Kupfer-Lieferkette, Umweltschutz, Menschenrechte, Bilanzgewinn und Unternehmensgeschichte: Unsere Fragen an den Aurubis-Konzern

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Christliche Initiative Romero (CIR), die Kampagne Bergwerk Peru, Goliathwatch und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre richten 38 Fragen an den Vorstand der Aurubis AG.

1. Fragen zur Verwendung des Bilanzgewinns
1.1. Die Kupferproduktion belastet die Umwelt und führt zu gesundheitlichen Schäden bei der Bevölkerung in den Bergbauregionen und an den Standorten der Kupferhütten. Trotzdem weist die Aurubis AG weder in ihrem Geschäftsbericht noch in ihrem nichtfinanziellen Bericht ihre Rückstellungen für Umwelt- und Gesundheitsschutz aus. Bitte nennen Sie uns detailliert die Höhe der Rückstellungen für:
– zu erwartende Belastungen für die Sanierung kontaminierter Standorte
– Maßnahmen zum Gewässerschutz
– zur Rekultivierung von Deponien
– zur Beseitigung von Umweltbeeinträchtigungen an bestehenden Produktions- oder Lagereinrichtungen
– die medizinische Behandlung ihrer Mitarbeiter*innen aufgrund berufsbedingter Erkrankungen
– die medizinische Behandlung von Anwohner*innen von Aurubis-Produktionsstandorten und von Aurubis-Lieferanten  

1.2. Bitte nehmen Sie Stellung zum Vorschlag, für das zurückliegende Geschäftsjahr auf die Ausschüttung einer Dividende zu verzichten und den Betrag statt dessen für die Einrichtung folgender Fonds zu verwenden:
a) die Einrichtung eines Umwelt-Fonds, mit dem ökologische Schäden, die auf die Kupferproduktion zurückzuführen sind, ausgeglichen werden;
b) die Einrichtung eines Fonds für Gesundheitsschäden, die auf die Kupferproduktion zurückzuführen sind;
c) die Einrichtung eines Sozialfonds für die Bevölkerung in Regionen, in denen Kupfer abgebaut wird.


2. Fragen zur „Copper Mark“
2.1. Die Kupferindustrie hat mit der „Copper Mark“ in kurzer Zeit ihr Rahmenwerk entwickelt und verspricht Unternehmen, dass ihre Unterlagen innerhalb von zehn Geschäftstagen geprüft werden können. Zivilgesellschaftliche Organisationen befürchten, dass der Standard vor allem das Ziel verfolgt, möglichst vielen Unternehmen möglichst schnell die Anforderungen der Londoner Metallbörse an einen verantwortungsvollen Bezug zu bescheinigen, statt einen wirkungsvollen Standard mit hohem Ambitionsniveau zu entwickeln. Wie stehen Sie zu dieser kritischen Einschätzung?

2.2 Aurubis bekennt sich zum neuen Nachhaltigkeitssiegel „Copper Mark“. Das Siegel ist freiwillig und bisher kaum verbreitet. Wie können Sie gewährleisten, dass die Nachhaltigkeitskriterien der „Copper Mark“ bei den Lieferanten von Aurubis eingehalten werden?

2.3. Hat „Copper Mark“ unmittelbar sowie potenziell betroffene Stakeholder konsultiert?

2.4. Fordert die „Copper Mark“ von Aurubis die Umsetzung von Sorgfaltsmaßnahmen im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie eine transparente Berichterstattung über Risikoanalysen und Abhilfemaßnahmen?

2.5. „Copper Mark“ hält nicht in allen Fällen einen Besuch der Produktionsstätten für erforderlich, sondern erachtet die Selbsteinschätzungen der Unternehmen für ausreichend. Teilen Sie angesichts der gravierenden menschenrechtlichen und umweltbezogenen Auswirkungen des Kupferbergbaus diese Einschätzung?

2.6. Halten Sie die „Copper Mark“ für einen effektiven und glaubwürdigen Ansatz, obwohl weder betroffene Gemeinden noch zivilgesellschaftliche Akteure einbezogen werden? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

2.7. Wie viele der peruanischen Minen, aus denen Aurubis Kupfer bezieht, haben das „Copper Mark“-Siegel?

2.8. Welche Mechanismen darüber hinaus setzen Sie für das Monitoring von Nachhaltigkeitskriterien ein, insbesondere für den Bezug von Kupfer aus Ländern mit schwachen Strukturen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt?

2.9. Das Aurubis-Werk in Bulgarien hat bisher lediglich einen „Letter of Commitment“ zur Umsetzung des Siegels unterzeichnet. Warum?

2.10. Leiharbeiter und Subcontractor-Mitarbeiter der Aurubis in Bulgarien klagen über unzureichenden gesundheitlichen Schutz bei der Verarbeitung von schwermetallhaltigem Staub in Produktionsprozessen im dortigen Aurubis-Werk. Werden diese Arbeitnehmerbeschwerden bei der Copper Mark Zertifizierung erfasst?

2.11. Werden Sie unabhängige Kontrollen und Befragungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz von Leiharbeiter- und Subcontractor-Mitarbeitern am Aurubis-Werk zulassen?

