Gegenantrag Femnet

TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2015

Antrag: Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.

Begründung

Hugo Boss verkündet hehre Ziele in seinem Verhaltenskodex, handelt aber nicht danach.

HUGO BOSS äußert sich im Nachhaltigkeitsbericht 2014 wie folgt: „Im Jahr 2014 bestanden 792 Vertragsverhältnisse mit Lieferanten in 43 Ländern, bei denen die HUGO BOSS Sozialstandards ausnahmslos bestätigt wurden, davon hatten 617 Lieferanten ein aktives Lieferverhältnis mit HUGO BOSS.“

Aufgrund von Befragungen von Arbeiterinnen durch Cividep, einem Partner von FEMNET in Indien, konnten jedoch allein schon in zwei Fabriken, in denen HUGO BOSS produzieren lässt, Arbeitsrechtsverletzungen aufgedeckt werden. Von der Fabrik Arvind Mills Ltd, in der 2500 bis 3000 Menschen angestellt sind, bezieht HUGO BOSS seit mindestens einem Jahr Jeans- und Webwaren sowie konfektionierte Waren. Von der zweiten Fabrik Trio Apparels in Bangalore bezieht HUGO BOSS T-Shirts. Merkwürdigerweise werden diese zwei Fabriken in Indien nicht im Nachhaltigkeitsbericht 2014 erwähnt.

Keine existenzsichernde Löhne:
Für seine deutschen Mitarbeiter wirbt HUGO BOSS mit „attraktiven Gehältern“. Für seine Lieferanten in Indien ist dies nicht der Fall. Trotz Überstunden reicht das Gehalt der Arbeiterinnen in Indien nicht, ihre monatlichen Ausgaben zu decken, geschweige denn, Geld für die Zukunft zu sparen. Die Beschäftigten verdienen monatlich 6000-7800 Rupien brutto (78 bis 102 EUR). Für die Miete der Wohnung müssen sie allein schon die Hälfte bis zwei Drittel des Lohns ausgeben. Wegen ihres geringen Lohns sind die Arbeiter_innen gezwungen, Kredite aufzunehmen, also sich zu verschulden, um z.B. ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen oder Medikamente zu bezahlen. Sehen so faire Löhne aus?

Überstunden:
Wenn eine Fabrik nicht genug Arbeit hat, werden die Beschäftigten nach Hause geschickt. Wenn die nächste große Lieferung bevorsteht, müssen die Arbeiterinnen länger bleiben und die freibekommene Zeit mit Überstunden ausgleichen. Die Arbeiterinnen machen bis zu 40 Überstunden im Monat. Nur mit Überstunden können sie ihren Lohn etwas aufbessern, um überleben zu können. Nicht immer werden aber diese Überstunden entsprechend vergolten, denn durch Feiertage verlorene Arbeitszeit muss an Sonntagen wieder ausgeglichen werden. Dies, obwohl den Arbeiter_innen laut Gesetz ein freier Tag in der Woche zusteht. Zudem werden die an diesen Kompensationstagen geleisteten Überstunden nicht wie laut Gesetz vorgeschrieben doppelt entlohnt.

Alle befragten Arbeiterinnen gaben an, dass sexuelle Belästigungen in der Bekleidungsindustrie weit verbreitet seien und sexuelle Übergriffe vorkommen. Obwohl es in den Fabriken „Komittees gegen sexuelle Belästigungen“ gibt, wussten die Frauen nicht, wozu diese da sind. In der Regel werden die Komitee-Mitglieder vom Management bestimmt und nicht von den Beschäftigten gewählt, sie haben also keine wirkliche Funktion. Sie werden nur geschaffen, um sie den Einkäufern vorzuzeigen.

In beiden Fabriken gab es keinen Betriebsrat, Gewerkschaften waren nicht bekannt.

Wie kann HUGO BOSS die genannten Verletzungen des eigenen Verhaltenskodex mit seinem Anspruch, Sozialstandards einzuhalten, vereinbaren?

Transparenz:
Wieso werden die Lieferanten von HUGO BOSS in Indien weder im Geschäftsbericht 2015 noch im Nachhaltigkeitsbericht 2014 genannt? Die beiden untersuchten Fabriken werben auf ihren Internetseiten mit dem deutschen Unternehmen. HUGO BOSS schreibt: „Der jährlich erscheinende Nachhaltigkeitsbericht von HUGO BOSS soll Transparenz über die bestehenden und geplanten Nachhaltigkeitsziele und -aktivitäten des Konzerns schaffen“. Von Transparenz kann hier jedoch nicht die Rede sein, wenn ein Land, aus dem mehrere Fabriken HUGO BOSS beliefern, nicht einmal genannt wird.

HUGO BOSS gibt an, „bereits bei der Auswahl neuer Geschäftspartner nachhaltigkeitsbezogene Faktoren zu berücksichtigen – darunter in erster Linie die Einhaltung der Sozialstandards, die zwingende Voraussetzung für den Beginn von Geschäftsbeziehungen ist.“ Nun stellt sich die Frage, wie die Geschäftsbeziehungen zu den indischen Fabriken entstehen konnten und wieso hier Arbeitsrechtsverletzungen stattfinden können, obwohl HUGO BOSS angeblich regelmäßige Audits durchführt.

Laut Nachhaltigkeitsbericht von HUGO BOSS bestand im Jahr 2014 mit 617 Lieferanten ein aktives Lieferverhältnis. Durch Sozialaudits überprüft wurden im Jahr 2014 aber nur 30%. Dennoch behauptet HUGO BOSS, dass bei seinen Lieferanten in 43 Ländern die Sozialstandards ausnahmslos bestätigt wurden. Eine reichlich kühne Behauptung angesichts der Befragung der Arbeiterinnen in nur 2 Fabriken in Indien, die ein anderes Bild zeichnen.

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