Fragwürdige Ausnahmen und intransparente Kriterien bei der „Grüne-Länder-Strategie“: Gegenanträge von Jürgen Grässlin

Zu TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Die Mitglieder des Vorstands werden nicht entlastet.

Begründung:

Der Vorstand der Heckler & Koch AG wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht, den Konzern zu einem „Vorreiter einer verantwortungsvollen Rüstungsexportstrategie“ werden zu lassen. Die sogenannte „Grüne-Länder-Strategie“ wird aktuell nicht der Verantwortung gerecht, wie sich aus dem todbringenden Produktportfolio ergibt. Verantwortung heißt für die Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch: Die Waffen von Heckler & Koch dürfen keinesfalls in Kriegen, bewaffneten Konflikten oder bei Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz kommen.

„Grüne-Länder-Strategie“: Fragwürdige Ausnahmen und intransparente Kriterien

Im Konzernabschluss und Konzernlagebericht vom 31. Dezember 2016 verkündete Heckler & Koch auf Seite 15: „‘Grüne Länder‘ werden durch eine unternehmensinterne Klassifikation definiert, die auf drei öffentlich zugänglichen Kriterien basiert:

  • der Corruption Perception Index von Transparency International,
  • NATO-Mitglied oder NATO-gleichgestellter Staat (Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz),
  • sowie der Democracy Index von Economist Intelligence Unit. Folglich sind die meisten EU-, NATO- und NATO-gleichgestellten Länder ‚grüne Länder‘.“

Statt diese selbstgesetzte Rüstungsexport-Kontrollstrategie konsequent zu verfolgen, wird die Liste der Ausnahmen durch weit gefasste und intransparente Kriterien immer länger. Nunmehr können auch „andere europäische und außereuropäische Staaten, die entsprechend strenge Kriterien erfüllen“ beliefert werden.

Die Folge: Inzwischen können beispielsweise auch Indonesien, Malaysia oder Oman als vermeintlich ‚Grüne Länder‘ gelten. Alle drei Länder werden vom Bonn International Center for Conversion (BICC) in mindestens fünf der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU für den Rüstungsexport als „kritisch“ oder „möglicherweise kritisch“ eingestuft. In Hinblick auf das Kriterium 2, Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland, werden alle drei Länder als „kritisch“ bewertet.

Unternehmerische Verantwortung abgegeben

Während bei Einführung der „Grüne-Länder-Strategie“ noch davon die Rede war, über die Exportbestimmungen der deutschen Bundesregierung hinausgehen zu wollen, wird sich nun wieder hinter den Genehmigungen der Bundesregierung versteckt. Im Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2020 heißt es dazu auf Seite 27: „Da Waffenexporte ausschließlich mit Genehmigung der Bundesrepublik Deutschland zulässig sind, ist eine Belieferung in kritische Staaten definitiv ausgeschlossen.“ Wer die eigene unternehmerische Verantwortung derart an andere Institutionen abgibt, braucht konsequenterweise auch keine konzerneigene „Strategie“ zu propagieren. Eine solche verdient den Namen nur dann, wenn mindestens eigene Kriterien und Risikoanalysen vollumfänglich transparent gemacht werden und ethisch verantwortbar sind. Exportentscheidungen müssen auch öffentlich nachvollziehbar gemacht werden und dürfen keinesfalls die eigenen Exportgrundsätze konterkarieren. Nachvollziehbarer Weise hat der Verwaltungsgerichtshof Berlin zur Jahreswende 2020/2021 auch ein Verbot für Kleinwaffenexporte nach Südkorea bestätigt, gegen das H&K vergeblich geklagt hat.

Illegale Exporte nach Mexiko: Bundesgerichtshof bestätigt Urteil Heckler & Koch

Dass die Exportbestimmungen der Bundesregierung und die gängige Praxis der Endverbleibserklärungen nicht allein die Maßgabe sein sollten, ist dem Vorstand nun auch vom Bundesgerichtshof (BGH) schmerzlich vor Augen geführt worden.

