„Können Sie zusichern, dass keine Sklavenarbeit auf Plantagen aus Ihrem Portfolio gibt?“: Rede von Alan Tygel

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Alan Tygel und ich komme aus Brasilien. Ich bin Mitglied der brasilianischen Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben.

Sie werden sich fragen: Was hat eine Rückversicherung mit Agrargiften und Pestziden zu tun?

Leider sehr viel.

Die Munich RE hat Anteile an mehreren Firmen und Fonds, die in Ländern wie Brasilien Eukalyptusplantagen haben. Diese Plantagen nennen Sie Forste, wir nennen sie grüne Wüsten. Warum?

In einer Eukalyptusplantage, wie es sie in Brasilien in zunehmenden Maßen zu Hauf gibt, überlebt nichts außer den Bäumen selbst. Wenn dort eine andere Pflanze wächst, dann wird sie mit giftigen Herbiziden vernichtet. Wenn eine tierische Spezies sich der Plantage annähert, dann wird sie mit giftigen Insektiziden vernichtet.

Die Munich Re hat einen Anteil in Höhe von 43,47 Prozent an der RMS Forest Growth International, die ihren Sitz auf dem Steuerfluchtparadies Cayman Inseln hat. Diese Firma hat in Brasilien eine Tochterfirma, die RMS do Brasil Administração de Florestas Ltda., die ihren Sitz in Curitiba hat und die in Brasilien über genau solche Plantagen grüner Wüsten verfügt, sowohl eigene als auch welche, die sie für Dritte verwaltet.

Ich frage Sie:

  • Im Jahresbericht 2018 von RMS steht, dass Ihre Firma dort die Gifte Scout (Inhaltsstoff Glufosinat) und Chopper (Inhaltsstoff Imazapir) versprüht. Beide Pestizide werden von BASF produziert. Beide Wirkstoffe sind in Brasilien erlaubt, sind aber in Europa verboten. Ihre Firma RMS erklärt in besagtem Bericht zudem, dass RMS beim Label FSC eine Ausnahmeregel beantragt hat für die Verwendung von Fipronil und Sulfuramid, beides hochgiftige Wirkstoffe. Und: auch diese beiden Wirkstoffe sind in der EU nicht zugelassen. Finde Sie das ethisch, in anderen Ländern Gifte zu versprühen, die von den zuständigen Behörden Ihres Landes (Deutschland und der EU) verboten wurden, eben weil sie zu gefährlich sind für die menschliche Gesundheit und die Umwelt?
  • Der gleich Jahresbericht erklärt auf Seite 17, dass die leeren Agrogiftbehälter nach der Nutzung drei Mal ausgespült werden, bevor sie zurückgegeben werden. Bitte beschreiben Sie mir genau, wie und wo wird dieses mit Agrargiften durchsetzte Abwasser behandelt und entsorgt?
  • Auf Seite 18 beschreibt RMS die Liste der von RMS bekämpften tierischen Schädlinge, darunter befindet sich auch der „macaco prego“, eine in Südamerika beheimatete Affenart: der gehaubte Kapuziner. Ein kleines Äffchen. Aber in dem Bericht wird nicht ausgeführt, wie dieses Äffchen in Schach gehalten wird. Bitte erläutern Sie mir, hier und heute, wie und mit welchen Mitteln Ihre Firma RMS auf Ihren Eukalyptusplantagen gegen das kleine Äffchen vorgeht?

Brasilien ist bis heute das einzige Land weltweit, dass den Anbau von gentechnisch verändertem Eukalyptus erlaubt hat. Obwohl es dafür noch gar keine Langzeitstudien gibt, weder über die Gefahren gentechnisch veränderter Kontaminationen, noch über die Auswirkungen auf biologischen Honig der entsprechenden Regionen, die davon brutal betroffen sein werden. Hinzu kommt, dass der transgene Eukalyptus noch viel mehr Wasser verbraucht als die konventionellen Arten dies ohnehin schon tun. Und dies in einem Land wie Brasilien, wo wir mit steigendem Raubbau an der Natur und sich zuspitzendem Klimawandel immer mehr massive Dürren durchleiden.

Wir wollen von Ihnen eine klare Aussage: : die „Firmen und Fonds der grünen Wüsten“, an denen Ihr Unternehmen Anteile hält, baut transgenen Eukalyptus an oder plant dies? Selbst wenn da noch nichts sicher zertifiziert wurde?

Die Probleme mit Eukalyptusplantagen beschränken sich aber nicht nur auf den massiven Pestizideinsatz oder den transgenen Eukalyptus.

Über dem ganzen Sektor des Anbaus von Eukalyptus und Pinien schwebt ein sehr dunkles Kapitel brasilianischer Realität: Sklavenarbeit. Der letzte Bericht über Sklavenarbeit in Brasilien vom 10. April 2018 erwähnt allein für den Sektor Eukalyptus und Pinien elf Fälle von dokumentierter und staatlich aufgedeckter Sklavenarbeit.

