Rede Astrid Matthiae

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Astrid Matthiae. Ich bin Hamburgerin.

Die Norddeutsche Affinerie, heute Aurubis AG, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge getan, um das alte Schmuddelimage abzulegen, mit Erfolg. Aurubis ist ein besserer Nachbar geworden.

Um so schwerer fiel es vielen Menschen in Hamburg zu verstehen, warum sich Hamburgs Kupferhütte im Jahr 2007 dafür entschied, sich für seine Stromversorgung die dreckigste Variante auszusuchen und: sich daran auch noch für Jahrzehnte zu binden.

Im Mai 2007 gab die Norddeutsche Affinerie bekannt, das Unternehmen „beteiligt sich durch eine (virtuelle) Kraftwerksscheibe am Steinkohlekraftwerk, das die Vattenfall Europe AG in Hamburg-Moorburg errichten will. Bereits ab dem 1. Januar 2010 wird der NA Konzern für die Dauer von 30 Jahren eine Milliarde Kilowattstunden Strom pro Jahr von Vattenfall beziehen.“

Die Genehmigung zum Kraftwerksbau war noch gar nicht erteilt. Sie sollte mit dieser Einigung herbeigeführt werden. (Ich zitiere weiter aus der Pressemitteilung vom 4. 5. 2007):

„Wir erwarten nun, dass der Senat die Genehmigungsfähigkeit des Gesamtprojekts Moorburg wie eingereicht bestätigt“, so die beiden Vorstände weiter.“…
„Der so genannte virtuelle Kraftwerksanteil der NA wird sich auf 115 MW belaufen.“

Wie eingangs bereits angedeutet, halte ich es aus verschiedenen Gründen für notwendig, aus diesem Vertrag so schnell wie möglich auszusteigen.

Und: Gerade jetzt dürfte es Möglichkeiten für eine Beendigung des Vertrags mit Vattenfall geben.

Warum also der Ausstieg?

Vattenfalls Pläne, in Hamburg-Moorburg ein Kohlekraftwerk mit der installierten Leistung von mehr als 1.600 MW zu bauen, war von Anfang an mehr als umstritten. Eine Mehrheit hatte der geplante Kohlemeiler nie, jetzt schon gar nicht.

Damals wie heute stellt(e) sich der NA Konzern, bzw. die Aurubis gegen die Hamburger Bevölkerung.

Da frage ich mich, bzw. ich frage Sie, den Vorstand:
Warum haben Sie sich über die große Ablehnung in der Hamburger Bevölkerung gegenüber einem Kohlemeiler hinweggesetzt?

Für die Ablehnung eines neuen Kohlekraftwerks in Hamburg gab es ja in der Mitte der 2000er Jahre und lange davor gewichtige Gründe. Sie gelten bis heute:
Mit jährlich 8 – 9 Mio. t CO2 würde das Kraftwerk Moorburg das Klima anheizen, sollte es in Betrieb gehen. Das ist kein Pappenstiel, sondern rund die Hälfte dessen, was Hamburg sowieso schon jährlich an CO2 in die Atmosphäre schickt.

Meine Frage an den Vorstand? Lässt Sie das kalt?

Wollen Sie wirklich mitverantwortlich sein für diesen hohen klimaschädigenden CO2-Ausstoß?

Nach Angaben der Münchener Rückversicherung hat sich die Zahl der Wetterkatastrophen seit 1980 weltweit nahezu verdreifacht. Die Zahl von Hochwasserereignissen in Deutschland und Europa hat sich laut Münchener Rück im selben Zeitraum etwa verdoppelt.

Auch in Norddeutschland haben wir im vergangen Jahr einiges zu spüren bekommen. Es ging vergleichsweise glimpflich ab. Viel schlimmer die Fluten auf den Philippinen, Sardinien und in Südengland.

Nach uns die Sintflut? Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren.

Aus den Kraftwerksschloten soll aber noch mehr kommen:

Ich will nur zwei Schadstoffe nennen, die für die nähere Umgebung relevant sind: Feinstaub und Stickoxide. Beide sind als Ursache sowohl für Erkrankungen der Atemwege als auch des Herzkreislaufsystems lange bekannt. Hauptbetroffene sind Kinder und alte Menschen.

