60 Fragen zur Hauptversammlung der Deutsche Wohnen SE am 1. Juni 2021
A. Fragen zum Zustandekommen und der Motivation der Übernahme der Deutsche Wohnen durch die Vonovia
- Am 24. Mai verkündeten die Vorstände von Deutsche Wohnen und Vonovia überraschend ein „Business Combination Agreement“ mit einem Erwerbsangebot der Vonovia SE für sämtliche ausstehenden Aktien der Deutsche Wohnen SE. Demnach sollen für jede Deutsche Wohnen SE Aktie 53,03 Euro inkl. Dividende 2021 gezahlt werden. Die Wohnungsbestände sollen gemeinsam bewirtschaftet werden. Michael Zahn (CEO der Deutsche Wohnen SE) und Philip Grosse (CFO der Deutsche Wohnen SE) sollen nach Erfolg des Zusammenschlusses in den Vorstand der Vonovia SE bestellt werden. Bitte nehmen Sie Stellung dazu!
- Am 25. Mai wurde im Berliner Rathaus unter Beteiligung des Regierenden Bürgermeisters außerdem ein „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ für Berlin vorgestellt. Demnach sollen die Mietsteigerungen im Berliner Wohnungsbestand bis 2006 auf 1% jährlich und bei Modernisierungen auf 2 €/qm begrenzt werden. Dem Land Berlin werden 20.000 Wohnungen – vorrangig in Großsiedlungen außerhalb des S-Bahn-Ringes – zum Kauf angeboten. Die Vonovia verspricht, in Berlin neue Wohnungen zu errichten, darunter ein Drittel öffentlich gefördert.
- Die gesamte Öffentlichkeit ist überrascht, dass es zu einer derartigen einvernehmlichen Übernahme kommen soll, nach dem in der Vergangenheit ein Übernahversuch seitens Vonovia bereits abgewehrt wurde. Noch im vergangenen Herbst hat der Deutsche-Wohnen-Vorstandsvorsitzende, Michael Zahn, Gerüchte über eine Fusion dementiert: Er sehe zur Vonovia „große Unterschiede, gerade strategisch“. Die jetzt bekannt gegebenen Vereinbarungen und die Einbeziehung des Regierenden Bürgermeisters machen nicht den Eindruck, dass erst in den letzten Wochen mit den Übernahmegesprächen begonnen wurden. Wann und zwischen welchen Personen fanden die ersten Kontakte bezüglich der Übernahme statt?
- Was führte zu dem plötzlichen Sinneswandel?
- Wieso haben sich die Geschäftsmodelle der beiden Konzerne nach Ansicht des Vorstandes vor nicht mal einem Jahr mehr unterschieden als heute?
- Seit wann wurde mit der Vonovia über die Übernahme verhandelt? War so ein Schritt schon länger geplant und wurde er lediglich wegen des Mietendeckels bis zur Entscheidung der Bundesverfassungsgerichtes aufgeschoben?
- Warum wurden die AktionärInnen nicht frühzeitiger informiert und erst kurz vor der Hauptversammlung und erst nach Ablauf der Anmeldefrist informiert?
- Welche Rolle haben BlackRock und andere Großaktionäre bei der Entscheidungsbildung gespielt? Wie viele Treffen des Vorstandes mit BlackRock-VertreterInnen gab es in diesem und im vergangenen Jahr?
- Wird das Klumpenrisiko am Standort Berlin vom Vorstand als so hoch eingeschätzt, dass man das Portfolio lieber in eine breiter gestreute Plattform einbringt?
- Wie setzt sich dieses Risiko zusammen? Welche Rolle spielen die hohen Immobilienpreise und in der Folge die yield compression? Oder besteht das Risiko im Wesentlichen in der schärferen Regulation in Berlin, bis zur Enteignung?
- Welche Rolle für die Motivation spielt die Abwehr der Berliner Enteignungskampagne? Soll der Initiative zuvorgekommen werden?
- Sollen die AktionärInnen rechtzeitig vor der Enteignung großzügig entschädigt werden?
