Rede von Thilo F. Papacek

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Thilo Papacek, ich arbeite bei der Initiative GegenStrömung und spreche hier mit dem Mandat, das mir vom Dachverband der Kritischen Aktionäre verliehen wurde.

Im Jahresbericht der Hannover Rück wird das Thema Nachhaltigkeit groß geschrieben. Darin heißt es im Kapitel „Nachhaltigkeit bei der Hannover Rück“, dass sich die Hannover Rück in Nachhaltigkeitsfragen an den zehn Prinzipien des Global Compact orientiere. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Minimalstandards des Global Compact auf Verträgen und Normen beruhen, die ohnehin von den meisten Nationalstaaten akzeptiert werden und deshalb in die nationale Rechtsprechung eingeflossen sind.

Es ist also beileibe keine weltfremde Forderung idealistischer Spinner, wenn man von Ihnen verlangt, dafür Sorge zu tragen, dass die zehn Prinzipien des Global Compact in der gesamten Wertschöpfungskette ihres Unternehmens gewahrt bleiben. Auch Sie haben eine Verantwortung für die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Folgen der Projekte und Geschäfte, die Sie rückversichern, so wie es in den UN-Leitprinizipien zu Wirtschaft und Menschenrechten festgelegt ist.

Unter den Punkten eins und zwei des Global Compact heißt es „Unternehmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten“ sowie „Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen“. Das ist nicht zu viel verlangt von einem Unternehmen, oder?

Doch, Herr Wallin, bei dem Wasserkraftwerk Hidrosogamoso in Kolumbien, das die Hannover Rück rückversichert hat, muss man sich schon fragen, ob und wie sie da ihrer Pflicht nachgekommen sind, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschenrechte gewahrt bleiben. Laut unserer Partnerorganisation „Rios Vivos“ wurden zwischen 2009-2014 sechs Menschen ermordet, die sich gegen das Wasserkraftwerk eingesetzt haben.

Und im weltweiten Staudammgeschäft ist das leider kein Einzelfall: Einer Studie der Nichtregierungsorganisation Global Witness zufolge wurden im Jahr 2015 weltweit 185 Menschen umgebracht, weil sie sich für Menschenrechte von ländlichen Gemeinden und für Umweltschutz eingesetzt haben. Von diesen ermordeten Menschenrechts- und Umweltaktivisten waren fast 10 Prozent in Konflikte um Wasserkraftwerken involviert. Und auch aus meiner eigenen Arbeit und Recherche kann ich bestätigen, dass sich im vergangenen Jahr die Konflikte um diese angeblich saubere und klimafreundliche Energiequelle massiv verstärkt haben.

Die negativen Folgen für die Umwelt von Wasserkraftwerken sind enorm. Bereits im Jahresbericht 2002 der Hannover Rück hieß es zu Staudämmen: „Aber die Zukunft dieser enormen Bauwerke ist unsicher. Die Nebenfolgen wie Verlust von langwährenden wirtschaftlich genutzten und bewohnten Gebieten sowie die ökologischen Impakte sind zu zerstörerisch.“ Dennoch hat die Hannover Rück die Rückversicherung von Hidrosogamoso übernommen – mit entsprechenden negativen Folgen für die Flussökologie des Sogamoso und die Menschen, die an diesem Fluss leben.

Da vom Staubecken des Kraftwerks Hidrosogamoso bei hohen Pegelständen immer wieder Wasser abgelassen werden muss, um einen Dammbruch zu verhindern, schwanken die Pegelstände des Sogamoso flussabwärts enorm. Dadurch kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Überschwemmungen. Am schlimmsten war es in der Zeit vom vierten bis sechsten Dezember vergangenen Jahres. Die Schleusen mussten geöffnet werden, um den Damm zu entlasten. Nach Angaben der mit uns kooperierenden Sozial- und Umweltbewegung „Rios Vivos“ geschah das teilweise in der Nacht und ohne die Bevölkerung zu alarmieren. Nach Angaben des lokalen Büros des kolumbianischen Katastrophenschutzes in Betulia mussten bei diesem Hochwasser zehn Häuser evakuiert werden, Anwohner verloren ihre Felder, auf denen sie Maracuja und Tomaten anbauen, viele verloren ihre Hühnerställe mit allen Tieren. Der kolumbianische Katastrophenschutz kalkuliert die bis jetzt entstandenen Schäden auf über 800.000,-€.

