„Der lange Arm von RWE reicht weit“: Statements von der Pressekonferenz zum RWE-Tribunal in Essen

Pressekonferenz des RWE-Tribunals in Essen am 15.09.2021: v.r. Sabina Rothe, Eckhard Althaus, Alfred Weinberg, Rolf Schwermer, Christiane Niesel und Markus Dufner (Foto: Jörg Obergefell)

Sabina Rothe, Waldforum Essen und Mitinitiatorin des RWE-Tribunals:

„Die Fakten zum Klimawandel sind seit Jahrzehnten bekannt und seit langem ist klar: Solange fossile Energieträger weiter verbrannt werden und die Emissionen in die Atmosphäre gelangen, wird sich die Atmosphäre weiter aufheizen. Auf dieses Wissen, die daraus abzuleitenden Erkenntnisse und Handlungen hätte schon längst von Seiten der Politik reagiert werden müssen. Auch die Energie- Konzerne hätten ihre bisherigen Geschäftsmodelle anpassen müssen.

Doch stattdessen sind mächtige Strukturen geschaffen worden, um diese Erkenntnis unter der Decke zu halten und immer wieder Zweifel an den Aussagen der Wissenschaft zu streuen. Bislang sahen Energiekonzerne kaum Notwendigkeiten ihre Geschäftsmodell zu verändern. In vielen Fällen konnten sie sich zusätzlich durch „Die Politik“ gestützt sehen. Die Argumentationslinie der Versorgungssicherheit und des Allgemeinwohls konnte jahrzehntelang aufrechterhalten werden.

Mittlerweile hat sich jedoch „die Wissenschaft“ weiterentwickelt und ist inzwischen in der Lage, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Klimawandel und konkreten Wetterereignissen. Wegen dieser Zuordnungen wird der neue Wissenschaftszweig auch Zuordnungswissenschaft oder Attributionsforschung (Attribution Science) genannt.

Die Attributionsforschung verfügt mittlerweile über Datengrundlagen, mit der sie Berechnungen durchführen kann, die einzelnen Ländern und auch Konzernen ihren Anteil an den Treibhausgasen zuordnen kann. Einen großen Anteil daran hat die viel beachtete Studie von Richard Heede aus dem Jahr 2014. Sie listet diejenigen Unternehmen auf, die für die meisten CO2- und Methan-Emissionen zwischen 1854 und 2010 verantwortlich sind.

Das Ergebnis: nur rund 90 Unternehmen, die sogenannten „Carbon Majors“, haben ca. zwei Drittel der bisherigen anthropogenen Treibhausgasemissionen produziert. Darunter sind 50 privatwirtschaftliche Konzerne, 31 Staatskonzerne und neun zentralistische Staaten, die früher oder noch heute selbst als Produzenten auftreten oder auftraten. Bis auf sieben Unternehmen, die Zement herstellen, sind alle anderen Betriebe Öl-, Gas- und Kohleunternehmen. Darunter auch RWE. https://germanwatch.org/sites/default/files/GW-Klimakrise-WEB_0.pdf

Die nun vorliegenden Datengrundlagen, besonders auch das „Global Carbon Project“, ermöglichen jetzt, dass auch in Gerichtsverfahren die Beweisketten, die bislang noch nicht lückenlos geschlossen werden konnten, geschlossen werden können.

Einige Gerichtsprozesse gegen Konzerne sind schon angestoßen, Urteile stehen jedoch noch aus. Wie etwa im Fall des peruanischen Kleinbauern, der RWE auf Schadensersatz verklagt hat.

Hoffentlich wird es im Fall der Flut-Katastrophe auch gelingen, Schadensersatz-Forderungen an den Konzern RWE zu adressieren.

Besonders auch für den Fall der Kiesgruppe in Blessem. Dort hat sich das Tochter-Unternehmen des Konzerns eine Erweiterung der Kiesgrube in einem Überschwemmungsgebiet von den zuständigen Behörden genehmigenden lassen. Anett Selle und Torsten Reschke berichteten im Polit-Magazin Westpol vom 22.08.2021 das inzwischen die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Verdachts auf Baugefährdung gegen Unbekannt ermittelt. Sie prüft unter anderem, ob Amtsträger für Personenoder Sachschäden verantwortlich sein könnten. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kiesgrube-blessem-genehmigung100.html

Doch was kann von den Ermittlungen erwartet werden?

