Rede Alejandro Pacheco Zapata (deutsch)

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Kaeser,
sehr geehrter Herr Snabe,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, 

mein Name ist Alejandro Pacheco Zapata, ich bin Kolumbianer und stelle heute einige Fragen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von Siemens in Kolumbien. Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf das Wasserkraftwerk Hidroituango.

Herr Kaeser, wenn menschenrechtliches Risikoassessment und Nachhaltigkeit eine so große Bedeutung für Siemens haben, warum hat das Unternehmen in Kolumbien mit dem Projekt Hidroitunago einen Vertrag abgeschlossen? Das Projekt ist in Korruption verwickelt und wird mit Massakern, gewaltsamem Verschwindenlassen, Ermordung von Vertreter*innen der betroffenen Gemeinschaften und mit der Behinderung der Übergangsjustiz in Zusammenhang gebracht. Hinzu kommen negative Auswirkungen auf die Umwelt und, schlimmer noch, die Gefahr humanitärer Katastrophen aufgrund schwerwiegender Fehler bei der Risikoabschätzung.

In Kolumbien wurde dieses Projekt heftig kritisiert. Sowohl im Kongress wie auch auf regionaler und lokaler Ebene. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft und der Rechnungshof ermitteln gegen den Staudamm-Betreiber. Ich frage Sie: Steht es nicht im Widerspruch zur Nachhaltigkeitspolitik von Siemens, als Zulieferer an diesem Projekt teilzuhaben?

Im Falle von Hidroituango lieferte Siemens Transformatoren und Ausrüstungen im Wert von rund 36 Millionen US-Dollar. Obwohl diese Zahl im Vergleich zum Gesamtwert des Projektes wirklich gering ist, genügt sie, um Siemens erneut in einen weiteren Skandal ähnlich dem von Agua Zarca in Honduras zu verwickeln.

Seit der Planungsphase von Hidroituango gab es Massaker und Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens im Projektgebiet. In der Überflutungszone befinden sich Massengräber. Rund 900 Menschen in dieser Gegend gelten als gewaltsam verschwunden gelassen. Ihre sterblichen Überreste befinden sich nun möglicherweise unter dem Wasser des Stausees. Damit ist ihren Angehörigen sogar die Hoffnung genommen, wenigstens die sterblichen Überreste ihrer Liebsten zu finden – ein schwerwiegendes Hindernis für die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Übergangsjustiz, für die Deutschland sich im kolumbianischen Friedensprozess besonders engagiert.

Seit 2013 wurden überdies fünf Vertreter der vom Projekt betroffenen Gemeinden ermordet. Im vergangenen Jahr waren mehr als 30.000 Menschen direkt von Überschwemmungskatastrophen betroffen, die durch die Verstopfung und die Umleitungstunnels  verursacht wurden. Diese Opfer wurden noch nicht entschädigt.

Aus ökologischer Sicht hat das Projekt negative Auswirkungen wie Entwaldung, Dürren, Probleme mit der Abfallwirtschaft und einen Mangel an Fischen verursacht. Deshalb wurde die vorübergehende Außerkraftsetzung von Umweltlizenzen beschlossen. Es besteht nach wie vor ein hohes Risiko, dass der Damm bricht oder dass große Mengen Wasser durch den Berg sickern. Studien, z.B. der von Siemens mitfinanzierten Weltkommission für Staudämme, zeigen, dass diese Art von Wasserkraftwerk mehr negative als positive Auswirkungen hat.

Korruption war bei der Erteilung von Umweltlizenzen im Spiel, die zur Behebung von Fehlern geändert wurden. Ermittelt wird aber auch wegen Unregelmäßigkeiten im Rahmen von Ausschreibungen und Verträgen mit Zulieferern. Es bleibt zu hoffen, dass Siemens bei keiner der derzeit von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen auftauchen wird.

Im Jahr 2015 wurde eine Prämie für die Beschleunigung des Dammbaus ausgelobt. Die Arbeiten begannen ohne die für die Änderungen der Baupläne notwendige Umweltgenehmigung. Die Prämie erfordert eine Rekord-Bauzeit und das Unternehmen hat bereits anerkannt, dass dies eine der Ursachen für die aktuellen Probleme ist.

Aus all diesen genannten Gründen sind wir der Ansicht, dass der Vorstand, unter der Leitung von Herrn Kaeser, nicht entlastet werden kann und fragen:

1. Aufgrund der Schäden durch die Überschwemmung im Maschinen- und Transformatorenraum wird Siemens China oder Siemens Kolumbien möglicherweise neu liefern müssen. Gibt es seitens Hidroituango bereits eine Anfrage?  Wäre Siemens angesichts der oben geschilderten Lage dazu bereit, einen neuen Vertrag oder eine Erweiterung des bestehenden Vertrages für das Projekt abzuschließen?

2. Welche Reichweite hat Ihre neue Nachhaltigkeits- und Due-Diligence- Politik? Könnte es sein, dass sie für Projekte in Kolumbien nicht gilt? Oder wäre es die Aufgabe des Vorstandes und des Chief Sustainability Officers, die Anwendung der entsprechenden Leitlinien zu überprüfen und die Tätigkeit von Herrn Fernández, des Präsidenten von Siemens Lateinamerika, mit Sitz in Kolumbien entsprechend zu evaluieren?

3. Warum hat Siemens noch im Jahr 2016 einen Vertrag in Bezug auf ein Projekt abgeschlossen, von dem schon bekannt, war dass Korruption hinsichtlich der Umweltgenehmigungen und der Vertragsverhandlungen mit Subunternehmern im Spiel war?

Vielen Dank.  

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