„Gemeinde aus der Luft mit Glyphosat angegriffen“: Rede von Alan Tygel

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Alan Tygel und ich komme aus Brasilien. Ich bin von der brasilianischen Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben.

In Brasilien hören wir seit vielen Jahren “Wenn es Bayer ist, dann ist es gut”. Dieser berühmte Werbespruch hat aber einen absichtlichen Geburtsfehler. Denn ausgelassen wurde die sich aufdrängende Frage: Wenn es Bayer ist, dann ist es gut für wen?

Bayer besitzt in Brasilien die Lizenz für 109 Agrargifte, die auf Basis von 50 verschiedenen Wirkstoffen produziert werden. Von diesen sind 50 Prozent hochtoxisch oder sehr toxisch für die menschliche Gesundheit und 53 Prozent sind hochgefährlich oder sehr gefährlich für die Umwelt.

Jedes Jahr werden Tausende von brasilianischen Bürgerinnen und Bürgern durch solche Agrargifte vergiftet. Die Zahl steigt Jahr für Jahr an: 2007 lag sie bei 2.726 Fällen, 2017 schon bei 7.200, ein Anstieg um 164 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Verkauf der aktiven Wirkstoffe in von Bayer verkauften Agrargiften von 205.000 auf 540.000 Tonnen, ebenfalls ein Anstieg um 164 Prozent. Handelt es sich dabei um einen mathematischen Zufall? Für die 2.185 Personen, die in Brasilien zwischen 2007 und 2017 an einer Vergiftung durch Agrargifte verstorben sind, muß man sagen, wenn es Bayer ist, dann ist es nicht gut.

Die offiziellen Zahlen der Opfer jedoch ist weit entfernt der Realität. Im Süden des Bundesstaats Pará, einem der ärmsten ganz Brasiliens, wurde eine Landlosen-Gemeinde aus der Luft mit Glyphosat angegriffen. Eines der Opfer, das keine medizinische Hilfe erhielt, berichtete: “Das Flugzeug schoss regelrecht heran und besprühte alles, auch die Leute. Unsere Pflanzen, die starben, haben alle Blätter abgeworfen. Ich bekam Asthma, wie ich es noch nie hatte. Und jetzt bin ich wegen nichts gleich erschöpft, immer vergrippt, nie mehr wurde das besser”. Leider ist das kein Einzelfall. Für die Opfer der von Bayer produzierten Giftwaffen, damals und heute, gilt mit Sicherheit, wenn es von Bayer ist, dann ist es nicht gut.

Wenn das Gift für Menschen stark ist, dann sind kleine Dosen für Insekten tödlich. Zwischen Dezember 2018 und März 2019 sind 500 Millionen Bienen allein in vier brasilianischen Bundesstaaten gestorben: Rio Grande do Sul, Santa Catarina, Mato Grosso do Sul und São Paulo. In 80 Prozent der toten Bienen wurden Agrargift wie Neonicotinoide gefunden. Es wurden aus 10 brasilianischen Bundesstaaten Fälle von massenhaft toten Bienen gemeldet. Nochmal, diese Zahlen sind zu niedrig angesetzte Schätzungen, weil nicht alle Bundesstaaten erfasst sind und weil alle Wildbienenarten davon ebenfalls nicht erfasst werden. Also für das Leben der Bienen, für die landwirtschaftliche Entwicklung und des meschlichen Lebens auf diesem Plantene, wenn es von Bayer ist, dann ist es nicht gut.

Die von Bayer und Monsanto produzierten Agrargifte dringen in unsere Körper nicht nur durch die Luft und unsere Nahrung ein. Das auf den Äckern ausgebrachte Gift dringt in die Grundgewässer und Flüsse ein und vergiftet so das Trinkwasser der brasilianischen Bevölkerung. Daten des brasilianischen Gesundheitsministeriums zeigen, dass wir neben Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H) und Mineralsalzen auch Carbendazim, Chlorpyrifos, Diruon, Tebuconazole und etliche weitere Agrargifte trinken. Für Euch Europäer ist Carbendazim verboten, und die anderen drei erwähnten Wikrstoffe haben Grenzwerte, die um den Faktor 1.200 niedriger liegen als in Brasilien. Sind unsere brasilianischen Körper etwa widerstandsfähiger gegen Agrargifte als die Körper der Europäerinnen und Europäer? Es gibt keinen Zweifel, wer in Brasilien Wasser trinkt, wenn es Bayer ist, dann ist es nicht gut.