Überall dort, wo in Deutschland in den vergangenen Jahren Kohlekraftwerke geplant wurden, sind die Ärzteinitiativen wie Pilze aus dem Boden geschossen. In Wilhelmsburg ist es der Verein Wilhelmsburger Ärzteschaft. Er warnt, für Feinstaub seien in Hamburg die in Deutschland relativ hoch angesetzten Belastungsgrenzen bereits im Jahr 2006 mehrfach überschritten gewesen und zwar gerade auch an Orten, die vom Feinstaub aus den Kraftwerksschloten von Moorburg reichlich abbekommen dürften, immerhin 400 Tonnen jährlich.

Genehmigt sind auch 6.000 Tonnen Stickoxide.

Vor allem die für eine Zusatzbelastung durch das Kohlekraftwerk Moorburg relevanten Stadtteile leiden bereits jetzt unter einer Stickoxidbelastung deutlich oberhalb des gültigen Grenzwerts. D.h., der Zustand ist bereits jetzt gesetzeswidrig. Und durch das Kohlekraftwerk würde Hamburgs Stickoxidbelastung noch einmal um mehr als 28 Prozent erhöht.

Ich frage den Vorstand: Durch ihre Beteiligung wäre die Aurubis AG

für die zusätzliche, z.T. ungesetzliche Luftbelastung mitverantwortlich. Wollen Sie das?

Und welchen Ausweg sehen Sie?

In den vergangenen Jahren ist auch mehr und mehr bekannt geworden über die Menschenrechtslage und über die Umweltprobleme, die mit den Abbaubedingungen in den Kohle-Exportländern verbunden sind. Herkunftstransparenz gibt es nicht. Hinweise wie Importstatistiken deuten besonders auf die USA und Kolumbien.

Zu Kolumbien nur einige Stichworte: 25.000 Morde durch Paramilitärs allein in den vergangenen acht Jahren. Morde, und in der jüngeren Vergangenheit Morddrohungen gegen Gewerkschaftsführer im Kohleabbaugebiet.

Die Steinkohle wird dort im Tagebau gewonnen.

Morddrohungen auch gegen AnwohnerInnen, die sich gegen Umsiedlung wehren.

Umweltvergiftungen, hohe Gesundheitsbelastung für Bergbaubeschäftigte und AnwohnerInnen bis hin zu Missbildungen bei Neugeborenen.

Auch in den USA sind die Bedingungen des Kohleabbaus indiskutabel. U.a. der kürzlich gesendete ZDF-Film „Böse Mine –Gutes Geld“ gibt über Details eindrucksvoll Auskunft, ebenfalls der gerade vorgestern ausgestrahlte NDR-Film „Die Rückkehr der Kohle“.

Ich frage den Vorstand: Sind Ihnen diese Kritikpunkte bekannt?

Haben Sie sich über die sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen des Kohleabbaus in den wahrscheinlichsten Lieferregionen informiert?

Auch bei Stellen, die unabhängig von den Lieferanten u. Regierungen Auskunft geben können?

Haben Sie von Vattenfall volle Transparenz über die Lieferländer seiner Kohle verlangt? Werden Sie das in Zukunft tun?

Nach den genannten Punkten bezüglich des Klimas, der Schadstoffbelastung in Hamburg und bezüglich der hochproblematischen Bedingungen in den Herkunftsländern der Kohle dürfte klar sein: Eine langfristige Bindung an die dreckigste Form der Stromerzeugung ist für Aurubis alles andre als sinnvoll.

Angesichts des vielzitierten Fachkräftemangels dürfte sie auch nicht besonders hilfreich sein bei der Suche nach den besten Köpfen. Denen ist es oft nicht mehr egal, welches Image das Unternehmen hat, in dem oder für das sie arbeiten.

Und eine gute Akzeptanz in der Stadt ist doch auch was wert, oder?

Also, wie raus aus dem Vertrag?