3. Fragen zur Transparenz in der Lieferkette
3.1. In seiner Nachhaltigkeitsstrategie betont Aurubis seine Verantwortung für Umwelt- und Klimaschutz. Weiter verlangt Aurubis von seinen Geschäftspartnern unter anderem, dass UN-Konventionen in Bezug auf Menschenrechte, Umweltschutz und Sicherheit eingehalten werden. Damit ist Aurubis für das Handeln seiner Geschäftspartner mitverantwortlich. Wie beurteilt Aurubis das eigene Haftungsrisiko nach dem Zustandekommen eines nationalen Lieferkettengesetzes?

3.2. Werden Sie in Zukunft für mehr Transparenz über Ihre Lieferketten sorgen?

3.3. Werden Sie umfassende Risikoanalysen für die einzelnen Lieferanten veröffentlichen und transparente Abhilfe- und Wiedergutmachungsmaßnahmen im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitsätze für Mulitnationale Unternehmen ergreifen? Wenn ja: wann? Wenn nein: warum nicht?

3.4. Laut der Handelsdatenbank Panjiva unterhalten sie Lieferbeziehungen mit dem mexikanischen Bergbaukonzern Grupo México, der 2014 eine schwerwiegende Umweltkatastrophe im Umfeld der Mine Buena Vista del Cobre verursachte. Erst im November 2020 räumte eine staatliche Gesundheitsbehörde ein, dass das weiterhin massiv kontaminierte Brunnenwasser eine Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung darstellt. Sind Sie über die Auswirkungen der Bergbaukatastrophe von 2014 informiert?
Haben Sie mit den betroffenen Menschen gesprochen?

3.5. Werden Sie sich gegenüber Grupo México dafür einsetzen, dass die Schäden des Dammbruchs behoben und die erkrankten Menschen angemessen behandelt werden?

3.6. Werden Sie Druck auf Grupo México ausüben, damit der Konzern wirksame Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung von neuen Dammbrüchen ergreift?

3.7. Wird Aurubis die Sorgfaltspolitik im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie den OECD-Leitsätzen für Multinationale Unternehmen dahingehend anpassen, dass bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltrechtsverstößen nach außen hin nachvollziehbare Abhilfe- und Wiedergutmachungsmaßnahmen ergriffen werden? Wenn ja: wann? Wenn nein: warum nicht?

4. Fragen zum Kupferabbau in Norwegen
4.1. Wie will die Aurubis AG sicherstellen, dass beim Kupferabbau durch seinen Partner Nussir ASA in Nordnorwegen die grundlegenden Menschenrechte der indigenen Sami gewahrt sind, insbesondere das Recht auf freie, vorherige, informierte Zustimmung (FPIC)?

4.2. Aurubis hat sich zu einer sorgfältigen Auswahl seiner Vertragspartner im In- und Ausland verpflichtet. Eingekaufte Materialien sollen unter Einhaltung der geltenden Gesetze, Rechtsvorschriften, Statuten oder Anforderungen des Herkunftslandes produziert beziehungsweise exportiert werden. Nach welchen Kriterien geschah die Überprüfung des Vertragspartners Nussir ASA?

4.3. Die Sami, die in der Region der künftigen Mine Rentierherden halten, lehnen den Kupferbergbau ab. Nils Utsi, der Vorsitzende der Repparfjord Rentierhalter, betont, dass seit Menschengedenken Tausende ihrer Rentiere in ihrem Frühjahrszug in die Region um den Fjord kommen. Kupferbergbau wäre für ihn ein ökologisches Verbrechen und eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz. „Die Mine ist der Kreißsaal unserer Herden. Wenn sie wirklich die Arbeit aufnimmt, werden wir unsere Herden verlieren.“ Welche Maßnahmen wird Aurubis ergreifen um sicherzustellen, dass die sensiblen Gewässer des Repparfjords durch die Verklappung von Rückständen des Kupferbergbaus keinen Schaden nehmen?

4.4. Diese Methode hat während des Betriebs der benachbarten Kupfermine im Gumppenjunni zwischen 1972 und 1978 dazu geführt, dass durch die Entsorgung von rund drei Millionen Tonnen Restmasse im Fjord der Lachsbestand massiv reduziert und das Laichgebiet des lokalen Küstendorsches zerstört wurden. Die Folgen für das marine Ökosystem und die Fischergemeinden waren verheerend. War Aurubis dieser Ökozid bekannt?

5. Fragen zum Gesundheitsschutz und zu Corona-Schutzmaßnahmen bei Aurubis

5.1. Welche Maßnahmen ergreift Aurubis, um Corona-Risiken bei seinen Zulieferern zu minimieren? Wie reagiert Aurubis auf mangelnde Maßnahmen bei seinen Zulieferern, wie z.B. im Fall der Mine Tintaya-Antapaccay in der Provinz Espinar (Region Cusco), wo sich im Sommer 2020 die Betreibergesellschaft der Auszahlung einer einmaligen Corona-Hilfe an die Bevölkerung aus einem regionalen Entwicklungsfonds widersetzte.

