Rede von Manfred Budzinski

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Manfred Budzinski. Ich spreche hier für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, für pax christi Baden-Württemberg sowie als Sprecher der Nahost- Kommission der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, Deutsche Sektion.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands nicht zu entlasten, weil die HeidelbergCement AG durch ihre Geschäftspolitik und Geschäftspraktiken weiterhin und fortgesetzt die Nichteinhaltung des Völkerrechts in dem von Israel besetzten Westjordanland unterstützt. HeidelbergCement profitiert von völkerrechtswidrigen Maßnahmen und trägt gleichzeitig dazu bei, dass der illegale Status der israelischen Siedlungen aufrechterhalten bleibt, was völkerrechtswidrig ist. Bundespräsident Steinmeier hat erst vor 2 Tagen in Israel noch einmal auf die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen hingewiesen.

Artikel 1 der Vierten Genfer Konvention verpflichtet alle Staaten, für die Durchsetzung der Einhaltung des geltenden Völkerrechts Sorge zu tragen. Nach dieser Konvention sind der Lebensraum und die Institutionen der ansässigen Bevölkerung vor willkürlicher Enteignung, Zerstörung und Besiedlung durch die Besatzungsmacht geschützt.

Immer mehr gerät HeidelbergCement mit seinen Geschäftsgebaren im Westjordanland – völkerrechtswidrig zu produzieren und so internationales Recht nicht einzuhalten und sich maßgeblich am Bruch des Völkerrechts zu beteiligen – in die Schlagzeilen in der Öffentlichkeit und bei Investoren. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass HeidelbergCement noch im Laufe dieses Jahres in die „Negativliste“ des UN-Menschenrechtsrats aufgenommen wird, mit der Konsequenz, dass das Unternehmen für ethische Fonds zum „no go area“ wird, dass diese nicht mehr in das Unternehmen investieren können und der Folge weiterer Fonds-Ausstiege nach den vergangenen zwei Jahren. Das wäre etwas, was der Vorstandsvorsitzende bei der Hauptversammlung 2016 an dieser Stelle auf gar keinen Fall wollte. Es ist leider nichts geschehen, diese Situation zu vermeiden.

Bei der Hauptversammlung 2016 erklärte der Vorstandsvorsitzende außerdem, dass man eine interne Revision durchgeführt habe. Das Ergebnis sei, dass man keine Baustoffe für den Siedlungsund Mauerbau liefere. Diese Aussage ist wenig glaubwürdig, da die israelische Menschenrechtsorganisation Who Profits dokumentiert, dass Hanson Israel z.B. im Juni 2015 per LKW Beton für den Ausbau der völkerrechtswidrigen illegalen Barkan Industriezone lieferte, dass Hanson LKWs im Februar 2015 den Checkpoint Qualandia passierten und dass bereits 2012 über Google Street View ein Hanson LKW nahe bei einer völkerrechtswidrigen Siedlung im Jordan Valley gesichtet wurde. Die Aussage ist auch angesichts verschiedener israelischer Regierungsberichte und von Berichten der Judea and Samaria cities union wenig glaubwürdig. In diesen Berichten wird darauf hingewiesen, dass die im von Israel besetzten Westjordanland produzierten Betonbaustoffe nicht nur für Israel sondern auch für den Bau in den völkerrechtswidrigen Siedlungen verwendet werden. Unabhängig von diesen Schilderungen wurde das auf der vergangenen HV angekündigte Ende der Lizenz im Steinbruch Nahal Raba für 2017 bislang nicht in die Praxis umgesetzt, d.h. der völkerrechtswidrige Abbau von Ressourcen auf Kosten der einheimischen palästinensischen Bevölkerung wird fortgesetzt. Dies ist nicht akzeptabel.

Kurz zum Hintergrund: Laut Geschäftsbericht 2012 kam es 2007 zum Kauf von Hanson. Ein Teil von Hanson ist die Tochterfirma „Hanson Israel“. Dadurch unterhält HeidelbergCement auf dem besetzten Gebiet zwei Betonwerke (in den illegalen israelischen Siedlungen Modiin Illit und Atarot I.Z.) sowie ein Asphaltwerk und den sehr großen Steinbruch Nahal Raba (südlich von Elkana) und ist damit Teil der Besatzungsökonomie. Für den Steinbruch wurden von israelischer Seite über 50 Hektar Land von Bauern in der palästinensischen Gemeinde al-Zawiyeh, auf deren Gemarkung er liegt, beschlagnahmt.

HeidelbergCement unterhält somit durch Hanson Israel – und das ist unstrittig – auf dem besetzten Gebiet zwei Betonwerke in den illegalen israelischen Siedlungen Modiin Illit und Atarot I.Z. D.h., Sie produzieren in diesen Siedlungen. Das ist völkerrechtswidrig, weil Sie dort Betonwerke unterhalten und damit konkret die Besatzungs- und Siedlungsökonomie und die dortige Infrastruktur unterstützen, weil dadurch der nicht erlaubte Transfer der israelischen Bevölkerung in die besetzten Gebiete unterstützt wird und weil dies nicht zum Nutzen der einheimischen Bevölkerung ist. Oder wollen Sie weiterhin im Ernst behaupten, dass HeidelbergCement durch Hanson Israel in diesen Siedlungen zwei Betonwerke betreibt und gar nichts von diesen Produkten für Bauten und die Infrastruktur in diesen und in anderen Siedlungen verbleibt?

