützen den Vorschlag des BMJV, Fragen auch noch während der Hauptversammlung einreichen zu können. Allerdings sollte es nicht bei der Kann-Bestimmung bleiben; wir plädieren dafür, dieses klassische Aktionärsrecht auch in virtuellen Hauptversammlungen zu verbriefen. Ferner sollten Aktionär*innen die Möglichkeit erhalten, nach den Antworten von Unternehmensseite noch nachhaken zu dürfen. Dies sollte entweder per audiovisuellem Beitrag oder zumindest schriftlich im Chat der virtuellen Hauptversammlung möglich gemacht werden. In den letzten Monaten haben zwar etliche Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende ihre Reden öffentlich gemacht, aber erst nach der Frist zum Einreichen von Fragen – eine Bezugnahme war somit nicht möglich, wodurch etliche Fragen nur mit Verweis auf die zuvor gehaltene Rede in der Hauptversammlung beantwortet worden sind.

5. Rückkehr zu normalen Einladungsfristen
Wichtig ist auch, dass die Einladungsfristen zu den Hauptversammlungen wieder verlängert werden. Im Jahr 2021 können die Aktiengesellschaften wieder mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf ihre Hauptversammlungen terminieren. Aufgrund der derzeit auf zwei Wochen verkürzten Frist kommen Einladungen manchmal sehr spät bei den Aktionär*innen an. In etlichen Fällen war dadurch keine fristgerechte Stimmrechtsübertragung bzw. Vollmachtserteilung an Dritte, Banken oder Aktionärsvereinigungen mehr möglich – gerade dann, wenn die Vollmachtserteilungen postalisch erfolgen.

Wir würden uns freuen, wenn unsere Forderungen und Änderungsvorschläge Berücksichtigung fänden.

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