Rede von Christian Russau

„Es ist wie immer, wenn jemand abhängig ist: Der Süchtige selbst erkennt seine Sucht nicht als solche, verharmlost sie, spielt sie runter, leugnet sie.
Ich habe aber auch gute Nachrichten: Noch sind Sie kein pathologischer Fall. 10% Umsatzabhängigkeit im Rüstungsbereich ist keine komplett unheilbare Abhängigkeit: Konversion ist machbar.“

Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Christian Russau, ich bin Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

MTU Aero macht laut eigenen Angaben mit 500 Mio. Euro 10% seines Gesamtumsatzes im Militärbereich. Dazu zählen Motoren und Turbinen auch für Kampfflugzeuge wie Tornado oder den Eurofighter.

Ich zitiere Sie:

„[A]us dem EJ200 (Eurofighter) wäre ohne die MTU kaum ein solches Kraftpaket geworden“.

Schauen wir uns also die Tornados und Eurofighter Typhoon doch mal in situ an, vor Ort, im Kriegseinsatz.

Ich zitiere den Text „Waffen fallen vom Himmel“ der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 23. Juli 2015:

„Die Saudis gehören seit Jahren zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. […] [I]n saudischen Tornado-Kampfjets, die Ziele im Jemen bombardieren, steckt deutsche Technik.“ Dann ist in der ZEIT von den Tornados die Rede und davon: „Saudi-Arabien soll zudem den Eurofighter Typhoon einsetzen.“

Im Netz sind Videos zu finden, auf denen zu sehen ist, wie sowohl Tornados als auch Eurofighter Typhoon bei Bombardierungen im Jemen von Saudia-Arabien eingesetzt wurden.

Ich frage Sie: Haben Sie Kenntnisse über den Einsatz seitens Saudi-Arabiens von Tornados bzw. Eurofighter Typhoon im Krieg im Jemen? Wenn ja, wie bewerten Sie dies, vor allem im Hinblick auf Ihre eigene Rolle bei der Produktion dieser Kampfflugzeuge?

Zitieren wir weiter, um uns ein Bild des Ganzen zu machen: Statt der ZEIT kommt nun die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zu Wort:

Im Amnesty International Länder-Report 2017 zum Jemen (Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016) steht: „In dem 2016 weiterhin andauernden bewaffneten Konflikt verübten alle Parteien Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz, welche die international anerkannte Regierung des Jemen unterstützte, bombardierte Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen und verübte wahllose Angriffe, bei denen zahlreiche Zivilpersonen getötet oder verletzt wurden.“

Vielleicht werden Sie sagen: unsere Regierungen haben doch die Exportgenehmigungen erteilt und wenn die Endverbleibskontrolle –  also sprich: wird da die Bombardierung der Bevölkerung mit betrieben? – wenn sich also die Endverbleibskontrolle als schwierig gestaltet, dann kann das doch nicht das Problem der MTU Aero sein und liegt schon gar nicht in unserer Verantwortung…

Ich zitiere weiter dem Amnesty-Report zum Jemen 2017: „Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte wurden seit Beginn des Konflikts im März 2015 bereits 4.125 Zivilpersonen getötet, darunter mehr als 1.200 Minderjährige, und über 7.000 Zivilpersonen verletzt. Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen gab die Zahl der Menschen, die bis Oktober 2016 aufgrund des Konflikts ihre Heimat verlassen mussten, mit 3,27 Mio. an. Fast 21,2 Mio. Menschen waren auf humanitäre Hilfe angewiesen, was 80% der Bevölkerung entspricht.“

Wie heißt es so schön markig und kraftvoll bei MTU Aero?

„[A]us dem EJ200 (Eurofighter) wäre ohne die MTU kaum ein solches Kraftpaket geworden“.

Wir müssen also reden.

Und kommen Sie mir bitte nicht mit fadenscheinigen Ausreden (siehe oben: „Regierung“ und deren „Rüstungsexportkontrolle“ sowie „schwierige Endverbleibskontrolle“ etc). Ich bin mir sicher, den meisten hier im Saal Anwesenden wird es mulmig, wenn sie erfahren, dass ihre Dividenden letztlich auch damit erwirtschaftet wurden, dass Kampfflugzeuge, die auch mit MTU Aero Engines-Technik ausgestattet sind, Kriegsverbrechen wie Bombardierungen unschuldiger Zivilbevölkerungen begehen. Solche Art von Dividenden will hier bestimmt niemand ruhigen Gewissens haben.

Es geht also um Konversion.

Und wir können gerne reden. Wir Nichtregierungsorganisationen können Sie dahingehend begleiten, wie ein Ausstieg aus der Rüstungsindustrie vonstatten gehen kann, ohne dass es Arbeitsplätze kostet und sinkenden Umsatz und Gewinn bedeutet. Wir stehen Ihnen gerne zur Seite, denn das ist es, was Sie dringend brauchen: Es ist wie immer, wenn jemand abhängig ist: Der Süchtige selbst erkennt seine Sucht nicht als solche, verharmlost sie, spielt sie runter, leugnet sie.

Ich habe aber auch gute Nachrichten: Noch sind Sie kein pathologischer Fall. 10% Umsatzabhängigkeit im Rüstungsbereich ist keine komplett unheilbare Abhängigkeit: Konversion ist machbar.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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