Rede von Gunarti, Vertreterin der Bürgerinitiative JMPPK

Liebe Menschen hier in Heidelberg,

ich betrachte sie als Schwestern und Brüder, die ich alle gleichermaßen liebe. Ich heiße Gunarti und komme aus der Gemeinschaft der Sedulur Sikep im Landkreis Pati in Zentraljava am Fuße des Kendeng Karstgebirges. Ich bin Landarbeiterin, wie die meisten Menschen in unserer Gegend (Foto 1). Ich bin als Vertreterin der Bürgerinitiative JMPPK hierher nach Deutschland gekommen, um die Aktionäre von HeidelbergCement über unsere Situation zu informieren. Das geplante Zementwerk ihres Tochterunternehmens Indocement muss sofort gestoppt werden. Denn es zerstört unser Leben!

HeidelbergCement behauptet in seinen öffentlichen Statements immer wieder das Folgende: Indonesien habe strenge Umweltgesetze. Man habe am Standort Pati für das geplante Zementwerk eine umfängliche Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen, man habe alle Stakeholder einbezogen. Zum Planungsprozess sagt HeidelbergCement, dass der Abbau von Rohstoffen auf Regionen beschränkt sind, die nicht relevant seien für das Karstsystem. Darüber hinaus, so die Behauptung des Unternehmens, werde die lokale Bevölkerung von den Arbeitsplätzen und den CSR-Maßnahmen des Unternehmens profitieren.

Ich weise diese Darstellungen von HeidelbergCement entschieden zurück, weil sie nicht der Realität vor Ort entsprechen. Ich bin hierher gekommen, um Ihnen zu erzählen, wie sich die geplante Zementfabrik wirklich auf unsere Umwelt und unser Leben auswirken wird.

HeidelbergCement sagt, Indonesien habe strenge Umweltgesetze. Die Gesetze gibt es, aber nur auf dem Papier. 2005 erließ das Ministerium für Energie und mineralische Ressourcen eine Bestimmung zum Schutz des Karstgebietes von Sukolilo in der Größe von 11.800 ha. Doch nachdem Indocement Interessen am Kendeng-Gebirge angemeldet hatte, wurde dieses Schutzgebiet von der Regierung drastisch verkleinert. 2014 erging ein Erlass des Ministeriums nach dem nun nur noch 7.180 ha geschützt sein. Das heißt, über 4.600 ha, die vorher geschützt waren, sind es auf einmal nicht mehr. Und genau in diesem Gebiet möchte Ihr Tochterunternehmen Material für die Zementproduktion abbauen.

Außerdem möchte ich etwas zur Umweltverträglichkeitsprüfung sagen, die angeblich so umfassend und gesetzestreu verlief. Wo finden sich in der Argumentation des Unternehmens die 67 Prozent der Anwohner, die sich gegen das Vorhaben ausgesprochen haben? Kann eine Umweltverträglichkeitsprüfung gültig sein, gegen die sich die Mehrheit der Anwohner ausspricht? Die Anwohner sehen die Umweltverträglichkeitsprüfung als unehrliches Verfahren. Unehrlich, weil sie auf falschen Daten beruht. In den Unterlagen von Indocement wurden zum Beispiel viel weniger Wasserquellen im Karstgebirge angegeben als tatsächlich vorhanden sind. In den Unterlagen von Indocement wurden 24 Wasserquellen in dem betroffenen Karstgebiet genannt. Wir haben nachgezählt, es sind tatsächlich 125 Wasserquellen. In den Unterlagen des Unternehmens ist von 6 Höhlen die Rede, es sind in Wirklichkeit aber 30. Außerdem findet sich in den Dokumenten für die Fabrikplanung keinerlei Erwähnung von Dolinen (für den Wasserkreislauf im Karst wichtige, natürlich entstandene Trichter) in dem betroffenen Gebiet. Es gibt aber 9 Dolinen und wir wissen, wo sie sind. Für uns als Bauern sind die Wasserquellen des Kendeng Gebirges überlebensnotwendig. Sie speisen unsere Felder, auf denen wir seit Generationen Nahrungsmittel anbauen.

