Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa und spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten setzen wir uns für den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt ein.
Wir können auch dieses Jahr den Vorstand nicht entlasten, da Sie unserer Auffassung nach Ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht hinreichend nachkommen. Wir haben einen entsprechenden Gegenantrag eingereicht, den ich hier kurz begründen werde.
Ich beschränke mich auf das Thema Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, da die Fragen zu Ihrer neuen Klimaschutz-Strategie bereits von Regine Richter von urgewald gestellt worden sind.
Die Hannover Rück ist an umstrittenen Großstaudammprojekten beteiligt, welche die Menschenrechte der lokalen Bevölkerung missachten und die Umwelt zerstören. Seit längerem kritisieren wir Baufehler, Korruption und vor alle Menschenrechtsverletzungen.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder die miserable Klimabilanz von großen Staudämmen kritisiert, aber auch vor den ökonomischen Risiken gewarnt.
Letztes Jahr ist es beim Staudammprojekt Hidroituango in Kolumbien zu einer Katastrophe gekommen. Die finanziellen Folgen müssen nun auch Sie tragen, doch der Schaden für die betroffenen Menschen ist unermesslich.
Warum hat sich Hannover Rück am Katastrophenstaudamm Hidroituango als Rückversicherer der Versicherer des Staudamms beteiligt?
Das Projekt ist vom Anfang an in Korruption verwickelt gewesen und wird mit Massakern, gewaltsamen Verschwindenlassen, Ermordungen von Vertreter*innen der betroffenen Gemeinschaften und mit der Behinderung der Übergangsjustiz in Zusammenhang gebracht.
Hinzu kommen negative Auswirkungen auf die Umwelt und, schlimmer noch, die Gefahr humanitärer Katastrophen aufgrund schwerwiegender Fehler bei der Risikoabschätzung beziehungsweise bei den Bauarbeiten.
Dieses Projekt wird heftig kritisiert, regional wie international. Nun muss der Betreiber über 800.000 Euro als Strafe zahlen, weil er in drei verschiedenen Baustellen ohne Umweltgenehmigung vorgegangen ist.
Seit der Planungsphase von Hidroituango gab es Massaker und Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen im Projektgebiet. In der Überflutungszone befinden sich Massengräber. Rund 900 Menschen in dieser Gegend gelten als gewaltsam verschwunden gelassen. Ihre sterblichen Überreste befinden sich nun möglicherweise unter dem Wasser des Stausees. Seit 2013 wurden überdies fünf Vertreter der betroffenen Gemeinden ermordet.
Es ist also nicht so, dass es an deutlichen Hinweisen gemangelt hätte, dass dieses Staudammprojekt keinen umwelt- und menschenrechtlichen Standards genügt. Dennoch haben Sie diesen Staudamm rückversichert.
Was letztes Jahr passiert ist? Nach schweren Regenfällen war der zentrale Umleitungstunnel durch Erdrutsche verstopft worden und fiel aus. Der zweite Umleitungstunnel war zuvor von der Baufirma zubetoniert worden.
Da die Staumauer schon stand, stieg das Wasser bedrohlich weiter an und flutete erste angrenzende Siedlungen. Am 12. Mai 2018 brach das auch in den Tunneln angestaute Wasser abrupt durch, so dass die anschließende Flutwelle weitere Landfläche flutete und ganze Ortschaften zerstörte. Die gefährdete Bevölkerung musste großflächig evakuiert werden. Es entstand ein Millionenschaden.
Bei der Münchener Rück ist es der größte Einzelschaden. Ihre Münchener Konkurrenz bewertet den Fall auch richtig als von Menschen verursachter Großschaden. Warum führen Sie im Geschäftsbericht 2018 nur Starkregen an? Wäre der zweite Tunnel nicht zubetoniert worden, hätte der Schaden reduziert werden können.
Mehr als 20.000 Menschen waren direkt von den Überschwemmungen betroffen. Bis heute wurden Sie nicht angemessen entschädigt.
Haben die von Ihnen rückversicherten Erstversicherer nun Zahlungen an Geschädigte geleistet, und mussten Sie dadurch auch Ihre vertraglich zugesicherten Leistungen erfüllen?
Auch die Umwelt ist massiv geschädigt: Entwaldung, Dürren, Probleme mit der Abfallwirtschaft und Fischmangel. Über 34.000 Fische sind am Ufer des Flusses gestorben. Deshalb wurden die Umweltlizenzen vorübergehend außer Kraft gesetzt.
Sie mussten nun laut aktuellem Geschäftsbericht für die entstandenen Zerstörungen fast 50 Mio. Euro bezahlen.
Ich frage Sie:
- Deutsche Organisationen und die kolumbianische Organisation „Rios Vivos“ haben seit Jahren vor den Folgen des Großprojekts Hidroituango für Menschen und Umwelt ausdrücklich gewarnt. Sie haben auch deutsche Firmen und Politik mit Nachdruck aufgefordert, sich nicht an diesem Projekt zu beteiligen. Warum haben Sie das Staudammprojekt trotzdem rückversichert?
- Welche Auswirkungen haben Ihre Nachhaltigkeitspolitik bzw. Ihre neue Klimastrategie in Bezug auf Versicherungen dieser Art? Würden Sie das Projekt nach menschenrechtlichen Standards erneut überprüfen?
- Es besteht immer noch das Risiko, dass der Damm bricht. Wie hoch schätzen Sie Ihre Kosten im Falle eines Dammbruchs ein?
- Weltweit drohen Dammbrüche, weil Betreiber aus Kostengründen lieber auf sogenannte „Upstream“-Dämme setzen. Die letzten Beispiele aus Brasilien sind ein mörderisches Beispiel für die realen Gefahren dieser Dämme. Nehmen Sie diese Gefahren in Ihre Risikoanalysen mit auf? Werden Sie in Zukunft die Versicherung oder Rückversicherung von Projekten mit sog. „Upstream“-Dämmen ausschließen?
Grundsätzlich müssen Sie als Rückversicherer endlich anfangen, sich konkrete menschenrechtliche und umweltbezogene Kriterien geben, die es wert sind, als solche bezeichnet zu werden.
Ich freue mich auf ausführliche Antworten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.