Kann die Munich RE schriftlich, transparent und nachvollziehbar BEWEISEN, unter Offenlegung aller Dokumente, dass es auf keiner der Plantagen, an denen die Munich RE Anteile in Brasilien hält, zu sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen gekommen ist?

Ich muss dies deshalb so direkt fragen, weil Sklavenarbeit in Brasilien ein nach wie vor erschreckend aktuelles Thema ist: Die Sklaverei wurde in Brasilien 1888 abgeschafft. Aber noch immer gibt es Fälle von Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnlichen Verhältnissen. Der Walk Free Foundation zufolge sollen das in Brasilien im Jahr 2014 155.000 Menschen gewesen sein. Einer repräsentativen Umfrage zufolge erklären 70 Prozent der BrasilianerInnen, sie wüssten, dass es in Brasilien Sklavenarbeit gibt.

Ein weiteres sehr schwerwiegendes Problem ist: Brasilien hat die weltweit ungerechteste Landverteilung. Laut dem letzten Agrarzensus von 2017 besitzen 1 Prozent der Landbesitzer 47,5% der Ländereien Brasiliens. Und noch dramatischer: im Vergleich zum Zensus 10 Jahre zuvor sind diese Zahlen weiter angestiegen.

Das bedeutet, dass die großen Firmen de facto den Kleinbauern weiterhin ihr Land wegnehmen, um dort Commodities für den Weltmarkt zu produzieren. Dies zum Beispiel ist im Jahr 1998 passiert, als die Firma Comfloresta, heute Eigentum Ihrer Tochterfirma RMS, Kleinbauern von ihren Ländereien in São Francisco do Sul, Santa Catarina, vertrieben hat.

Im Jahr 2009 hat eine Gruppe von 36 Familien, die über kein Land zum Überleben verfügten, ein Gebiet der gleichen Firma, Comfloresta, dieses Mal in Tijuca do Sul, Paraná, besetzt, um dort Lebensmittel zu produzieren. Nach zwei Monaten wurden die Familien vertrieben.

Was ist die Position der Munich RE in Bezug auf Landkonflikte, die herrühren aus der Landnutzung im Sinne einer Gewinnmaximierung statt einer Landnutzung im Sinne der Produktuon von Grundnahrungsmittel?

Ich frage das deshalb, weil Ihre Tochterfirma RMS über die „Sicherheit des Eigentums“ Eukalyptusplantagen stolz schreibt: Der Zutritt von unbefugten Personen mit illegalen Absichten („Eindringen, Jagd, Fischerei oder Aneignung und Zerstörung unseres Eigentums“) wird über ein „Sicherheitssystem“ geregelt. Wer Brasilien kennt, versteht genau, was damit gemeint ist: Arme Leute und Kleinbauern aus der Umgebung, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts Fischen und Jagen und Brennholz suchen gehen, sollen mit Gewalt vom Territorium Ihrer Firma ferngehalten werden. Ich muss Sie fragen: Können Sie kategorisch ausschließen, dass Ihre Sicherheitskräfte bewaffnet sind? Kam es in der Vergangenheit zu Vorfällen? Wenn ja, welche?

Zum Schluss, eine letzte Frage:

Die Munich RE besitzt 39,08% der Anteile des Fonds FIA Timber Partners II LP. FIA hat auch Eukalyptus- und Pinienplantagen in Brasilien, in den Bundesstaaten Mato Grosso do Sul, Bahia und Paraná. Nun gibt es mehrere Fonds der Firma FIA. Zumindest einer der Fonds von FIA Timber hat unlängst den Phaunos Timber Fonds aufgekauft, der seine grünen Wüsten der Eukalyptus- und Pinienplantagen an die Stahlwerke zur Verfeuerung anbietet, alles mit einem verlogenen „grünen Mäntelchen“. Können Sie das kategorisch ausschließen, dass Ihr Fondsanteil an FIA nicht den Phaunos Timer Anteil umfasst? Es geht dabei nicht nur um das verlogene grüne Mäntelchen der Baumrohstoffe für die Stahlindustrie, sondern eben auch um das Verfeuern des Eukalyptus in den Holzköhlereien Brasiliens, die, wie Sie hoffentlich wissen, die Ranglisten der Sklavenarbeit in Brasilien ebenfalls anführen. Ich möchte von Ihnen hier und jetzt ein klares Dementi hören!

Meine sehr verehrten Damen und Herren: die Monokulturen von Pinien und Eukalyptus produzieren Umwelt- und soziales Elend in Brasilien und in vielen anderen Ländern des Globalen Südens. Seien Sie versichert, dass diese Form der individuellen Gewinnmaximierung keine Zukunft hat, weil die davon in Mitleidenschaft gezogene Gesellschaft früher als Sie denken Sie dazu zur Rechenschaft ziehen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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