5.2. Aurubis veröffentlichte in einer Pressemitteilung vom 23.04.2020, dass sie für das marode  Krankenhaus in Pirdop 80.000€, davon 30.000€ für Corona-Schutzmaßnahmen in 2020 spendeten.  Gleichzeit spendeten Privatleute Matratzen und Einwegmasken für das Krankenhaus. Warum gibt Aurubis so wenig für die Gesundheit der Bevölkerung der Region am Standort Pirdop aus, wenn das dortige einen Gewinnbeitrag von 136.204.000 €  erwirtschaftete?

5.3. Im Aufsichtsrat der Aurubis sitzt Prof. Dr. Karl Friedrich Jakob, der auch im abgelaufen Wirtschaftsjahr Vorsitzender des Aufsichtsrats der Knappschaft Kliniken GmbH war. Warum vermittelt er nicht zwischen den beiden ähnlichen Krankenhäusern der Montanindustrie?


6. Fragen zu Arsen
6.1. Aurubis stellte in 2019 das Programm Future Complex Metallurgy ein, gleichzeitig ist der Konzern Kooperationspartner eines Forschungsprojekts: REAK Reduktion von Arsen in Kupferkonzentraten in Chile. Warum informieren Sie die Aktionäre nicht über das Projekt?

6.2. Warum berücksichtigt die Aurubis AG  in ihren Umwelt- und Gesundheitsprogrammen die Folgeschäden aus der Verarbeitung von hoch arsenkonzentrierten Kupferkonzentraten im Hüttenwerk in Bulgarien und die seiner Zulieferer nicht?

7. Fragen zu Arbeitnehmerrechten
7.1. In einer jüngsten Studie der NGO Bankwatch Network zur Rohstoffgewinnung und Verarbeitung werden Missbrauch von Arbeitnehmerrechten von Leiharbeitern im Aurubis-Werk in Bulgarien kritisiert. Kennen Sie die Studie?

7.2. Es werden schwerwiegende Verstöße gegen die Garantien von Arbeitsrechten aufgeführt, mangelnder Gleichbehandlung der beschäftigten Mitarbeiter und von Leiharbeitern. Indirekt bei Aurubis beschäftigte Arbeitnehmer werden vom Management der Aurubis Bulgaria AG mit Verweis auf eine Vertraulichkeitserklärung  so eingeschüchtert, dass diese Angst haben, über schlechte Arbeitsbedingungen zu sprechen.  Was unternimmt Aurubis, um elementare Arbeitnehmerechte auch für Leiharbeiter und Sub-Mitarbeiter nach europäischen Standards zu gewährleisten?


8. Fragen zu Namibia
8.1. Aurubis sollte mit der eigenen Unternehmensgeschichte transparent umgehen und Historiker*innen es ermöglichen, diese aufzuarbeiten. Die kurze Erwähnung des Völkermords an den Herero und Nama in einem separaten Infokasten in der eigenen Firmenchronik „Cu 150.0“ (S. 52) wird weder dem Umfang der Kolonialverbrechen noch dem eigenen Anspruch von Aurubis, ein „geschichtsbewusster“ Konzern zu sein, gerecht. Welche Möglichkeiten zieht der Vorstand in Erwägung, um die mangelnde Transparenz im Hinblick auf die die kolonialhistorischen Verflechtungen der Kupfermine in Tsumeb herzustellen?

8.2. Kommt eine umfassende Öffnung der Archive, die der Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv mit Sitz in Hamburg anvertraute wurden, in Frage? Mit welcher Begründung?

8.3. Sind (finanzielle) Kooperationen mit neutralen Forscher*innen von Universitäten und nicht mit beauftragten Historiker*innen denkbar, um die historischen Materialien aufzuarbeiten? Aus welchen Gründen genau?

8.4. In wie vielen Fällen und aus welchen Gründen wurde bisher Wissenschaftler*innen und Journalist*innen der Zugang zu dem Unternehmensarchiv von Aurubis in der Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv mit Sitz in Hamburg verweigert?

8.5. Welche Formen der finanziellen Entschädigung und Reparation sieht der Vorstand für die Aurubis AG als direkte Profiteurin der Folgen des Genozids, um dieses koloniale Kapitel der Firmengeschichte angemessen aufzuarbeiten?


9. Frage zur Diversität im Vorstand
9.1. Die Aurubis AG sollte bei der Besetzung von Führungsfunktionen im Unternehmen auf Vielfalt (Diversity) achten und dabei insbesondere eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anstreben. Warum halten Sie die empfohlene Quote für Frauen im Vorstand nicht ein? Wann werden Sie die Quote einhalten?


10. Frage zur Biodiversität
10.1. Warum wird der Dushanzi-Stausee als Natur- und Biodiversitätsschutzgebiet (EU-Natura2000) in den Aurubis Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichten nicht berücksichtigt?


Die Gegenanträge des Dachverbands zu TOP 2, 3 und 4 finden Sie hier:
https://www.kritischeaktionaere.de/aurubis/gegenantraege-2021-48-3/

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