„Unsere Dividende ist das Überleben künftiger Generationen“: Rede von Arnaud Boehmann

Arnaud Boehmann von Fridays for Future: „Die Rettung unseres Klimas erfordert weniger Produktion, weniger Konsum, weniger Transport.“

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Arnaud Boehmann, ich komme von Fridays for Future Hamburg.

Ich danke den Kritischen Aktionärinnen und Aktionären sehr für ihre Einladung.

Wie Sie wissen, bestreiken wir seit über sechs Monaten Schulen und Universitäten auf der gesamten Welt. Wir erwarten davon keinen unmittelbaren Nutzen für uns selbst. Unsere Dividende ist das Überleben künftiger Generationen.

Sie, meine Damen und Herren, tragen einen Wirtschaftszweig, der an vorderster Front für die globalen Treibhausgasemissionen mitverantwortlich ist.

Wir haben wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass sich die Hapag-Lloyd eine 20%-Reduzierung der CO2-Emissionen pro TEU-Kilometer bis 2020 im Vergleich zu 2016 als Ziel gesetzt hat. Wir sind uns einig, weniger Emissionen sind in jedem Fall ein Fortschritt. Aber das ist nicht genug!

20% in vier Jahren sagt uns, dass Sie 25 Jahre verschlafen haben. 1992 beim UNFCCC-Vertrag haben Sie geschlafen. Als 1997 das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde, da war es nicht Ihr Problem. Und 2015 nach dem Abkommen von Paris, hofften Sie noch immer darauf, dass dieser Kelch an Ihnen vorübergeht.

20% in vier Jahren sagen uns auch: Da geht noch mehr! Wenn Sie 20% in vier Jahren schaffen können, stellen Sie sich vor, wo Sie heute wären, hätten Sie rechtzeitig angefangen.

So schön Ihr 20%-Ziel ist, für uns ist es bedeutungslos. Noch immer wird jede Ihrer Konzernentscheidungen von Angst bestimmt. Der Angst zu kurz zu kommen. Solange Sie sich vollkommen dem Primat des Wachstums unterwerfen, weigern Sie sich, Ihrer Verantwortung gegenüber dem Planeten und der folgenden Generation gerecht zu werden. Solange Sie einzig danach streben, jedes Jahr mehr und mehr Container umzuschlagen, haben Sie Ihren moralischen Kompass noch nicht gefunden.

Die Rettung unseres Klimas erfordert weniger Produktion, weniger Konsum, weniger Transport. Haben Sie eine Strategie, die diesen Erfordernissen Rechnung trägt?

Ein Blick in Ihren Nachhaltigkeitsbericht zeigt: Sie haben zwar die Emissionen pro TEU-Kilometer von 2017 auf 2018 gesenkt, und doch sind Ihre Gesamtemissionen von 12,2 auf 13,7 Millionen Tonnen CO2 gestiegen. Ist das Ihr Verständnis von Umweltschutz und Nachhaltigkeit?

Meine Damen und Herren, wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, müssen Sie sich eingestehen, dass bei Ihnen das meiste Brot schon gegessen ist. Sie werden, mit Verlaub, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr miterleben. Ihre Kinder und Enkel werden es.

Im Grundgesetz heißt es: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Mit den Ressourcen der Hapag-Lloyd AG erwächst Ihnen eine Verpflichtung.

Sie haben beispielsweise die Möglichkeit, durch Investitionen in Ihre Flotte weit mehr zu erreichen als 20%. Die Schiffbauindustrie muss neue Wege finden, um langfristig emissionsneutral die Warenströme dieser Welt zu lenken. Keine Werft baut von sich aus, auf eigene Kosten einen Prototyp für das Frachtschiff der Zukunft. Diese Verantwortung, meine Damen und Herren, liegt bei Ihnen. Sie müssen mit Ihrem Kapital den Weg ebnen und neuen Antrieben und neuen Bauweisen eine Chance geben. Nicht als großzügige Geste, sondern als Investition in die Zukunft Ihrer Reederei.

Die Konkurrenz bei Maersk ist da bereits weiter. Wo glauben Sie, werden Sie stehen, wenn jede Tonne CO2 mit 2- bis 3 stelligen Eurobeträgen zu Buche schlägt?

Wir sehen Ihre Bemühungen. Doch Sie wissen, dass die Umrüstung auf LNG keine Lösung sondern höchstens ein Zwischenschritt sein kann.

Können Sie uns garantieren, dass die Scrubber-Systeme, die Sie installieren, keine Schadstoffe aus den Abgasen Ihrer Schiffe ins Meer leiten?

Sie sitzen da, und warten und warten und sehen Ihrem Wohlstand beim Wachsen zu.

Sie wissen genau wie wir, dass kein Zertifikat, kein Audit und keine runden Tische Ihnen die Verantwortung abnehmen, wenn Sie nicht bereit sind, substanzielle Änderungen an Ihrer Unternehmenspolitik vorzunehmen.

Nutzen Sie, was Sie haben! Fordern Sie eine Landstrompflicht für Containerschiffe, Kreuzfahrtschiffe und Tanker und gehen Sie mit gutem Beispiel voran!

Stellen sie große Budgets für die Entwicklung umweltfreundlicherer Schiffstypen bereit!

Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Emissionen in der Zukunft nicht nur uns allen schaden, sondern auch Ihrem Geschäft!

Die Wetterextreme, die der Klimawandel mit sich bringt, werden auf See spürbar sein. Die 345 Container der MS Zoe werden nichts sein im Vergleich zu den Verlusten, die mit veränderten Klimabedingungen auf See auf Sie zukommen.

Schauen Sie nicht weg. Das haben Sie schon viel zu lange getan. Schauen Sie nicht auf die Bilanzen der nächsten Jahre.

Ermöglichen Sie eine Zukunft für sich selbst, Ihr Unternehmen und Ihre Familien. Vielen Dank!

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