Zivilgesellschaft fordert verbindliche Anlagestrategie im Einklang mit Umwelt und Menschenrechten
Wir fordern den Bundestag auf, für eine gesetzliche Grundlage zum Generationenkapital zu sorgen, die die Menschenrechte achtet, das Klima schützt und die planetaren Grenzen berücksichtigt. Diese Forderung stimmt mit dem Zukunftsbild eines nachhaltigen Finanzsystems des Sustainable Finance Beirats überein.(1) Nur so kann das Generationenkapital seine im Namen angelegte Generationengerechtigkeit sicherstellen.
Kritik der Zivilgesellschaft am vorliegenden Gesetzesentwurf
Die unterzeichnenden Organisationen der Zivilgesellschaft kritisieren an der aktuellen Gesetzesvorlage der Bundesregierung,(2) dass diese keine verpflichtende umwelt- und menschenrechtsbasierte Anlagestrategie sowie Vorgaben für Transparenz und parlamentarische Beteiligung enthält.
Zukünftige Renten dürfen nicht mit Profiten aus beispielsweise klimaschädlichen Geschäftsmodellen, Zwangsarbeit oder der Missachtung der Rechte Indigener Völker finanziert werden, die häufig Menschen in den Ländern des Globalen Südens treffen. Wir kritisieren, dass nicht erkennbar ist, ob und wie die zugrundeliegende Renditeerwartung in Einklang mit verbindlichen internationalen und nationalen Klimazielen sowie Umwelt- und Menschenrechtsstandards gebracht werden soll. Ein Generationenkapital, das diesen Namen verdient, muss in seinen Investitionskriterien auch klima- und generationengerecht sein.
Der Gesetzentwurf legt in Artikel 6 lediglich fest, dass das Generationenkapital „renditeorientiert und global-diversifiziert zu marktüblichen Bedingungen anzulegen“ sei. Nur in der rechtlich nicht bindenden Gesetzesbegründung heißt es, ohne weitere Nennung von Details, dass die Anlagerichtlinie Kriterien für die Bereiche Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) enthalten solle, die vom Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Nachgang erarbeitet werden. Weder rote Linien, konkrete Kriterien und Anlagestrategien, noch die Verpflichtung zu ihrer Erarbeitung werden im aktuellen Gesetzentwurf verankert. Darüber hinaus bemängeln wir am aktuellen Gesetzesentwurf fehlende parlamentarische Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten sowie fehlende Regelungen zur Transparenz, etwa zur Portfoliozusammensetzung und zum Nachhaltigkeitsprofil.
Anforderungen an ein sozial- und umweltgerechtes Generationenkapital gesetzlich verankern
Wir fordern den Bundestag deshalb auf, die gesetzlichen Voraussetzungen für ein sozial- und umweltgerechtes Generationenkapital zu schaffen. Grundlegend bedeutet dies, Nachhaltigkeit als vierten Anlagegrundsatz neben Sicherheit, Liquidität und Rendite gesetzlich zu verankern. Dies ist bereits im Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen in Baden-Württemberg umgesetzt. (3) Der Sustainable Finance Beirat empfiehlt, dieses ‚magische Viereck‘ auf alle Kapitalanlagen der öffentlichen Hand auszuweiten, einschließlich des Generationenkapitals.(4)
§6 GenKapG Nummer 1 sollte folgendermaßen ergänzt werden: „Die Anlage der Mittel erfolgt unter Beachtung ökologischer und menschenrechtlicher Anlagerichtlinien, die sicherstellen, dass die angelegten Mittel nachhaltig und im Einklang mit international vereinbarten Umwelt- und Menschenrechtsabkommen investiert werden.”
