Klimaschutz, fossile Energien und menschenrechtliche Sorgfalt: Unsere Fragen an den Vorstand der EnBW

  • Klimaabkommen von Paris:

In Ihrem Geschäftsbericht sprechen Sie an mehreren Stellen davon, dass der EnBW-Ansatz zur Klimaneutralität 2035 im Einklang mit den Vorgaben und Zielwerten des Pariser Klimaabkommens stehe, jedoch wird das 1,5-Grad Ziel im Geschäftsbericht nicht erwähnt.

Frage 1 (Klimaabkommen von Paris): Bezieht sich EnBW hier auf das 1,5-Grad-Ziel? Wenn nicht, bitten wir um eine Aufschlüsselung dessen, was hier mit Vorgaben und Zielwerten gemeint ist.

Frage 2 (Klimaneutralität 2035): Plant die EnBW zur Erreichung der Klimaneutralität 2035 auch Carbon Capture-Technologien und Carbon Offsetting mit ein oder werden solche Maßnahmen ausgeschlossen?

  • Klimafreundliche Gase

Die EnBW plant, die Möglichkeiten eines Fuel Switches zu prüfen, um von Kohle über „klimafreundlichere“ Gase auf „klimaneutrale“ Gase umzusteigen, erwähnt dabei aber explizit auch die Nutzung von LNG-Gas. 

Frage 3 (Klimafreundliche Gase): Kann die EnBW Angaben machen, welche Gaslieferungen als klimafreundlicher eingestuft werden und wie die jeweilige Klimawirkung geprüft wurde? Bitte schlüsseln sie dies genauer auf, jeweils nach Förderregion, Förder- und Transportmethode.

  • Klimaneutrale Gase

Die EnBW plant, die Möglichkeiten eines Fuel Switches zu prüfen, um von Kohle über „klimafreundlichere“ Gase auf „klimaneutrale“ Gase umzusteigen.

Frage 4 (Klimaneutrale Gase): Sie sprechen bei klimaneutralen Gasen neben Biogas auch von Wasserstoff. Da jedoch bei blauem oder türkisem Wasserstoff jeweils schon die Methanemissionen aus der Vorkette zu berücksichtigen sind, ist dieser nicht klimaneutral. Können Sie bestätigen, dass die EnBW nur grünen Wasserstoff für einen solchen Fuel Switch in Erwägung zieht?

  • Methanemissionen

Im Geschäftsbericht schreiben sie „Das Monitoring von Methanemissionen bei Erdgas wird vor dem Hintergrund der steigenden Beschaffungsmengen an Bedeutung zunehmen. Konkrete Angaben zu Methanemissionen sind vor allem für die Vorkette der Gasbeschaffung aufgrund uneinheitlicher Berechnungsmodelle sehr schwierig. Für die Vorkette der Gasbeschaffung arbeiten wir derzeit mit einem allgemeinen Faktor von 29 g CO2eq/kWh Erdgas. Hierin sind die Methanemissionen mit enthalten.“

Frage 5 (Methanemissionen): Aktuelle satellitengestützte Messungen deuten darauf hin, dass das Problem der Methanemissionen deutlich größer ist als bislang angenommen. Welche Schritte plant die EnBW, um das Monitoring dahingehend zu verbessern, dass überhaupt belastbare Zahlen für die Vorkette vorliegen, da sich mit den aktuell zur Verfügung stehenden, sehr ungenauen Modellen die tatsächliche Klimawirkung gar nicht adäquat berechnen lässt?    

  • Gasbezug von Novatek, Gazprom

Laut Geschäftsbericht bezieht EnBW sein Erdgas vorrangig von Equinor, Novatek und Gazprom. 90% des russischen Erdgases und ein großer Teil des von Novatek und Gazprom geförderten Erdgases kommt aus dem autonomen Gebiet der Jamal-Nenzen. Diese indigenen Rentierhirten leben mit ihren Herden in der westsibirischen Arktis, in einer der am stärksten von der Gas- und Ölextraktion betroffenen Gegenden Russlands. Große Teile ihres Weidelandes sind durch die Gas- und Ölförderung verloren gegangen, das Grundwasser an vielen Stellen stark verschmutzt. Unabhängige Recherchen sind in dieser sogenannten „Grenzregion“ kaum möglich, weil der Zugang nur mit Erlaubnis des russischen Geheimdienstes möglich ist und kritische Stimmen jederzeit mit Repressionen rechnen müssen.

Frage 6 (Novatek, Gazprom): Sind der EnBW die genannten Vorwürfe bekannt? Welche Vorkehrungen trifft EnBW, um zu garantieren, dass ihr von Gazprom und Novatek bezogenes Erdgas nicht aus arktischen Fördergebieten und insbesondere der Jamal-Halbinsel stammt? 

Frage 7 (Novatek, Gazprom): Zu welchen Ergebnissen ist die EnBW-Compliance-Prüfung von Novatek und Gazprom gekommen? Wann wurde diese durchgeführt?

  • Aufsichtsrat

Nach eigenen Angaben hat sich der Aufsichtsrat der EnBW intensiv mit der EnBW-Gasstrategie befasst.