In einem Interview eines Vertreters des großen norwegischen Pensionsfonds Nordea – anzusehen und zu hören im Internet – mit einem Ihrer Angestellten beim Steinbruch scheint die Märchenstunde ausgebrochen zu sein, nur damit der Fonds sich nicht von den HeidelbergCement Aktien trennt. So lassen Sie den Angestellten sagen, dass der Steinbruch auf der Grünen Linie von 1967 liegen würde, obwohl Sie hier auf der HV mehrfach bestätigt haben, dass er im besetzten Area C, also auf palästinensischem Gebiet liegt. In Ihrem Schreiben an Human Rights Watch vom 19. Mai 2015 bestätigen Sie dies. Ihnen dürfte sicher bekannt sein, dass etwa 2004 die israelische Regierung die völkerrechtswidrige Mauer dort auf palästinensischem Gebiet – jenseits der Grünen Linie – bauen ließ, so dass der Steinbruch nun angeblich auf israelischem Gebiet liegt und die Mauer das palästinensische Dorf al-Zawiyeh und die wirklichen Besitzer von ihrem Land trennt.

Richtig ist: Dieses Dorf liegt östlich des Steinbruchs ungefähr 3,7km von dem Steinbruch selbst und ungefähr 5 km von der Grünen Linie. Der Steinbruch befindet sich auf der palästinensischen Seite der Grünen Linie, der Mittelpunkt des Steinbruches liegt ungefähr 1,4km östlich der Linie, also nicht auf der Linie. Es wird behauptet, es habe keine Probleme gegeben, obwohl solche in der Panorama-Sendung vom 2. September 2010 dokumentiert sind. Usw. usf. Haben Sie das nötig?

Wir forderen deshalb vom Vorstand die sofortige Trennung von dem Geschäftsbereich von Hanson Israel, der in der Westbank liegt, sowie von Hanson Israel, sofern von dort aus die illegalen Siedlungen und/bzw. der illegale Mauerbau und die Nichteinhaltung des Völkerrechts in dem von Israel besetzten Westjordanland unterstützt werden.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt zudem, die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht zu entlasten.

Denn der Aufsichtsrat der HeidelbergCement AG ist verpflichtet, den Vorstand bei der Ausübung seiner Geschäftstätigkeit zu kontrollieren.

Dieser Pflicht ist der Aufsichtsrat unserer Meinung nach nicht nachgekommen, da er es zulässt, dass der Vorstand durch seine Geschäftspolitik die Nichteinhaltung des Völkerrechts in dem von Israel besetzten Westjordanland weiterhin unterstützt, dass das Unternehmen Teil der Besatzungsökonomie ist und außerdem eine Geschäftsschädigung billigend in Kauf nimmt.

Wir erwarten vom Aufsichtsrat, dass er den Vorstand bei der notwendigen sofortigen Trennung von dem Geschäftsbereich von Hanson Israel, der in der Westbank liegt, sowie von Hanson Israel, sofern von dort aus die illegalen Siedlungen und/bzw. der illegale Mauerbau unterstützt werden, voll unterstützt, begleitet und damit einer Achtung und Umsetzung internationalen Rechts wie auch der OECD-Leitsätze Rechnung trägt – auch um weiteren Schaden vom Unternehmen fernzuhalten.

Bevor ich zu unseren Fragen komme, noch eine Anmerkung: Auch im Geschäftsbericht 2016 sprechen Sie von Marokko und Israel, obwohl ein Teil der Geschäftsaktivitäten gar nicht dort stattfindet, sondern in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten Westsahara und Westjordanland – so sieht es auch die EU. Es stünde einem international so erheblich aktiven Unternehmen -Sie haben dies vorhin in Ihrem Bericht hervorgehoben – gut zu Gesicht, dies in allen Verlautbarungen zu berücksichtigen. Am Einfachsten wäre dies mit einem Rückzug aus Westsahara und Westjordanland.

Ich bitte Sie um die Beantwortung der folgenden Fragen, die ich Ihnen schon vor Beginn der Hauptversammlung übermittelt habe:

  1. Wie wollen Sie vermeiden, dass HeidelbergCement in die „Negativliste“ des UNMenschenrechtsrats aufgenommen wird und damit für ethische Fonds nicht mehr in Frage kommt?
  2. Werden Sie ab sofort Lieferungen in die illegalen israelischen Siedlungen abstellen? Dies gilt auch z.B. für den Verleih von LKWs an andere Unternehmen, die solche Lieferungen vornehmen!
  3. Wann werden Sie sich endlich von dem Geschäftsbereich von Hanson Israel, der in der Westbank liegt, sowie von Hanson Israel, sofern von dort aus die illegalen Siedlungen und/bzw. der illegale Mauerbau unterstützt werden, trennen, auch um weiteren Schaden vom Unternehmen und den Aktionärinnen und Aktionären fernzuhalten?
  4. Und noch einmal konkret: Wann werden Sie den Betrieb des Steinbruchs Nahal Raba und des angegliederten Asphaltwerks einstellen, wann den Betrieb der beiden Betonwerke in den völkerrechtswidrigen Siedlungen Modiin Illit und Atarot I.Z. beenden?

 

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