„Wie kann es sein, dass Sie nach den Dammbrüchen Vale als Kreditnehmerin sowie deren Aktien halten?“: Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Christian Russau, ich bin Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Wir müssen reden über Ihre moralische Mitverantwortung für verantwortungslose Bergbauprojekte, Bergbauprojekte, die die Natur zerstören und die in nicht wenigen Fällen Menschen töten. Konkret geht es mir heute – wie im vergangenen Jahr übrigens, als ich Sie zusammen mit den brasilianischen Kolleginnen und Kollegen der Bewegung der Staudammbetroffenen MAB bereits ausführlich gewarnt und auf die Bruchrisiken der Tailingdämme des brasilianischen Erzbergkonzerns Vale hingewiesen hatte und Sie dennoch untätig geblieben sind – um Ihre moralische Mitverantwortung. Es geht um die Verbindung der Deutschen Bank mit den Bergbaukonzernen Vale und BHP Billiton. Zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen in Höhe.

Ich frage Sie: zum Stichtag 30. März 2019 hielt die Deutsche Bank, inklusive Töchter, wieviele Bonds, Anteile an (auch multilateralen) Kredittranchen sowie an Assets der Firma Vale?

Bereits im letzten Jahr legte ich Ihnen den Fall Ihrer Geschäftspartnerin Vale vor, Ihre Mitarbeiter sprachen mich hinterher an und baten um genauere Informationen, die habe ich Ihnen noch einmal gegeben. Und trotzdem: Machen Sie einfach so weiter.

Und dass, obwohl bereits am 5. November 2015 der Damm des Rückhaltebeckens der Firma Samarco (je 50% in Eigentum von Vale und BHP Billiton) gebrochen war, 19 Menschen starben und 680 Kilometer Flusslauf des Rio Doce verseucht wurde, so dass zeitweise mehr als zwei Millionen Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten waren und die über 1.500 Kleinfischerinnen und -fische bis heute ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können, weil der Fluss klinisch tot ist.

Infolge des Dammbruchs von Mariana wurde bei Dutzenden von Kindern hohe Arsenrückstände im Körper medizinisch nachgewiesen. Diese Kinder sind über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt gewesen. Es gibt seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Ansatz eines Vorgehens, das eine reale Erfassung der Gesundheitssituation und der Kontamination durch das Wasser gewährleistet. Die Familien, die ihre Häuser in den Schlammmassen verloren haben, deren Häuser und Städte sind noch immer nicht wiederaufgebaut worden. Die gesamte soziale und Umwelt-Dimension dieses Desasters ist noch immer nicht vollkommen erfasst worden, so dass eine umfassende und adäquate Wiedergutmachung und Entschädigung verunmöglicht wird. Und dies alles dreieinhalb Jahre nach dem Dammbruch von Mariana.

Und am 25. Januar dieses Jahres ist wieder ein Damm von Vale gebrochen. Der Dammbruch von Brumadinho kostete 300 Menschen das Leben. Etliche der Toten wurde noch immer nicht geborgen, deren sterbliche Überreste sind unter teils meterhohen Erzmuränen begraben.

Wir wissen, dass die Deutsche Bank auf europäischer Ebene der zweitgrößte Finanzier der Bergbauindustrie ist und dass sich darunter Firmen befinden wie u.a. Anglo American und BHP Billiton, die in Verbindung stehen mit Dammbrüchen bei Rückhaltebecken und bei Erz-Pipelines, Dammbrüche infolge von Vernachlässigung von Umweltauflagen, so dass es zu einer Reihe von ungelösten sozialen Problemen vor Ort kommt.

Des Weiteren ist die Deutsche Bank eine der großen Kreditgeberinnen der Firma Vale SA. Leider schlummern in Ihren Büchern eine ganze Reihe solch menschenrechtlich-zombiesker Unternehmen, in aller Kürze sehe ich mich gezwungen, allein kurz noch auf Chevron einzugehen.