Staatsanwaltschaften sind in Deutschland weisungsgebunden und vom deutschen Bergrecht heißt es, dass es Grundrecht breche…. Kann da die Attributionsforschung weiter führen?

Unter der Leitung des Deutschen Wetterdienstes hat die internationale „World Weather Attribution“ Initiative eine Attributionsstudie zu den Extremniederschlägen in Deutschland und den Beneluxstaaten durchgeführt. Die Studie untersucht inwiefern der Klimawandel die extremen Regengüsse welche zu den Überschwemmungen Mitte Juli führten, beeinflusst hat. Ein Ergebnis: unter derzeitigen klimatischen Bedingungen ist an einem bestimmten Ort innerhalb einer größeren Region im Durchschnitt alle 400 Jahre ein solches Ereignis zu erwarten. Das bedeutet auch, dass wir derartige Ereignisse innerhalb der größeren westeuropäischen Region häufiger als einmal in 400 Jahren erleben werden.

Im Westpol-Bericht wird ein RWE-Sprecher so zitiert: „Die Hochwasserschutzanlage für die Kiesgrube war gemäß den behördlichen Vorgaben auf ein Hochwasser ausgelegt, das ca. alle 1000 Jahre einmal auftritt„.

Newsletter Attributionsforschung Nr. 3 / August 2021:
https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/spez_themen/attributionen/newsletter_ord ner/202108_attributionsforschung.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Stellungnahme des Dt. Richterbundes zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und der strafrechtlichen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 25.01.2021
https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news/2-21


Statement von Alfred Weinberg, Attac-Rat und Mitinitiator des RWE-Tribunals:

„Der Einfluss der RWE AG endet aber nicht an den Essener Stadtgrenzen. Der lange Arm von RWE reicht weit: Sowohl in die Bundesregierung als auch in die Landesregierung; zunächst mal beleuchtet: in die  Landesregierung NRW:

Der Essener Medienunternehmer und Rechtsanwalt Stephan Holthoff-Pförtner ist seit 2017 Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen im Kabinett von Armin Laschet.

Das von Holthoff-Pförtner seit über 30 Jahren mit großer Resonanz geleitete Politische Forum Ruhr, eine bundesweite Drehscheibe der Konzern-, Parteien- und Medien-Vertreter, wird von RWE ausdrücklich gefördert.

Erst kürzlich, am 7. September, trat Armin Laschet beim Politischen Forum in der Essener Philharmonie auf und pries das Ruhrgebiet als Vorbild für ganz Deutschland.

Holthoff-Pförtner vertrat schon Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre.

In dem Interview vom Juni dieses Jahres sagte H-P mit deutlich spürbarem Stolz bzw. genüsslich: „H.Kohl stellte sich über das Gesetz.“ Armin Laschets großes Vorbild ist bekanntlich Kohl. Die unrechtmäßige Räumung der Waldbesetzung im Hambacher Forst ist ein deutlicher Hinweis, dass für Laschet die bestehenden Gesetze weniger Bedeutung haben als die Interessen von RWE.

Zur Kanzlei Holthoff-Pförtner gehört seit 1993 auch der Ex-Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald Pofalla (CDU), der seit Januar 2017 als Vorstand Infrastruktur der Deutschen Bahn tätig ist und 2018 einer der Vorsitzenden der Kohlekommission war.“


Prof. Rolf Schwermer, Fossil Free Essen und Mitinitiator des RWE-Tribunals:

„Ich würde heute lieber gar nicht hier sitzen.

Verbindungen zwischen RWE und der Stadt Essen seit 2013 beobachtet. Habe Jahrelang erlebt, wie die Energiewende ausgebremst wird. Sehr geringer an EE in Essen. Bürgerenergie-Leute werden blockiert.