Der BGH wies Ende März 2021 die von Heckler & Koch eingelegte Revision zum Urteil des Stuttgarter Landgerichts ab. Nach einer Strafanzeige des Tübinger Anwalts Holger Rothbauer und von mir war das Landgericht im Februar 2019 zu dem Schluss gekommen, dass Exportgenehmigungen von mehr als 4.200 Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen erschlichen worden waren. Mit seiner Entscheidung stoppte der BGH nun auch die letzten Versuche des Vorstands, jegliche Schuld allein auf damals involvierte Mitarbeiter*innen zu schieben. Heckler & Koch muss nun definitiv mehr als drei Millionen Euro zahlen.


Zu TOP 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden nicht entlastet.

Begründung:

Der Aufsichtsrat hat es weiterhin nicht geschafft, das Chaos beim Personalwechsel im Aufsichtsrat zu beenden, Transparenz in der Eigentümerstruktur herzustellen und die Zukunft des gesamten Konzerns von den Eitelkeiten zweier Führungspersonen unabhängig zu machen.

Personalquerelen im Aufsichtsrat und Abhängigkeit von der CDE

Während der ehemalige Hauptgesellschafter bzw. Vorstandsvorsitzende Andreas Heeschen versucht, über eine Beschlussmängelklage bis hin zum Oberlandesgericht Stuttgart noch irgendwie in den Aufsichtsrat zu gelangen, wird dieses Vorhaben im Gegenzug von der Verwaltung durch die erneute Vorlage der Beschlüsse der letzten Hauptversammlung (siehe TOP 6) zu verhindern versucht. Dies mag vielleicht für Spezialist*innen des deutschen Aktienrechts interessant sein, das Verhalten aller Beteiligten schadet jedoch immens der Reputation und lässt den gesamten Konzern als ein nicht seriös geführtes Unternehmen erscheinen.

Angesichts der bisherigen Skandale um illegale Waffenexporte und angesichts des Bemühens um öffentliche Aufträge, nicht nur bei der Bundesregierung, schaffen die verantwortlichen Personen bei H&K immer weitere unternehmensgefährdende Risiken.

Problematisch ist zudem auch die extrem hohe Verschuldung von Heckler & Koch. Im Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2020 heißt es gleich an vier Stellen: „Der Fortbestand der H&K AG bzw. des H&K AG Konzerns ist davon abhängig, dass die aufgenommenen Darlehen und die emittierte Anleihe zeitnah verlängert oder durch andere externe Finanzierungen oder Eigenkapitalerhöhung ersetzt werden.“ Damit bleibt Heckler & Koch weiter vollkommen vom Willen von Nicolas Walewski bzw. seiner Luxemburger Finanzholding CDE (Compagnie de Développement de l’Eau) abhängig. Heckler & Koch wird weiterhin eine Art Spielball im Streit zwischen Heeschen und Walewski bleiben.

Verstrickung von Edmund Heckler in Verbrechen des Nationalsozialismus muss aufgeklärt werden und Konsequenzen haben

Nach Recherchen der „Bild am Sonntag“ leitete Edmund Heckler, Mitgründer und Namensgeber von Heckler & Koch, während der Zeit des Nationalsozialismus eine Panzerfaust-Fabrik der HASAG, in der mehr als 1.000 Menschen unter Zwang und weiteren unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten, viele wurden dort erschlagen oder erschossen. Die HASAG war eines der größten Rüstungsunternehmen in der NS-Zeit und setzte während des Zweiten Weltkriegs zehntausende von zivilen Zwangsarbeiterinnen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen ein.

Zwar ist es richtig, dass Heckler & Koch nun die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeiten aller drei Unternehmensgründer während und kurz nach der NS-Zeit beauftragt hat. Schon kurz nach Beginn der Recherche stellte die GUG klar, dass man davon ausgehen müsse, dass Edmund Heckler von den grausamen Bedingungen in der Fabrik wusste. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung müssen allen Interessierten zugänglich gemacht werden und in der öffentlichen Selbstdarstellung von Heckler & Koch angemessen berücksichtigt werden.

Dennoch stellt sich die Frage, weshalb der Aufsichtsrat nicht frühzeitig initiativ geworden ist, damit mögliche Verwicklungen in Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus schon weitaus früher aufgearbeitet werden konnten. Der Historiker Christopher Kopper bewertet die Firmenchronik von 1999 als unkritisch und lobhudelnd. Eines sollte den Konzernverantwortlichen zu denken geben: Ein führender NS-Scherge darf in einer vermeintlich humanistisch geprägten Gesellschaft nicht länger Namenspatron sein!

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