Frage 8 (Aufsichtsrat): Wurde im Aufsichtsrat auch über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in der Erdgas-Lieferkette, über die Problematik der Methanemissionen sowie über die Definition von klimafreundlichen und klimaneutralen Gasen diskutiert? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

  • Sorgfaltspflichten und Due Diligence

Die EnBW schreibt in ihrem Geschäftsbericht, dass „alle Kohlelieferanten und solche, mit denen Lieferbeziehungen angestrebt werden, regelmäßig einem Screening unterzogen [werden]. Diese Aktivitäten werden aktuell für die Gasbeschaffung analog zur Kohlebeschaffung eingeführt.“

Frage 9 (Lieferantenscreening Gas): Die EnBW bezieht schon seit vielen Jahren Erdgas. Wieso werden die genannten Lieferantenprüfungen erst jetzt eingeführt, während Kohlelieferanten schon seit vielen Jahren einem Screening unterzogen werden?

  • Kohlebeschaffung Russland

Laut Geschäftsbericht bezieht die EnBW vor allem russische Steinkohle der Unternehmen SUEK und Kuzbassrazrezugol (KRU) für die eigenen Kraftwerke. Der 2021 erschienene Bericht „Race to the Bottom – Consequences of massive coal mining for the environment and public health of Kemerovo Region“ der russischen Nichtregierungsorganisation Ecodefense zeichnet ein verheerendes Bild von der Lage in der Kohleregion Kuzbass. Der Kohlebergbau führt zu massiver Umweltverschmutzung und einer dadurch bedingten, sehr schlechten Gesundheitslage der lokalen Bevölkerung.

Frage 10 (Kuzbass): Ist Ihnen der Bericht von Ecodefense bekannt? Wie beurteilt die EnBW die aktuelle Situation im Kuzbass?

Frage 11 (KRU): Ihr Kohlelieferant Kuzbassrazrezugol – kurz KRU – steht seit Jahren in der Kritik, weil das Unternehmen mit Geldwäsche, Steuerflucht und organisiertem Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Der schwedische Energieversorger Vattenfall hat vor einer Woche bestätigt, dass die beiden Handelsunternehmen für Kohle von KRU, Carbo One und KRU Overseas, nach eingehender Compliance-Prüfung nicht mehr zu den genehmigten Lieferanten gehören. Unterhält die EnBW weiterhin Geschäftsbeziehungen zu KRU, KRU Overseas und Carbo One? Wenn ja, wie erklären Sie sich, dass Vattenfall so drastische Maßnahmen ergreift?

  • Kohlebeschaffung Kolumbien

Laut Geschäftsbericht hat die EnBW im Jahr 2020 keine Kohle aus Kolumbien bezogen. Die EnBW hat mit Verweis auf ihr konstruktives Engagement den Abbruch von Lieferbeziehungen trotz der Berichte über die Finanzierung paramilitärischer Verbände durch die EnBW-Lieferanten Drummond und Prodeco immer abgelehnt. Seit 2013 lautete ein oft wiederholtes Argument der EnBW, dass man nur so den Einfluss auf die Unternehmen wahren könne. Nun hat die EnBW genau diesen Einfluss aus der Hand gegeben, ohne dass auch nur ein einziges Problem vor Ort gelöst wurde.

Frage 12 (Appell Mastiaux): Herr Mastiaux, Sie haben doch in ihrer HV-Rede 2015 die Unternehmen Drummond und Prodeco ausdrücklich ermutigt, sich an einem regionalen Versöhnungsprozess zu beteiligen. Sechs Jahre später warten die Opfer der paramilitärischen Gewalt nach wie vor auf den Beginn eines Dialogs mit Drummond und Prodeco, während der Chef von Drummond wegen der Beteiligung an schwersten Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien vor Gericht steht. Die 2015 im Rahmen einer gemeinsamen Fact-Finding-Mission besuchte Gemeinde El Hatillo wartet weiterhin auf die Umsiedlung, obwohl diese schon 2010 angeordnet wurde. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation rund um die Kohlegruben in Kolumbien, die sie ja noch 2019 in ihrem Fortschrittsbericht über den grünen Klee gelobt haben?

Frage 13 (Historische Verantwortung): Stimmen Sie mit mir überein, dass die EnBW aufgrund des jahrelangen Bezugs der Blutkohle aus Kolumbien eine historische Verantwortung dafür trägt, dass die dort verursachten Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden angemessen adressiert werden? Wenn ja, wie gedenken Sie, dieser Verantwortung nachzukommen?   

  • Reputationsrisiken

In ihrem Geschäftsbericht steht der folgende Absatz: „Beim Kohleabbau und bei der Förderung von Erdgas kann es zu möglichen menschenrechtlichen Risiken bezogen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den Kohleabbauregionen beziehungsweise den Erdgasförderregionen kommen. Darüber hinaus bestehen Umweltrisiken für die direkte Umgebung der jeweiligen Förderregionen. In diesem Zusammenhang kann es zu verstärkten zivilgesellschaftlichen Aktivitäten kommen, die zu erhöhten Reputationsrisiken führen können.“

Frage 14 (Reputationsrisiken): Bitte erläutern Sie, was genau mit dem Satz „In diesem Zusammenhang kann es zu verstärkten zivilgesellschaftlichen Aktivitäten kommen, die zu erhöhten Reputationsrisiken führen können“ gemeint ist.

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