- Wie werden sich die Bezüge von CEO Michael Zahn und CFO Philip Grosse nach dem Wechsel in den Vonovia-Vorstand verändern?
- Überraschend ist auch das Timing so kurz vor den Wahlen. Seit wann ist der Regierende Bürgermeister beteiligt?
- Worin besteht die Gegenleistung der SPD für dieses Timing?
- Zählt es für den Vorstand zur guten Governance, die Eigenständigkeit der Deutsche Wohnen zu opfern, um der SPD im Wahlkampf zu helfen?
- Wie stellt sich der Aufsichtsrat zu diesen Entwicklungen und dieser Vorgehensweise? Seit wann war der Aufsichtsrat eingebunden?
- Aus welchen Gründen glaubt ein Vorstand, der die AktionärInnen mit einem derartigen Konzept zur Liquidierung der Gesellschaft überrascht und wahrscheinlich sogar bewusst Dementis in die Walt setzt, für die Führung der erweiterten Vonovia geeignet zu sein?
B. Fragen zur Struktur des zukünftigen Unternehmens
- Sollen nur die Mehrheitsanteile an den Aktien bei Beibehaltung der Deutsche Wohnen als eigenständiges Unternehmen erworben werden oder ist Vollintegration in eine Konzernstruktur geplant?
- Wenn es bei zwei eigenständigen Aktiengesellschaften bleibt, wie soll dann die gemeinsame Wohnungsbewirtschaftung organisiert werden?
- Wieso soll die Konzernzentrale in Bochum verbleiben, wenn der Sitz der Vonovia nach Berlin verlegt wird? Was verspricht sich der Vorstand von der Sitzverlegung?
C. Fragen zum versprochenen „Vonovia-Mietendeckel“
- Nach den Zusagen im „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ verpflichtet sich die Vonovia, die Berliner Bestandmieten in den nächsten drei Jahren nur um max. 1 % pro Jahr zu erhöhen. Danach soll die Inflationsrate als Grenze gelten. Ist richtig, dass damit Mieterhöhungen gem. § 558 BGB (ohne Wiedervermietung, Modernisierung und Neubau) gemeint sind?
- Wie hoch waren die durchschnittlichen Mieterhöhungen gem. § 558 BGB der Deutsche Wohnen in Berlin in den Jahren 2018-2020?
- Wie hoch liegen die Berliner Mieten der Deutsche Wohnen im Durschnitt im Vergleich zum Mietspiegel? Wie stark könnten die Berliner Mieten in den jetzigen Beständen der Deutsche Wohnen in den Jahren 2021-2023 steigen, wenn es keine 1%-Begrenzung gäbe?
- Wie viele Wohnungen der Deutsche Wohnen, die modernisiert werden könnten, haben Ausgangsmieten von mehr als 7 €/qm, so dass der gesetzliche Deckel von 2 €/qm bei Modernisierungen überhaupt greifen würde?
- Wie hoch sind im Berliner Wohnungsbestand der Deutsche Wohnen die Mietsteigerungen der letzten drei Jahre, die auf höhere Wiedervermietungs-/Neuvertragsmieten zurückgeführt werden?
- Worin besteht die Substanz dieser „Zusagen“, nachdem sie diesen Faktencheck durchlaufen haben? Wie würden Sie die im „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ verbreitete Erzählung nennen?
D. Fragen zum geplanten Verkauf von ca. 20.000 Wohnungen an die landeseigenen Wohnungsunternehmen
- Welche Wohnungsbestände der Deutsche Wohnen sind in die Prüfung (Due Diligence) einbezogen? Wie viele Wohnungen der jetzigen Deutsche Wohnen sind darunter?
- Warum wurden diese Wohnungsbestände und nicht andere ausgewählt? Von wem und nach welchen Kriterien wurde darüber entschieden?
- Wie hoch ist der Fair Value dieser Wohnungsbestände?
- Zu welchem Preis, auf welcher Bewertungsgrundlage, sollen die Wohnungen verkauft werden? Wird bei der Wertermittlung der Fair Value beachtet, wie er in den International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgesehen ist? Wird dabei die Methode der Vonovia oder der Deutsche Wohnen angewandt? Oder sollen die Verkehrswerte oder die Ertragswerte, wie der Finanzsenator sagte, zu Grunde gelegt werden?