Denn die Deutsche Bank ist einer der Großaktionäre bei Chevron. Chevron ist nicht nur ein chronischer climate-crisis-denier und Umweltverschmutzer, sondern stellt auch eine große Gefahr für die Demokratie und den Rechtsstaat dar.

Worum geht es?

Im ecuadorianischen Amazonasgebiet leiden nach wie vor Zehntausende von Betroffenen unter schweren gesundheitlichen Folgen verbrecherischer Erdölförderung. Die Krebsrate in den verschmutzten Regionen liegt 8 bis 10 Mal höher als im Vergleich mit dem nationalen Durchschnitt. Im Boden befinden sich mehr als 880 mit Rohöl gefüllte Gruben, die teilweise gar nicht gereinigt wurden, Flüsse im dortigen Amazonasgebiet, eine der an biologischer Vielfalt reichsten Regionen der Welt, sind weiterhin mit Kohlenwasserstoffsedimenten gefüllt und durch Ölverschmutzungen verunreinigt. Seit mehr als 40 Jahren werden diese Auswirkungen nicht behoben. Die vom Konzern verursachte kriminelle Umweltverschmutzung bleibt weiterhin bestehen.

In dem Prozess zwischen Ecuador und Chevron hat das Schiedsgericht von der Ecuadorianischen Regierung verlangt, dass sie in Ecuador und anderen Ländern verhindern, dass das Urteil zugunsten der Einwohner*innen von Amazonien in Ecuador und anderen Ländern vollstreckt wird. Dazu müsste die Ecuadorianische Regierung ihre eigene Verfassung sowie die Rechte ihrer Bürger verletzen! Dies bedeutet einen Eingriff in die richterliche Gewalt und stellt somit einen gefährlichen Präzedenzfall dar. Ein Schiedsgreicht darf sich nicht über nationale Gerichte stellen. Im Übrigen haben sich mehr als 260 Organisationen, die über 280 Milionen Personen vertreten, unlängst in einer gemeinsamen Erklärung an die Seite der Betroffenen gestellt und sich somit klar gegen Chevron positioniert. Nicht schön, wenn man Millionen Menschen auf sich wütend macht.

Die Deutsche Bank ist Unterzeichnerin der Equator-Principles und versucht die Ansprüche des Global Compact zu erfüllen. Dies würde aber in der Praxis eigentlich eine Überprüfung der Anlage- und Kreditvergabepolitik der Deutschen Bank erfordern. Eine Überprüfung der Geschäftspartner wie Vale oder Chevron z.B., eine Überprüfung deren sozialer und Umweltimpakte, die die Firmen auslösen, dies würde zutage bringen, dass die Firma zum wiederholten Male die Prinzipien der freien, vorherigen und informierten Befragung (FPIC), wie sie von der IFC beispielsweise gefordert werden, missachtet wurden.

Das Hochkommissariat für Menschenrechte fordert, dass Firmen – wie Sie, die Deutsche Bank – ihre Anlage- und Kreditpolitik einer genauen Überprüfung unterziehen, um dergestalt sicherzustellen, dass Menschenrechtsklauseln greifen und dass interne Mechanismen geschaffen werden, die eine Identifizierung von Risiken in diesen Bereichen ermöglichen. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Vale einfach den Betrieb wie business as usual weiterführt und Sie, die Deutsche Bank weiterhin Vale als Kreditnehmerin sowie deren Aktien halten, ohne irgendeine Garantie, dass sich so etwas wie der Dammbruch nicht wiederholt und ohne dass zuvor die Betroffenen vollständig entschädigt wurden? Wie kann das sein?

Ich fürchte, Sie und ich und alle hier im Saal kennen die Antwort: Es geht Ihnen um Profit. Um den Umsatz, den Gewinn, die Dividende und Ihre Boni. Es geht Ihnen nicht um Menschenrechte. Die sind Ihnen komplett sekundär.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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