Im Zuge der kartellrechtlichen Genehmigung des Kaufs von Monsanto durch Bayer, haben die zuständigen Behörden schwerwiegende Anzeigen über Wirtschaftsdelikte beider Firmen erhalten. Große Soja-Produzenten wiesen auf die illegalen Praktiken Monsantos bei der Anwendung der Patentnutzung im Falle des RR-Sojas, sowie Fälle ungerechtfertigter Eintreibung von Royalties für bereits abgelaufene Patente, wie im Falle des RR2-Sojas. Wenn selbst für die großen Soja-Farmer Bayer nicht so gut ist, dann ist es also gut für wen?

Im Jahr 2017 haben Bayer und Monsanto zusammen über 10 Milliarden US-Dollar mit Agrargiften umgesetzt, einen Großteil davon haben sie im weltgrößten markt dafür abgesetzt. Im Jahr 2018 dann war es das große Agrobusiness und die Multinationalen Giftkonzerne, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass dieser rechtsextreme Präsident, der heute Brasilien regiert, an die Macht kam. Im Gegenzug wurden in den ersten 100 Tagen seiner Regierung 152 neue Agrargifte in Brasilien für den Verkauf freigegeben.

Für die rechtsextreme Bolsonaro-Regierung gilt, wenn es Bayer ist, dann ist es gut. Bayer macht in Brasilien Geschäfte mit 12 Agrargiften, die in Europa nicht zugelassen sind. Wenn es Bayer ist, ist es gut für Bayer, aber extrem schlecht für Brasilien.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Vorstand:

  • Wie kann Bayer garantieren, dass Ihre Produkte den Brasilianierinnen und Brasilienaern kein Leid und keine Schmerzen mehr zufügt?
  • Wie kann Bayer garantieren, dass Ihre Produkte nicht mehr als Giftwaffen eingesetzt werden, um arme Kleinbauern von ihrem Land zu vertreiben?
  • Was tut Bayer, um den Genozid an die Bienen zu stoppen?
  • Was wird Bayer tun, um die im brasilianischen Trinkwasser gefundenen Wirkstoffe aus dem Hause Bayer zu entfernen?
  • Die Unternehmensverbände ABAG und Sindiveg, bei denen Bayer und Monsanto Mitglied sind, unterstützen ausdrücklich die von der extrem-rechten Regierung Bolsonaro vorangetriebenen Rentenreform, die die künftige Rente der landarbeiter massiv schmälern wird. Trifft es zu, dass Bayer explizit den Abbau von Sozial- und Rentenansprüchen der brasilianischen Landarbeiter und einen weiteren Anstieg ihrer Ausbeutung auf den Feldern und Äckern befürwortet?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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  1. […] Und dies hat Folgen. „Seit Anfang der 2000er Jahre wird viel genmodifiziertes Saatgut verkauft, das nicht stirbt, wenn man es beispielsweise großflächig mit Glyphosat spritzt. Die industrielle Landwirtschaft in Brasilien ist total abhängig von Agrargiften“, konstatiert der Aktivist Alan Tygel von der brasilianischen Kampagne gegen Agrargifte („Campanha permanente contra os agrotóxicos e pela vida“). Eine Studie der Bundesuniversität von Mato Grosso stellte bei einer Untersuchung fest, dass es in 13 Munizipien (644.746 Einwohner:innen laut letztem Zensus 2015), in denen zwischen 1992 und 2014 Soja, Mais und Baumwolle angebaut wurde, 1.442 Fälle von Magen-, Speiseröhren- und Bauchspeicheldrüsenkrebs gab. In den 13 Vergleichsmunizipien (219.801 Einwohner:innen laut letztem Zensus 2015), wo statt agrarwirtschaftlicher eine vorwiegend touristische Nutzung stattfand), lag die Zahl der Krebsfälle bei 53. Daraus errechnet sich in agrarwirtschaftlich genutzten Munizipien eine Krebsrate von 223,65 je 100.000 Einwohner:innen, in vorwiegend touristisch genutzten Munizipien ergibt sich eine Krebsrate von 24,11 je 100.000 Einwohner:innen. Also in Munizipien, wo eifrig Pestizide gesprüht werden, liegt die Krebsrate statistisch um den Faktor 8 höher. Hinzu kommt: In Brasilien werden jedes Jahr Tausende von brasilianischen Bürgerinnen und Bürgern durch Agrargifte vergiftet. Die Zahl steigt dabei Jahr für Jahr an: 2007 lag sie bei 2.726 Fällen, 2017 schon bei 7.200, ein Anstieg um 164 Prozent. […]

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