HeidelbergCement sagt, man habe alle Stakeholder im Planungsbiet einbezogen. Was heißt, alle Seiten einbezogen? Es gab eine Mehrheit von Menschen, die sich dagegen ausgesprochen haben, dass auf ihrem Land Untersuchungen für die Zementfabrik statt finden. Es ist ihr gutes Recht, das zu verweigern. Wo finden sich diese Menschen in den Dokumenten wieder? Untersucht wurde in Teilen des Gebirges, an Gewässern, in Höhlen. Die können nicht sprechen. Mit den Menschen aber, die es betrifft, wurde nicht ausreichend gesprochen. Diese Menschen haben das Gefühl, für Ihr Unternehmen gar nicht zu existieren.

Auch dass der Abbau von Rohstoffen auf Regionen beschränkt sind, die nicht relevant sind für das Karstsystem ist nicht zutreffend. Unabhängige Studien von Wissenschaftlern belegen, dass im geplanten Abbaugebiet das Grundwasser betroffen sein wird, da es zahlreiche interirdische Flüsse gibt, die durch das Abbaugebiet unterbrochen werden. Genau aus diesem Grund war das Gebiet ja zuvor als Naturschutzgebiet deklariert worden. Wer von ihnen das genauer erklärt haben möchte, dem können wir gerne unsere mitgebrachten Karten von dem betroffenen Gebiet zeigen. Darüber hinaus zeigen Studien am bereits bestehenden Werk von Indocement in Westjava, dass sich die dortige Zementproduktion negativ auf die Umwelt auswirkt.

Sie behaupten, die lokale Bevölkerung werde vom Bau des Werkes profitieren. Wessen Perspektive ist das, wer profitiert davon? Die Menschen vor Ort haben genug zum Leben, keiner von uns ist so arm, dass er bei HeidelbergCement um Hilfe betteln müsste. Die Mehrheit von uns sind Bauern und wollen es bleiben. Bauern brauchen Land, Wasser und ihre eigene Arbeitskraft. Unsere Landwirtschaft beruht auf kleinbäuerlicher Arbeit. Von einem Hektar Landwirtschaftsfläche können bei uns 140 Menschen ausreichend leben, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Ausbildung. Wenn man Vergleiche anstellt, wie viele Menschen bei uns auf landwirtschaftlichen Flächen arbeiten können und wie viele in einer Zementfabrik, wird schnell klar, dass die Fabriken real keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen. Wir brauchen keine Zementfabrik. Im Gegenteil: Die Zementfabrik zerstört nicht nur unsere Lebensgrundlage, sondern auch unsere sozialen Beziehungen. Das spüren wir, seit die ersten Berater in unseren Dörfern aufgetaucht sind. Die Versprechen von schnellem Geld lassen Menschen käuflich werden und zerreißen Familien. Dabei wissen wir aus der Erfahrung an anderen Orten, dass Bauern, nachdem sie ihr Land verloren haben, viel stärker der Armut ausgesetzt sind als zuvor.

HeidelbergCement lobt sich oft selbst für seine CSR-Maßnahmen, von denen die Bevölkerung angeblich so profitiert. Wir brauchen diese Maßnahmen nicht. Wir Bauern sehen in diesem Geld keine Hilfe, sondern eine Waffe, die unser Land und unsere sozialen Beziehungen zerstört. Dieses Foto (Foto 2) zeigt die Auswirkungen des Fabrikbaus in dem benachbarten Bezirk Rembang, wo ein staatliches Unternehmen mit dem Bau einer Zementfabrik begonnen hat.

Dagegen gibt es bei uns in Pati eine breite Widerstandbewegung, organisiert in der Bürgerinitiative JMPPK. Diese Bewegung besteht nicht nur aus den BäuerInnen und Bauern vor Ort, sondern wird von zahlreichen WissenschaftlerInnen aus vielen Regionen Indonesiens unterstützt. Über 250 WissenschaftlerInnen aus Indonesien haben ihre Solidarität durch eine Unterschriftenliste zum Ausdruck gebracht. Die Solidarität reicht über die Grenzen Indonesiens hinaus. Bei einer Petition von Rettet den Regenwald haben über 80.000 Menschen sich gegen das Vorhaben in Pati gestellt, auch diese möchten wir heute übergeben.