Und erst in den letzten Tagen war es wieder so weit: Wieder musste Wasser vor Staubecken abgelassen werden, 1.500 Kubikmeter in der Sekunde. Die Zeitung El Espectador aus Kolumbien berichtete über überschwemmte Farmen und Rinder, die im Wasser stehen. Früher kündigten sich die Hochwasser am Sogamoso langsam an, jetzt kommen sie schnell und unvorhersehbar. Diese ständige Gefahr hat auch psychologischen Effekte auf die flussabwärts lebende Bevölkerung: Immer wenn der Fluss lauter wird, bekommen die Menschen Angst, dass der Fluss wieder über die Ufer tritt. Laut „Rios Vivos“ klagen viele Anwohner über Schlafstörungen, wegen des Lärms und der Anspannung: Wird jetzt wieder etwas passieren?

Wie passt eine so sehr für Klimaschwankungen und extreme Regenfälle anfällige Technologie wie Staudämme zum Anspruch der Hannover Rück, besonders nachhaltig zu wirtschaften? Mit dem zu erwartenden Klimawandel werden sich extreme Wetterlagen – seien es Dürren, seien es Starkregenfälle – vermehren. Große Staudämme sind angesichts dieser Herausforderungen durch den Klimawandel keine Lösung, sie sind Teil des Problems.

Und dies führt uns wieder zum Global Compact zurück: Dort heißt das Prinzip sieben: „Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen“. Bei Hidrosogamoso hat es offenbar die Hannover Rück versäumt, dem Vorsorgeprinzip zu folgen. Sie haben ein Staudammprojekt rückversichert, das letztlich massive Umweltprobleme verursacht, die auch enorme Probleme für die lokale Bevölkerung nach sich ziehen.

Wasserkraftwerke stehen oft in Verbindung mit Bergbauprojekten, denen sie Energie und Wasser für die Aufbereitungsanlagen liefern. Und auch diese Projekte sind häufig verbunden mit Konflikten mit der lokalen Bevölkerung, Menschenrechtsverbrechen und Umweltzerstörung.

Wie zum Beispiel der Fall des Tailingbeckens der Firma Samarco bei Mariana in Minas Gerais, Brasilien, der u.a. von der Hannover Rück rückversichert wurde. Am 5. November 2015 ist der Damm des Beckens gebrochen, eine Schlammlawine ergoss sich durch das Tal des Rio Doce. 19 Menschen sind dabei gestorben. Vor kurzem war Frau Julia Fernandes von der Bewegung der Staudammbetroffenen MAB aus Brasilien bei mir, die über die Situation der vom Unglück betroffenen Fischer und Kleinbauern berichtete. 1,5 Millionen Menschen haben durch dieses Unglück ihren Lebensunterhalt oder ihre Häuser verloren, auch wenn die Betreiberfirma nur von 7.000 Betroffenen sprechen will. Auch in diesem Fall haben sie ein hochriskantes Projekt rückversichert, ohne dem Vorsorgeprinzip zu Folgen, wie es Prinzip sieben des Global Compact fordert.

Ich will mit meinen Ausführungen nicht sagen, die Hannover Rück sei schuld an diesen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Katastrophen. Aber ich fordere Sie auf, in Zukunft derartige sozio-ökologisch riskante Projekte nicht mehr rückzuversichern. Vom drittgrößten Rückversicherer der Welt wäre dies ein starkes Signal an Betreibergesellschaften und Investoren, sich in Zukunft mehr um die Einhaltung von menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Normen zu sorgen.

Deshalb meine Fragen:

  • Was hat die Hannover Rück unternommen, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte bei dem Bau des Wasserkraftwerks Hidrosogamoso gewahrt bleiben?
  • Welche Form des menschenrechtlichen und ökologischen Monitoring ihrer Geschäftspartner betreiben Sie?
  • Wie viele Wasserkraftwerke rückversichert die Hannover Rück und in welchen Ländern?
  • Wie viele Tailings und Tagebaubergwerke rückversichert die Hannover Rück und in welchen Ländern?
  • Will die Hannover Rück in Zukunft auf die Rückversicherung von Wasserkraftwerken verzichten, was ich begrüßen würde?
  • Will die Hannover Rück in Zukunft auf die Rückversicherung von Tagebaubergwerken und Upstream-Tailings verzichten, was ich begrüßen würde?

Zum Abschluss will ich sie noch auf das Prinzip neun des Global Compact hinweisen. Dort heißt es: „Unternehmen sollen die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien beschleunigen.

In diesem Sinne fordere ich Sie auf, in der Zukunft keine Wasserkraftwerke in sozial und ökologisch fragilen Regionen rückzuversichern, keine Tagebaubergwerke rückzuversichern und keine upstream-tailings, die ein wesentlich größeres Risiko bergen, als downstream-tailings.

Gerne können Sie und die anwesenden Aktionäre mit unserer Nichtregierungsorganisation GegenStrömung in Kontakt treten, um über diese Fragen einen konstruktiven Dialog zu führen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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