Ruhrstädte Essen, Dortmund und Mülheim/Ruhr sind Aktionäre und Dividenden-Empfänger. Die Stadt Essen leugnet aber, wie die Dividende erwirtschaftet wird: durch die Verbrennung von Braun- und Steinkohle. Jedes Grundschulkind weiß inzwischen, dass dadurch das Klima aufgeheizt wird.

Es ist falsch, mit der Verbrennung von Kohle Geld zu machen. Als Mitglied von Fossil Free fordern wir seit vielen Jahren, dass Essen seine RWE-Aktien verkauft und statt dessen in Klimaschutzmaßnahmen investiert.“
Rolf verweist auf die Emissionen und die Umweltkosten. „1,4 Mrd. Euro Ökosystemkosten nimmt die Stadt Essen in Kauf. Das taucht in der Klimabilanz der Stadt nicht auf.“

Ich engagiere mich, dass diese pilzartige Zusammenarbeit zwischen der Stadt Essen und RWE beendet wird.“


Eckhard Althaus, Physiker, DEW-kommunal und Klimabündnis Dortmund:

„Guten Tag. Mein Name ist Eckhard Althaus. Ich komme aus Dortmund und bin in der dortigen Klimaschutzbewegung aktiv, die sich u.a. kritisch mit der RWE-Verbindung von Dortmund beschäftigt.

Zwar ist Essen der Sitz des RWE-Konzerns, aber auch Dortmund kann man mit Fug und Recht als „RWE-Stadt“ bezeichnen. Dies aus zwei Gründen: Dortmund ist der größte kommunale Einzelaktionär von RWE mit derzeit 24,5 Mio. RWE-Aktien. Essen befindet sich mit knapp 19 Mio. RWE-Aktien auf Platz zwei dieser unrühmlichen Beteiligungen.

Historisch gibt es aber noch eine weitere Verbandelung mit RWE: Der Dortmunder Energie- und Wasserlieferant DEW21 befand sich bis Ende 2013 zu 47 % im Eigentum von RWE. Das war fast die Hälfte. Die restlichen 53 % befanden sich im Eigentum der Dortmunder Stadtwerke DSW21. Nahezu die Hälfte der Gewinne aus dem Geschäft von DEW21 waren also an RWE abzuführen.
Seit 2014 wurde der RWE-Anteil in einem neuen Vertrag von 47% auf 40% gesenkt. Diese Beteiligung ging dann an die RWE-Tochter Innogy über. Derzeit schwebt gerade die Übernahme durch Eon.
Mit dem Verkauf der RWE-Aktien ließe sich die vollständige Kommunalisierung der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung finanzieren, politisch wird dies aber weder vom Stadtwerkechef Guntram Pehlke, noch von der Mehrheit im Rat gewünscht:
Damit hat DEW21 eine Fremdbeteiligung, die nach meinen Informationen doppelt so hoch ist, wie die Beteiligung mit 20% an den Essener Stadtwerken.

Der eigentliche Skandal der Verbindungen mit RWE liegt m.E. darin, dass die Kommunen sich auf diese Weise zu Komplizen einer verantwortungslosen Braunkohleverstromung bis 2038 machen, mit all ihren fatalen Folgen.

Aber nicht nur das: Der Einfluss von RWE sowohl auf die Bundesregierung mit ihrem Wirtschaftsminister Altmaier, als auch auf die Landesregierung mit Kanzlerkandidat Laschet an der Spitze, konnte bisher zur Durchsetzung zentraler Ziele von RWE genutzt werden. Sie haben einerseits eine erheblichen Verzögerung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien erreichen können, die natürlich in Konkurrenz zur Kohleverstromung stehen. Diese könnte dadurch noch schneller unwirtschaftlich werden, als es ohnehin schon der Fall ist. Andererseits konnte RWE nicht nur eine satte Entschädigung für den Ausstieg aus der Kernenergie erreichen. RWE wurden auch für den viel zu späten Ausstieg aus der Braunkohle mit Milliardenbeträgen versorgt.

Die bevorstehende Klimakatastrophe erfordert hingegen, dass RWE so schnell wie irgend möglich aus der Braunkohleverstromung aussteigt.

Dies wird natürlich auch von der Klimaschutzbewegung in Dortmund gefordert.“

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