- Wie teuer wird eine von einem landeseigenen Wohnungsunternehmen zurückgekaufte Wohnung voraussichtlich im Durchschnitt? Wie wird das Verhältnis zum Preis bei Privatisierung der Wohnungsbestände sein?
- Wie stark wird der Kauf der Wohnungen die landeseigenen Wohnungsunternehmen Ihrer Meinung nach belasten? Wie wird sich dies auf den Neubau durch diese Unternehmen auswirken?
- Wie beurteilen Sie die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs dieser Wohnungen durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen im Vergleich zur Enteignung mit einer gem. Art. 15 GG justierten angemessenen Entschädigung?
- In einer Analysten-Präsentation der Vonovia zu der Übernahme der Deutsche Wohnen wird der Verkauf der Wohnungen in Berlin als einer der wesentlichen Beiträge zur Refinazierung der Übernahme dargestellt. Hinzu kommt aber außerdem der Verkauf weiterer 25.000 Wohnungen an Standorten mit starker Vonovia-Präsenz. Sind darunter auch Berlin, Dresden und Frankfurt?
E. Fragen zum Neubauprogramm
- Wie hoch werden die Mieten?
- Was sind die Zielgruppen bei dem Drittel der Neubauwohnungen, die nicht öffentlich gefördert werden?
- Wer soll die Grundstücke zur Verfügung stellen? Welche Zugeständnisse hat der Regierende Bürgermeister in dieser Hinsicht gemacht?
- Wie hoch wird der Anteil der neuen Vonovia an den öffentlichen Fördermitteln des Landes?
F. Direkte Folgen für die MieterInnen der Deutsche Wohnen
- Die Vonovia betreibt eine systematische Geschäftspolitik zur Erhöhung der Kontrolle über die Wertschöpfungskette. Zu diesem Zweck werden Tochtergesellschaften gegründet, die ihre mieten- und nebenkostenwirksamen Leistungen konzernintern abrechnen, ohne dass die MieterInnen die tatsächlichen Kosten, die dem Konzern entstanden sind, kontrollieren können. Auf diese Weise kann die Vonovia zusätzliche Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe einfahren, ohne sie den MieterInnen offen legen zu müssen. Die Modernisierungsmieterhöhungen und Nebenkostenabrechnungen sind deshalb höher als erforderlich. Bitte nehmen Sie dazu Stellung!
- Wurden im Rahmen der Übernahmevereinbarung Absprachen getroffen, die die Übertragung dieses Abrechnungssystems auf die jetzigen Deutsche Wohnen-Bestände ausschließen oder einschränken?
- Mit welchen Steigerungen der Modernisierungs- und Nebenkosten müssen die MieterInnen der Deutsche Wohnen bei Übertragung des Vonovia-Systems rechnen?
- Bei der Vonovia werden nach Kenntnis von Mieterorganisationen die Leistungen und tatsächlichen Kosten der angeblichen Hauswarte nicht offengelegt. Wie werden die jetzigen Deutsche-Wohnen-MieterInnen vor der Übertragung geschützt?
- Die Vonovia hat die Energie-Versorgung für Wärme und Allgemeinstrom auf ein Tochterunternehmen übertragen, das nach Beobachtung von Mieterorganisationen für die Umlage Kosten berechnet, die weit über den Beschaffungspreisen liegen. Drohen den Deutsche-Wohnen-Mietern nun derartige Vorgehensweisen auch?
- Bei Mieterhöhungen nach Modernisierungen berechnet die Vonovia regelmäßig angebliche Architektenleistungen als Baunebenkosten, ohne die entsprechenden Verträge und Rechnungen vorzulegen. Ist das in Zukunft auch für die jetzigen Deutsche-Wohnen-Wohnungen zu erwarten?
- Die Vonovia hat ihre Wohnungsbewirtschaftung in hohem Maße standardisiert und automatisiert. Diese Verfahren sollen nun auf die Deutsche-Wohnen-Wohnungen übertragen werden. Welche Folgen der Übernahme der Vonovia-Standards erwarten Sie für die Deutsche-Wohnen-MieterInnen und die MitarbeiterInnen?
