EnBW: Kretschmann muss Haltung beweisen

  • Land als Mehrheitseigner muss 1,5-Grad-Kurs verbindlich einfordern
  • Bei EnBW spielt fossiles Gas weiterhin zentrale Rolle
  • Gravierende Menschenrechtsprobleme in den Lieferketten für Kohle und Gas

Zur heutigen digitalen Hauptversammlung des Energiekonzerns EnBW fordert urgewald ein stärkeres Engagement der Landesregierung von Baden-Württemberg für Klimaschutz und Menschenrechte bei dem Konzern, der sich überwiegend in Landesbesitz befindet. 

Im aktuellen Geschäftsbericht schreibt EnBW mehrfach, der Konzern befinde sich im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen. Unerwähnt bleibt jedoch, ob sich die EnBW dabei das 1,5-Grad-Ziel auf die Fahnen geschrieben hat oder bewusst vage bleibt. 

Sebastian Rötters, Energie-Campaigner bei urgewald, sagt:
„Nach zehn Jahren lautem Schweigen zu Themen wie Klimaschutz und Menschenrechten bei der EnBW muss die vor einer Neuauflage stehende grün-schwarze Landesregierung unter Winfried Kretschmann endlich Farbe bekennen. Wer beim landeseigenen Energieversorger keine verbindliche Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel und klare Menschenrechtsstandards in der Lieferkette einfordert, führt den eigenen Führungsanspruch bei diesen Themen ad absurdum.“

Die aktuelle Geschäftsstrategie der EnBW sieht vor, Kohle vor allem durch fossiles Gas zu ersetzen. Zuverlässige Angaben zu Methanlecks bei der Gasförderung und dem Gastransport kann das Unternehmen bislang nach eigenen Angaben jedoch nicht machen. Aktuelle satellitengestützte Messungen deuten darauf hin, dass das Problem der Methanemissionen deutlich größer ist als bislang angenommen. Da Methan über einen Zeitraum von 20 Jahren einen 86-mal stärkeren Klimaeffekt hat als CO2, muss auf dem Weg zur Klimaneutralität schnell der Ausstieg aus fossilem Gas erfolgen.

Hinzu kommen gravierende Menschenrechtsprobleme in der Gas-Lieferkette. Laut Geschäftsbericht bezieht EnBW sein Erdgas vorrangig von Equinor, Novatek und Gazprom. Ein großer Teil des von Novatek und Gazprom geförderten Erdgases kommt aus dem autonomen Gebiet der Jamal-Nenzen. Diese indigenen Rentierhirten leben mit ihren Herden in der westsibirischen Arktis. Große Teile ihres Weidelandes wurden ihnen bereits durch die Gas- und Ölförderung genommen, das Grundwasser ist an vielen Stellen stark verschmutzt. 

Dazu sagt Rötters: „Fossiles Gas ist eine energiepolitische Sackgasse. Auch aus fossilem Gas gewonnener Wasserstoff verursacht erhebliche Emissionen. Wenn die EnBW ernsthaft bis 2035 klimaneutral werden will, muss sie einen konkreten Ausstiegspfad aus der Nutzung von fossilem Gas formulieren. Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaklage hat deutlich gemacht, dass die Zeit drängt.“   

Währenddessen bestehen die Probleme in der Kohle-Lieferkette der EnBW weiter fort. Ein im Februar erschienener Bericht der russischen Nichtregierungsorganisation Ecodefense zeichnet ein verheerendes Bild der Lage in der russischen Kohleregion Kuzbass. Der Kohlebergbau führt zu massiver Umweltverschmutzung und einer dadurch bedingten sehr schlechten Gesundheitslage der lokalen Bevölkerung.  Trotzdem bezog die EnBW im vergangenen Jahr 90 Prozent der Steinkohle von dort. 

Der im Geschäftsbericht genannte Kohlelieferant Kuzbassrazrezugol (KRU) wird seit Jahren mit Geldwäsche, Steuerflucht und organisiertem Verbrechen in Verbindung gebracht. Der schwedische Energieversorger Vattenfall hat vor einer Woche bestätigt, dass die beiden Handelsunternehmen für Kohle von KRU, Carbo One und KRU Overseas, nach eingehender Compliance-Prüfung nicht mehr zu den genehmigten Lieferanten gehören. 

Rötters kommentiert: „Nachdem die EnBW in den letzten Jahren die Opfer des Kohlebergbaus in Kolumbien im Stich gelassen hat, wiederholt sich die Geschichte nun offensichtlich in Russland, sowohl bei Kohle als auch beim Gas. Das jahrelange Schweigen der Landesregierung in Stuttgart zu Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette war und ist beschämend. Eigentum verpflichtet – auch zu einer klaren Haltung in Bezug auf die Menschenrechte.“

Kontakt

Sebastian Rötters, Energie-Campaigner, urgewald: sebastian[at]urgewald.org

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[1] Vgl. https://urgewald.org/en/medien/cost-russias-coal-dependence-new-report-examines-pollution-mortality-and-illness-rates 

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