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen müssen die Grundlage für das Anlagemanagement sein. Erforderlich sind klare gesetzliche Vorgaben zur Umsetzung klima-, umwelt- und menschenrechtsbasierter Sorgfaltspflichten. Konkrete Anhaltspunkte für die Umsetzung solcher Sorgfaltspflichten geben die OECD-Handreichung für institutionelle Investoren(5) sowie die Empfehlungen des Sustainable Finance Beirats für nachhaltige Kapitalanlagen der öffentlichen Hand: (6)
1. Menschenrechtliche, klima- und umweltbezogene Risiken der Investitionen prüfen und priorisieren, vorab und regelmäßig während des Investitionszeitraums
2. Anlagestrategie und Portfolioallokation: menschenrechtliche, klima- und umweltbezogene Ausschluss- und Anlagekriterien, die die Rechte zukünftiger Generationen achten
3. Engagement (Stimm- und Auskunftsrechte sowie Dialog) zur Beseitigung, Vermeidung und Minderung tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen durch die investierten Unternehmen
4. Überprüfung der Wirksamkeit der Engagementaktivitäten und ggf. Anpassung
5. Verantwortungsvolles Divestment, wenn sich Engagementaktivitäten als unwirksam erwiesen haben
6. Transparenz:
a. Offenlegung der Anlagestrategie, der Portfoliozusammensetzung und des Nachhaltigkeitsprofils des Portfolios anhand aussagekräftiger Indikatoren
b. Jährliche Berichte zu identifizierten Risiken, ergriffenen Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit in der Vermeidung, Beseitigung und Minderung negativer Auswirkungen
c. Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Grundlage der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Die Anlagestrategie des Generationenkapitals muss sich außerdem an dem Pariser Klimaziel, zu dem sich die Bundesregierung bekannt hat, ausrichten und dieses explizit im Gesetz aufnehmen. Da laut der Internationalen Energieagentur (IEA) zur Einhaltung des Pariser Klimaziels „die Erwärmung auf deutlich unter 2° – möglichst 1,5°“ zu begrenzen, keine neuen fossilen Ressourcen erforscht und erschlossen werden dürfen, müssen Ausschlüsse von Investitionen in Unternehmen mit Plänen zum Ausbau ihrer Öl- und Gasförderaktivitäten oder des Kohleabbaus formuliert werden. Fast jeder Bau neuer Kohle-, Öl- und Gasinfrastruktur ist an die Erschließung neuer fossiler Ressourcen gebunden und führt zu einem jahrzehntelangen fossilen Lock-in. Deswegen müssen auch Unternehmen, die neue Pipelines, LNG-Terminals, Gaskraftwerke oder Kohleinfrastruktur planen, von Investitionen ausgeschlossen werden. Außerdem darf nicht in Kohleunternehmen ohne Ausstiegsplan bis 2030 in OECD-Ländern bzw. weltweit bis 2040 investiert werden. Ohne solche klaren und transparenten Anlagekriterien droht das Generationenkapital zu Lasten der nächsten Generationen die Klimakrise anzuheizen.
Gewährleistung parlamentarischer Beteiligung
Des Weiteren fordern wir eine parlamentarische Beteiligung bei dem Aufbau und der Aufsicht der Stiftung Generationenkapital. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen im Kuratorium lediglich die beteiligten Ministerien vertreten sein und nicht, analog z.B. zum KENFO-Kuratorium, auch Mitglieder des Bundestages. Auch die Ausformulierung einer klima-, umwelt- und menschenrechtsbezogenen Anlagerichtlinie soll lediglich den Ministerien obliegen. Wie oben genannt, müssen bereits im Gesetz die diesbezüglichen Grundsätze in Übereinstimmung mit den UNGPs, den OECD-Leitsätzen sowie das Bekenntnis zum Pariser Klimaziel festgelegt werden. Die Entscheidungen zur konkreten Ausgestaltung sowie die Überprüfung der Einhaltung der Anlagerichtlinie muss unter weitreichender parlamentarischer Beteiligung stattfinden. Dazu gehört auch die jährliche Freigabe der vom Bund einzuzahlenden Gelder in das Generationenkapital unter Prüfung der nachhaltigen Anlagestrategie.
Rückfragen an:
Kathrin Petz, urgewald e.V.
Tel.: 030 8632922-51, Mail: kathrin.petz@urgewald.org
Sophia Cramer, Koordination AG Finanzsektor & Menschenrechte
Tel.: 0176 620 77 198, Mail: sophia.cramer@posteo.de
1 https://sustainable-finance-beirat.de/wp-content/uploads/2024/07/SFB_Zukunftsbild_DE.pdf
2 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-de-rentenniveau-1017754
3 https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/finanzen/haushalt/nachhaltig-anlegen
4 https://sustainable-finance-beirat.de/wp-content/uploads/2024/09/PM_Stellungnahme_nachhaltige_Kapitalanlage_der_oeffentlichen_Hand.pdf
5 https://mneguidelines.oecd.org/Responsible-Business-Conduct-for-Institutional-Investors-GERMAN.pdf
6 https://sustainable-finance-beirat.de/wp-content/uploads/2024/09/PM_Stellungnahme_nachhaltige_Kapitalanlage_der_oeffentlichen_Hand.pdf