- Mit welchen Veränderungen der Wohnungsverwaltung in Berlin rechnen Sie? Wird es zu einem geringeren Personalschlüssel kommen?
- Die Vonovia macht seit langem durch einen unzureichenden Service bei der Behebung von Mängeln in ihren Wohnungen von sich reden. Beschwerden können nur anonym über ein Call-Center mitgeteilt werden und die Mängel werden häufig sehr zeitverzögert beseitigt. Welche Vorkehrungen werden bei der Übernahme getroffen, um den Service für die MieterInnen zu verbessern?
G. Folgen für die Beschäftigten der Deutsche Wohnen
- Betriebsbedingte Kündigungen bei der DW werden nur für einen kurzen Zeitraum ausgeschlossen. Was geschieht danach?
H. Indirekte Folgen für MieterInnen wegen unsicherer Finanzierung bei Vonovia
- Wie sicher sind die geplanten Kapitalerhöhungen der Vonovia? Sind sie ausreichend, um die Übernahmekosten zu decken? Warum werden nicht Kapitalerhöhungen im Umfang der Übernahmekosten vorgenommen?
- Bei der Vonovia ist im Rahmen der Refinanzierung eine deutliche Erhöhung der Verschuldung (LTV) eingeplant. Was sind die Folgen für den Mieterhöhungs-/Einsparungsdruck?
- Wie hoch wird der Finanzierungsbeitrag zur Übernahme durch den Verkauf von 20.000 Wohneinheiten an Landeseigene?
- Wie sicher ist der Finanzierungsbeitrag des geplanten Verkaufs weiterer 25.000 Wohnungen durch die Vonovia SE? Bis wann sollen sie verkauft werden? Welche Standorte der Deutsche Wohnen sind betroffen? Berlin, Dresden, Frankfurt?
- An wen sollen die Wohnungen verkauft werden? Sind auch neue Umwandlungen geplant?
- Wie realistisch sind Synergieerwartungen der Vonovia?
- Mit welchen weiteren Expansionen der Vonovia rechnen Sie als zukünftige Vorstandsmitglieder?
I. Mieten und Dividende
- Im Jahr 2020 hatte die Deutsche Wohnen die Ausschüttung der Dividende auf 60 % des FFO1 beschränkt um aus den verringerten Gewinnausschüttungen den Aufbau eines Corona-Hilfsfonds zu finanzieren. Trotz neuer Pandemie-Wellen und einem anhaltenden Bedarf nach Absenkung von Mieten will der Vorstand die Ausschüttung der Dividenden 2021 wieder auf 65 % des FFO1 erhöhen. Wieso schlägt der Vorstand trotz fortgesetzter Pandemie keine Fortführung der reduzierten Dividendenausschüttung vor? Immerhin fordert die Deutsche Wohnen ja Mieten aus der Mietendeckel-Phase zurück. Aus einem Hilfsfonds könnte wenigstens bei denjenigen MieterInnen, die wegen Corona Einkommensfälle hatten/haben, auf Rückforderungen verzichtet werden.
- Nach Berechnung der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen werden 33% der Sollmieten aus dem Jahr 2020 im Jahr 2021 als Dividende ausgeschüttet. Ein Drittel der Mieten fließt in die Dividende! Dieser Wert ist um die Gewinne aus den Verkäufen, die im FFO 2 erfasst werden, bereinigt. Aus welchen Gründen hält der Vorstand eine derart hohe Abschöpfung der Einkommen der MieterInnen nur für die Dividendenzahlungen für gerechtfertigt?
- Ist eine so hohe Umverteilung von Einkommen mit den Prinzipien sozialer Governance vereinbar?
- Im Unterschied zu Deutsche Wohnen schüttet die Vonovia 70 % des FFO 1 als Dividende aus. Welche Folgen für die Mieten und die Bewirtschaftung der jetzigen Deutsche-Wohnen-Wohnungen wird die erhöhte Dividendenausschüttung nach Übernahme durch die Vonovia haben?