Meine Frage an den Vorstand:  Haben Sie sich mit dem Thema `Ausstieg aus dem Vertrag mit Vattenfall´ in der jüngeren Vergangenheit beschäftigt? Mit welchem Ergebnis?

Wenn ich es recht verstanden habe, dann handelt es sich nicht nur um einen langfristigen Liefervertrag, sondern auch um eine Beteiligung am Kraftwerk selber.

Ich bitte den Vorstand um Auskunft: Stimmt das?

Die ursprünglich geplante Bausumme ist mittlerweile angestiegen.

Muss Aurubis die Mehrkosten mittragen? Um welche Summe geht es?

Woran haben Sie sich vertraglich genau beteiligt?

An einem simplen Kohlekraftwerk oder an einem Kohlemeiler mit ganz besonderen, aus Sicht von Vattenfall z.T. ökologisch positiven Eigenschaften?

Treffen die geplanten Eigenschaften noch zu?

Und wie sieht es aus mit etwa vertraglich versprochenen Gewinnen?

Was ist da noch zu erwarten?

Ich bitte um Auskunft.

Dazu zum Schluß noch einige Hinweise:

Vattenfall wollte das viele CO2 mit Hilfe von CCS-Technik unter der Erde verpressen. Daraus wird nichts.

Stichwort Kühlwasserentnahme und Hybridkühlturm. Keine der beiden zur Diskussion stehenden Varianten steigert die Rentabilität. Es geht lediglich um den Grad der Ertragsminderung.

Das Kraftwerk Moorburg kann nicht mehr nach dem alten gewinnversprechenden Konzept betrieben werden. Es sollte Hamburgs Westen mit Fernwärme beliefern, und zwar aus einer Monopolstellung heraus. Das hat sich erledigt und damit gleichzeitig auch das Thema Kraftwärmekopplung.

Meine Frage an den Vorstand: Gehört die Kraftwärmekopplung zu den evtl. vertraglich vereinbarten Charakteristika des Kraftwerks?

Durch den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze ist die Moorburgtrasse „abgewählt“. Das hat der Hamburger Senat jetzt verstanden. Und Wärmeauskopplungen nach Süden sind weder beantragt, noch angesichts des Volksentscheids realistisch.

Und nicht nur die Moorburgtrasse wurde abgewählt, Vattenfall wurde abgewählt: „den största miljöboven i Sveriges historia“, was auf Deutsch heißt: „der größte Umweltschurke in  der Geschichte Schwedens“.

Dieser Ausspruch stammt nicht etwa von einem Umweltaktivisten, sondern von dem zuständigen schwedischen Minister, Peter Norman. Bekanntlich wird Schweden zur Zeit nicht etwa rot-grün, sondern bürgerlich regiert.

Übrigens: die beiden anderen Metallhütten in Hamburg kommen ohne Vattenfall aus. Ist es möglicherweise sogar kostengünstiger, sich seinen Strom ohne eine langfristige Bindung an den „größten Umweltschurken in Schwedens Geschichte“ zu besorgen?

Auch dazu bitte ich den Vorstand um Auskunft.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die Beantwortung meiner Fragen.

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  1. […] Astrid Matthiae, von Beruf Journalistin, hat für Gegenanträge recherchiert und auf Hauptversammlungen gesprochen. Weil sie einschätzen kann, welche Gefahr Kohlekraftwerke für das Klima und die menschliche Gesundheit darstellen, hat sie sich in ihrer Heimatstadt Hamburg für die Abschaltung des Kraftwerks Moorburg eingesetzt.  Sie organisierte eine Gegenveranstaltung zu den Vattenfall-Lesetagen, weil sie fand, das schwedische Unternehmen sei „ein menschenfeindlicher Energiekonzern, der durch Kultur von seinem dreckigen Kerngeschäft ablenken will“.  Dem Kupferkonzern Aurubis warf Astrid Matthiae auf der Hauptversammlung im Jahr 2014 vor, er habe sich für seine Stromversorgung „die dreckigste Variante“ ausgesucht (https://www.kritischeaktionaere.de/aurubis/rede-astrid-matthiae/). […]

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