Wir haben unseren Protest mehrfach auf die Straße getragen. Wir haben vor dem Präsidentenpalast demonstriert und sind daraufhin auch vom indonesischen Präsidenten empfangen worden. Auch vor der deutschen Botschaft in Jakarta haben wir demonstriert. Eine Protestform (Foto 3), die besonders viel Aufmerksamkeit erregt hat, war das öffentliche Einzementieren unserer Füße vor dem Palast des Präsidenten. Wir wurden gefragt, warum wir uns diese Schmerzen zufügen. Doch für uns ist der Schmerz, den der Verlust unserer Wasserquellen und Felder bedeutet, sehr viel größer. Er betrifft nicht nur uns, sondern auch unsere Kinder und Enkel würden darunter leiden.

Darum bitte ich Sie als Aktionäre, ihre Herzen zu öffnen und nicht zuzulassen, dass mit ihrem Geld unser Leben zerstört wird. Stellen Sie sich mal vor, bei Ihnen in Deutschland würde ein Unternehmen kommen und in einem Naturschutzgebiet und in einer bevölkerungsreichen Gegend Bergbau betreiben wollen. Wäre das hier möglich? Wäre es möglich, dass Menschen ihre lebensnotwendigen Wasserquellen geraubt würden, dass einzigartige Ökosysteme zerstört werden und traditionelle Kulturstätten? Ich habe Deutschland als umweltfreundliches und gesetzestreues Land erlebt. Deswegen habe ich das Gefühl, dass hier mit zwei Maßstäben gemessen wird. Ich, meine Familie und unsere NachbarInnen betrachten Sie hier in Deutschland als unsere Mitmenschen. Sind wir für Sie auch Mitmenschen? Wenn das so ist, dann bitte ich Sie: Stimmen Sie den zerstörerischen Praktiken dieses Unternehmens nicht zu.

Vom Vorstand des Unternehmens HeidelbergCement als Mehrheitseigner von Indocement fordere ich als Vertreterin der Bürgerinitiative JMPPK die sofortige Einstellung aller Baupläne im Landkreis Pati. Indocement macht uns schon seit sieben Jahren zu Opfern ihrer Gewinnbestrebungen. Es reicht! Es gab bei den Protestaktionen schon ein Todesopfer, eine 48-jährige Frau starb an den Folgen eines Herzinfarktes. Ohne die Fabrikpläne wäre diese Frau wahrscheinlich noch am Leben. Doch ihre Unterschrift gegen die Fabrikpläne steht hier auf dem Papier, gemeinsam mit den Unterschriften von 6.000 weiteren Menschen.

Ich möchte diese 6.000 Unterschriften, zusammen mit den über 100.000 Unterschriften, die die Organistation Rettet den Regenwald gesammelt hat, jetzt gerne dem CEO von HeidelbergCement, Bernd Scheifele, übergeben.

Fragen an den Vorstand von HeidelbergCement:

  1. Was werden Sie als Vertreter von HeidelbergCement tun, nachdem Sie nun erfahren haben, dass das Handeln Ihres Tochterunternehmens so vielen Menschen Schaden zufügt? Wir als indigene Gemeinschaft sind besonders bedroht, unsere Tradition und Lebensgrundlage zu verlieren. Sie als Vorstand müssen Verantwortung übernehmen für die Zerstörung der sozialen Beziehungen in unseren Dörfern durch das Handeln ihres Tochterunternehmens.
  2. Wir haben in der deutschen Presse gelesen (Mannheimer Morgen, 5.5.2017), dass es keine konkreten Pläne von Seiten ihres Tochterunternehmens zur Errichtung einer Zementproduktion im Landkreis Pati gibt. Entspricht diese Information der Wahrheit?
  3. Falls diese Information der Wahrheit entspricht, warum müssen die Menschen bei uns dann seit sieben Jahren unter dem Planungsprozess für eine solche Fabrik leiden?
  4. Im Landkreis Pati ist die Mehrheit der Menschen gegen die Zementfabrik. Deswegen fordern wir den Rückzug von Indocement aus Pati. Wann wird sich Ihr Tochterunternehmen endlich aus unserer Heimat, dem Landkreis Pati, zurückziehen?

 

 

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  1. […] Gunarti (links) auf der Hauptversammlung von HeidelbergCement 2017 […]

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